Malek wurde auf einmal bleich und meinte: «Das könnt ihr natürlich gerne machen. Ich warte dann in meinem Schloss auf euch, bis ihr wiederkommt.»
«Du willst nicht mitkommen?» fragte Pia enttäuscht.
«Nein, ich kann vermutlich sowieso nicht ins Kristallreich und ich glaube es ist auch noch nicht der richtige Zeitpunkt, es zu versuchen.»
«Aber warum denn nicht? Es wäre doch wunderbar, wenn Ululala sehen würde, was aus dir geworden ist.»
«Also ich weiss nicht so recht. Nofrete ist ja auch dort und ich sehe mich noch nicht im Stande, ihr wieder zu begegnen und auch Ululala kann ich noch nicht wirklich in die Augen sehen.»
«Ach komm!» ermunterte ihn das Mädchen «das wird schon schiefgehen! Ululala wird bestimmt sehr glücklich sein, wenn er dein neues Ich kennenlernt. Er hat uns damals gesagt, dass du ihm sehr am Herzen liegst.»
«Früher war das wohl noch so, aber nicht nachdem ich ihn so enttäuscht habe.»
Benjamin kam nun seiner Schwester zu Hilfe: «Ach was! So wie ich unseren alten Mentor einschätze, wird er dir bestimmt vergeben.»
«Aber was ist mit Nofrete?»
«Auch sie wird mittlerweile von deinen vielen guten Taten gehört haben und wir werden allen natürlich erzählen, was für einen wichtigen Beitrag du zum Aufspüren des vollständigen Medaillons geleistet hast.»
«Ich fürchte mich dennoch sehr, ihr wieder entgegen zu treten, habe ich doch einstmals so viel angerichtet und auch ihr grosses Leid zugefügt.»
«Das ist jetzt aber Vergangenheit und es wird Zeit, dich ihr zu stellen.»
«Nun gut… ich werde schauen, ob ich überhaupt wieder ins Kristallreich reisen kann. Wenn nicht, erübrigt es sich sowieso.»
«Ich bin sicher, dass du es schaffen wirst,» meinte Pia überzeugt.
«Also gut, wenn ihr meint, versuche ich es. Aber jetzt sollten wir uns ein wenig ausruhen. Wollt ihr diese Nacht gleich in unserer Höhle hier verbringen? Ich werde uns die wichtigen Sachen herzaubern. Was meint ihr?»
Die Geschwister fanden das eine gute Idee und so entzündeten sie ein gemütliches, wärmendes Lagerfeuer. Als sie dort so gemütlich beisammen sassen und der gespenstische Schein der Flammen über das in den Fels gemeisselte Gedicht huschte, sprach Benjamin nachdenklich: «Dieser Ort, wird für immer und ewig in unseren Erinnerungen bleiben. Hier haben wir Vertrauen gelernt und uns unseren Schwächen gestellt.»
«Du hast recht,» stimmte Malek zu. «Gewisse Dinge bleiben immer in unseren Herzen. Sie sind in unsere Seelen eingebrannt und darum können wir nie wieder dieselben sein, die wir einst waren. Alles ist im Wandel und schliesslich bleiben von so vielen Ereignissen, nur noch Erinnerungen zurück. Auch ich werde bald nur noch in eurer Erinnerung existieren, denn schon in Kürze verlasst ihr das Märchenreich wieder und wer weiss, ob wir uns danach jemals wiedersehen.»
«So etwas darfst du nicht denken!» meinte Pia. «Wir werden uns bestimmt wiedersehen.» «Wer weiss… doch der baldige Abschied ist unvermeidlich.»
«Denken wir jetzt noch nicht darüber nach! Wir sollten unsere gemeinsame Zeit noch geniessen. Ausserdem haben wir haben ja jetzt das Medaillon. Stell dir vor, wieviel Freude wir in den nächsten Tagen noch bringen werden, wenn wir alle wieder nach Hause holen. Das wird wunderbar!» Malek lächelte das Mädchen liebevoll an uns sprach mit leiser Stimme: «Ja… du hast Recht, das wird bestimmt wunderbar!»
Zurück ins Kristallreich
Am nächsten Morgen erwachten die drei beim Schein der ersten Morgensonne, die ihr sanftes Licht über den Meditationsberg warf. Sie packten alles zusammen, was sie für ihre nächste Reise brauchten und assen ein kleines Frühstück. Alle waren nachdenklich und in sich gekehrt. Als sie die Höhle verliessen, warfen sie noch einen letzten Blick zurück. Ein matter Lichtschein lag auf dem Gedicht, das den Felsen wie ein ewiges Vermächtnis schmückte. Sie spürten einen Stich im Herzen und sie wussten, dass stets ein Teil von ihnen, hier an diesem besonderen Ort, zurückbleiben würde. Sie mussten jetzt jedoch an die Zukunft denken! Ruckartig wandten sie sich ab und suchten sich einen geeigneten Meditationsplatz.
Ululala schreckte aus seiner tiefen Morgen- Meditation hoch. Er hatte eine intensive Vision gehabt. «Die Turner Kinder!» rief er «sie kommen zurück und er… ist auch dabei!»
Das Herz des alten Magiers klopfte zum Zerspringen. Er hatte in seiner Vision ganz klar gesehen, dass Pia und Benjamin auf dem Weg zu ihm waren und Malek begleitete sie diesmal.
«Aber…» murmelte er vor sich hin. «Wie kann es sein, dass er wieder herkommen kann? Hat er sich so stark weiterentwickelt?» Das musste er sofort Lumniuz erzählen! Hungoloz war leider gerade nicht im Kristallschloss. Er besuchte mal wieder seine Heimat in den Wäldern. Nofrete wollte Ululala vorläufig noch nichts sagen, er wusste nicht, wie sie auf Maleks Rückkehr reagieren würde.
«Was?» rief Lumniuz überrascht «sie kommen wirklich alle drei hierher?»
«Sieht ganz so aus, ja.»
«Aber…Malek… wie nur sollen wir ihm bloss begegnen?»
«Das ist eine Frage, die mich wohl noch mehr beschäftigt als dich, mein Freund.» sprach der alte Magier ernst. «Malek war einst wie ein Sohn für mich und… als er dem Bösen verfiel, war mein Herz gebrochen. Ich habe kaum zu hoffen gewagt, dass er irgendwann wiederkehrt und habe mich demzufolge auch noch nicht damit auseinandergesetzt, wie ich ihm, in so einem Fall, überhaupt begegnen würde.»
«Kannst du ihm denn all das was er getan hat jemals verzeihen?»
«Ich weiss es nicht… aber…, wenn er sich wirklich so sehr weiterentwickelt hat, dass er wieder ins Kristallreich kommen kann, dann hat er es vermutlich verdient, dass wir ihm vergeben. Nichtsdestotrotz weiss ich nicht ob ich wirklich dazu in der Lage sein werde.» «Das ist verständlich, dir hat er noch viel mehr angetan als mir. Aber schlussendlich hat jeder eine zweite Chance verdient.»
«Ich habe es geschafft!» rief Malek ungläubig «ich konnte tatsächlich mit euch hierherreisen!»
«Siehst du!» freute sich Pia «was habe ich gesagt! Ich wusste, dass es funktionieren würde.» Die drei befanden sich nun in einem der Innenhöfe des Kristallschlosses. Über ihnen ragte der riesige, regenbogenfarbene Turm in die Höhe. Malek schaute sich voller Bewunderung und Bewegtheit um.
«So lange bin ich nicht mehr hier gewesen!» flüsterte er. «Ich wusste gar nicht, wie wunderschön es hier ist.»
«Ja, es ist unvergleichlich!» pflichteten die Geschwister bei.
«Lasst uns schnell mit dem Aufstieg beginnen!» rief Pia freudig. «Ich kann es kaum erwarten, unsere alten Freunde wiederzusehen!»
«Hoffentlich werde ich von ihnen nicht gleich wieder raus geworfen,» meinte der Magier besorgt.
«Ach was! Ululala und den anderen wird auch klar sein, dass du dich sehr verändert haben musst, wenn du wieder herreisen konntest.» beschwichtigte ihn Ben und lief zusammen mit seiner Schwester zum Eingang des Turmes. Sogleich begannen sie mit dem Aufstieg.