Draco war verwundet, doch der Sieg war noch fern.
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Auf der Lichtung Trishanku wuchs ein großer Ahornbaum mit feuerroten Blättern, Cornu genannt. Zu seinen Wurzeln erhob sich nun Mira, das Grab der Titanen, und dorthin bettete Ursa Major gemeinsam mit Bootes ihre Schwester Ursa Minor.
Neben dem Grab Mira war ein zweites ausgehoben worden, dieses hatten Canis Major und Canis Minor gegraben. Es war das Grab Fornax, in dem alle anderen Wesen ruhten, die Dracos Flamme verbrannt hatte.
Ursa Major und Bootes waren gerade dabei, ihre traurige Arbeit zu beenden, als die beiden Wolfsbrüder Canis Major und Canis Minor eintrafen. Und bald kamen Sabik Pfeilstern, Kornephorus Felsenträger und Mirfak mit seinem Rudel, und der Stier Aldeban Rubinstern, der der Dunkelheit widerstanden hatte. Algieba kam und Kitalpha und Kentaur, die Kinder des Pegasus', und schließlich Pegasus selbst. Die Zwillingsfüchse Castor und Pollux fanden sich ein und die vier Späher - da Cygnus noch immer betäubt ruhte. Der Elch Nunki kam und die Wölfin Virgo. Und dann kamen einige Wesen, die den Mut gefunden hatten, heimzukehren. Dies waren der Pfau Pavo, und im Fluss der große Karpfenkönig Sadalsuud, der Schwertfisch Aboras und die große Walin Shemali.
Sie waren die Helden, die sich der Dunkelheit stellen wollten; mehr kamen nicht an diesem Tag.
Ursa Major und Bootes berichteten ihnen von Ursa Minors traurigem Schicksal und davon, wie der große Draco verwundet worden war.
"Meine Pfeile können nicht tief genug dringen", sprach Bootes traurig.
"Die Finsternis wird Draco nicht mehr so bald entsenden", wusste Phoenix zu berichten, der Späher der Mitte. "Doch nun rückt sie vor und wird uns selbst angreifen. Wir brauchen Schutz und einen Plan!"
"Ich kann euch schützen", bot Aldeban Rubinstern an. Doch sie brauchten mehr Schutz als einen Stier. Da trat Canis Minor hervor. Er hatte nach dem ersten Schreck Lynx' letztes Geschenk gerettet: Drei Schilde hatte der Luchs zusammen mit Phoenix, Virgo und Lukida schaffen können, drei leuchtende Schilde aus reinem Licht. Einer davon war der Schild des Bootes, den dieser wiedererhielt. Traurig strich er über die mächtige Klaue, die Ursa Minor gehört hatte. "Hätte ich dich nur vorher bei mir getragen!"
Die restlichen beiden Schilde gab Phoenix zweien seiner Brüder: Dem Kranich Grus und dem Adler Aquila; da der Schwan Cygnus gelähmt war und der Rabe Corvus versagt hatte. Die drei Schildträger und der Stier platzierten sich nun rings um die Lichtung, um diese zu schützen und zu bewachen. Dunkelheit kroch über das Land.
Nun bereiteten sich die Verteidiger vor. Doch rasch meldete sich Bootes zu Wort: "Viele Unschuldige sind noch in den Weiten der Lichterwiesen. Wir müssen sie retten, sofern wir können."
Dem stimmten die Verteidiger zu, wenngleich sie zögerten. Denn die Rettung würde nicht leicht werden. Die Dunkelheit nahte aus dem Osten und dem Süden, dort würde kaum jemand zu retten sein. Im Norden und Westen dagegen würden sich die Wesen nur schwerlich überzeugen lassen, der Gefahr entgegenzulaufen. Das Vertrauen in die Titanen war gebrochen, seitdem Lupus daniederlag.
Mirfak jedoch war entschlossen, zu helfen. Er wollte nach Westen gehen und so viele wie möglich überzeugen. Sein Rudel - Arae, Sol, Lunis, Sirius, Canopus und Arktur - würde ihn begleiten.
Kornephorus und Sabik entschieden, in den Norden zu gehen. Algieba wollte sie begleiten, denn die dortige Akazienweite war ihre Heimat.
Im Süden, so wussten die Verteidiger, konnte es keine Rettung geben. Nunki, der Elch, bat jedoch darum, nach Osten zu gehen. Ein Teil des Ostens, hinter dem Fluss Lyra, war noch unberührt von Dunkelheit. Kitalpha und Kentaur boten an, ihn zu begleiten, und so zogen sie zu dritt der größten Gefahr entgegen.
Mirfaks Rudel fand nun im Westen bald viele Wesen und begann, Tier um Tier zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. So gut war Mirfaks Ruf, dass viele ihm trauten, und er gab nicht auf, bis ihm alle folgten. Nicht ein Wesen wollte er zurücklassen, und so kam es, dass er selbst die Feiglinge rettete: Den Paradiesvogel, den Tukan und die Giraffe.
Im Norden fanden Kornephorus und Sabik viele und konnten einige überzeugen. Dann jedoch sahen sie einen Löwen. Algieba brauchte nicht lange, um Regulus zu erkennen, und sie lief zu ihrem Bruder.
Am Rande des Schattens trafen die Kinder des Luchses einander. Algieba berichtete ihrem Bruder vom Tod des Vaters und hoffte, Regulus möge sich nicht als Verbündeter des Schattens erweisen. Doch dann erschien die Wasserschlange neben ihm, die Algieba als Feindin kannte. Da lachte Regulus über Lynx und stieß ein mächtiges Brüllen aus, um zu beweisen, dass er nun über die Akazienweite herrschte. In diesem Brüllen jedoch erkannte Algieba Dracos Schrei wieder und wusste, dass ihr Bruder geholfen hatte, diese Bestie zu erschaffen.
Voller Entsetzen griff sie ihn an, doch die Wasserschlange drängte sich zwischen sie. Sie, von der Dunkelheit gestärkt, war ein mächtiger Gegner, doch Algieba kämpfte ebenso unerbittert. Bei diesem Anblick wusste Regulus, dass er seiner Schwester unterlegen war, und er ergriff die Flucht. Der Kampf von Tigerin und Wasserschlange tobte so schwer, dass Flammen die Akazienweite verzehrten. Selbst Kornephorus und Sabik konnten nicht eingreifen, und so brachten sie nur die Tiere in Sicherheit, die sie retten konnten. Zuletzt war von der Akazienweite nicht viel mehr geblieben als Asche; und Algieba rang die Große Wasserschlange nieder und tötete sie.
So starb der erste Diener der Finsternis.
"Dies Königreich darfst du haben!", rief Algieba, dass es ihr Bruder höre, und kehrte siegreich, jedoch verwundet, zur Lichtung Trishanku zurück. Tiefer reichte ihre Wunde als nur die Bisse der Schlange. Denn Regulus' Verrat hatte ihr tiefe Dunkelheit ins Herzen gepflanzt.
Im Osten nun führten Kitalpha und Kentaur viele Wesen zur Sicherheit. Kentaur führte sie von den Schatten weg zum Fluss, und Kitalpha vom Fluss zur Lichtung Trishanku. Nunki aber watete unermüdlich durch den reißenden Strom, bei den tödlichen Stromschnellen, und trug die Tiere herüber.
Sie gerieten hier in fürchterliche Bedrängnis, denn die Dunkelheit rückte stetig vor. Kentaur musste schließlich fliehen, denn er spürte den Hauch des Todes im Nacken, doch Nunki weigerte sich standhaft, ihm zu folgen. Die Schatten drohten, den Norma-See zu übernehmen. Da wandelte sich dieser See mit einem Mal zu hellem Gift und die Dunkelheit prallte davor zurück! Es war Zeit gewonnen, und Nunki trug die letzten Wesen in Sicherheit. Dann sah er zurück und erblickte einen Skorpion. Dies war Scorpio, und seinem Gift war es zu verdanken, dass die Finsternis eine Weile aufgehalten war. Nunki eilte zu ihm und trug den Skorpion als letztes in Sicherheit, und zusammen flohen sie zurück zur Lichtung Trishanku.
Wer nun hier versammelt war, ward gerettet; doch allen, die außerhalb waren, drohte nur das Ende in Dunkelheit. Und auf der Lichtung selbst war wenig Hoffnung, denn selbst wenn sie von den Schilden geschützt waren, war doch noch kein Sieg in Sicht.