Mit Draco offenbarte sich die schlimmste Waffe der Finsternis.
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Der Drache war erwacht! Draco war ein furchtbares Monster, schlimmer noch als die Summe seiner Einzelteile. Er besaß mächtige Schwingen, die ihn rasch dahintrugen und wie ein Donner tosten. Sein Brüllen konnte Furcht in jedes Herz säen und die Erde erbeben lassen. Sein Panzer war undurchdringlich, die Bestie unsterblich. Jede einzelne Schuppe mehrte das Gift in seinem Atem.
Doch vor allem hatte die Finsternis dem Drachen verliehen, was sie selbst am meisten fürchtete: Licht. Jedoch kein strahlendes Licht, wie Lupus es besaß, sondern eine fürchterliche, verzerrte Version. Auriga hatte ihr geholfen, dessen Macht zu zähmen: Es war Feuer, ein Waldbrand gar, aus dem Glühen des Cepheus-Meeres, der in der Brust des Drachen lauerte.
Dieses schreckliche Wesen hätte alle vernichten können, wären die Verbündeten noch bei Trishanku gewesen. Doch dank der Zwillinge und Mirfaks Hilfe waren die Bewohner Andromedas in alle Winde verstreut. Dies war in jenen Tagen ihre einzige Rettung, denn auch geschlossen könnten sie sich diesem Untier niemals stellen.
So fand Draco die Lichtung Trishanku verlassen vor und konnte seinen Auftrag, alle zu töten, nicht nachkommen. Doch bestrebt, den Befehlen seiner finsteren Herrin zu gehorchen, begann er zu kreisen. Er suchte nach Opfern. Alle Bewohner von Andromeda, die Wölfe und Bären, Füchse und Pferde, Hasen und Vögel und alle anderen, verbargen sich furchtsam in der Tiefe, doch manche erblickte Dracos glühender Blick. Dann spie er Flammen aus und Verwüstung ergriff das Land, während Seelen verschlungen wurden. Nicht eine von ihnen würde zurückkehren.
Tagelang kreiste der Drache. Dies beobachteten auch fünf, die sich im Alkeswald verbargen: Ursa Major, Ursa Minor und Bootes mit seinen Jagdhunden. Besonders der Mensch war besorgt. Er hatte bald begriffen, dass die Toten aus dem Feuer des Drachen nicht zurückkehrten. Wie Mimas waren sie für immer verloren. Und Bootes, der der Beschützer der Schwachen geworden war, trauerte um sie alle.
Doch was sollten sie tun? Auch die Bärinnen konnten Draco nichts entgegensetzen. Und Bootes' Schild war noch auf der Lichtung Trishanku, wo Lynx sich bemüht hatte, ihn mit Licht aufzuladen.
Was sollten sie tun? Mit jedem Tag, den sie im Verborgenen kauerten, wuchs das Leid der drei. Sie überlegten, was sie tun sollten. Der Drache musste abgelenkt werden. Sonst würden sie alle nur in ihren Verstecken warten können, bis sie alle verstorben wären.
Schließlich musste Draco eine Rast machen. Es kam, dass er ganz in der Nähe der Bärinnen zu Boden kam. Wie immer, wenn der Drache schlief, atmeten alle auf, doch jederzeit könnte Draco erneut erwachen. Es gab keine Möglichkeit, sich in diesen kurzen Pausen zu organisieren.
Ursa Major, Ursa Minor und Bootes überlegten, doch sie erkannten, dass sie eine solche Chance nicht oft erhalten würden. Schnell war ihr Entschluss gefasst. In der Nähe war niemand außer ihnen, der mächtig genug wäre, es zu versuchen. Also zogen sie los, zum Ruheplatz des schlafenden Drachen.
Draco war ein gewaltiges Monster. Der Mut wollte sie verlassen, als sie zu fünft auf die Lichtung traten. Hier hatte Draco die Bäume in einem großen Umkreis verbrannt, um sich auf die Glut zu betten.
Leise schlich Ursa Major über die Asche. Ursa Minor, Bootes, Asterion und Chara waren dicht hinter ihr. Sie hielten auf die Brust des Drachen zu.
"Wir müssen ihn rasch töten", flüsterte Ursa Major. "Wenn er aufwacht, wird er uns töten."
"Aber seine Schuppen sind undurchdringlich", antwortete Bootes gedämpft. Das wussten sie alle. Die beiden Bärinnen tauschten einen Blick und beschlossen wortlos, mit einem mächtigen, gemeinsamen Schlag anzugreifen.
Kaum eine Macht war in dieser Welt wie die Pranke von Ursa Major. Lupus vielleicht wäre stärker, doch auch nicht stärker als beide Bären zusammen.
Sie hoben die Pranken zusammen. Bootes umklammerte seine beiden Hunde voller Furcht um seine Freundinnen.
Dann schlugen die Bärinnen zu.
Die Erde erzitterte unter diesem Schlag. Ein Riss lief durch die Erde, vor dem Bootes zurückspringen musste. Das Echo des Schlags war im ganzen Tal von Andromeda zu hören.
Doch Draco lag noch da. Einzig eine große Brustschuppe war abgefallen und offenbarte weiche Haut darunter. Dann jedoch schlug die Bestie die Augen auf. Sein Atem strich über die Lichtung, dass Asterion und Chara, die eigentlich sehr mutige Hunde waren, mit furchtsam zwischen die Beine geklemmten Ruten flohen. Die Hitze nahm den drei Helden den Atem. Die Bärinnen und Bootes sprangen nur knapp nach den Hunden los und rannten.
Mit einem rachsüchtigen Gebrüll öffnete Draco das Maul. Feuer sprang heraus, so heiß, dass es Seelen verschlingen konnte. Ein mächtiger Strahl fräste sich in die Erde.
Und dann traf er Ursa Minor. Die kleine Bärin stieß einen Schrei aus, ehe sie verschlungen wurde. Die Flammen verzehrten die mächtige Titanin in wenigen Atemzügen.
Ihre große Schwester und Bootes hielten an. Ursa Major stieß einen schmerzerfüllter Schrei aus, nicht weniger schrecklich als das Gebrüll des Drachens. Mit spöttisch funkelnden Augen wandte sich Draco ihr zu und klappte das Maul erneut auf. Heißer, giftiger Atem versengte das Gras um die große Bärin. Hitze glühte im Schlund des Untiers auf.
"Ursa Major, lauf!", rief Bootes ihr zu.
Aber Ursa Major rührte sich nicht. Entsetzen hatte sie gelähmt, sodass sie dem Tod reglos entgegensah.
Bootes wollte nicht tatenlos zusehen. Doch er wäre nicht stark genug, um die Bärin mit sich zu ziehen. Da ergriff er Pfeil und Bogen, die er immer über der Schulter trug. Er zielte auf die Brust des Drachen, wo sich die Schuppe gelöst hatte, und ließ den Pfeil von der Sehne.
Das Geschoss bohrte sich tief in die Brust des Drachen. Der Laut, der ihm entwich, grenzte an Panik. Mit einem wilden Fauchen wirbelte Draco herum, das Feuer versiegte. Dann sprang er in den Himmel und floh mit ungeschickten Schwingenschlägen.
Das grausige Biest war verwundet, jedoch nicht tödlich getroffen. Mit klagenden Rufen floh es zurück zu seiner Herrin.
Ursa Major und Bootes blieben auf der verbrannten Lichtung zurück. Eine Weile schwiegen sie, dann trottete die große Bären zu ihrer gefallenen Schwester und senkte trauernd den Kopf. Bootes trat vorsichtig neben sie. Er fürchtete Ursa Major, doch Ursa Minor hatte er geliebt und trauerte ebenso sehr um sie wie ihre Schwester.
"Ich danke dir", sagte die große Bärin schließlich langsam. "Meine Schwester hat sich in dir nicht geirrt."
So wurden Ursa Major und Bootes schließlich doch Freunde, wenn auch unter den traurigsten Umständen. Sie hoben Ursa Minors Leiche auf den Rücken ihrer Schwester, Bootes holte die Hunde zurück und sie zogen zur Lichtung Trishanku.
Denn Draco war geflohen. Sie wussten nicht, wie viel Zeit ihnen bleiben würde, doch nun war ihre Chance, sich mit ihren Freunden zu vereinen und auf das Gelingen eines Gegenschlags zu hoffen.