«Das ist so traurig…» sprach Pia tief bekümmert.
Nofrete nickte: «Maleks Abfall vom Licht und seine darauffolgende Grausamkeit, haben mir das Herz gebrochen. Eigentlich war es gut, war ich danach ein Kaninchen, denn mit dem etwas geringeren Bewusstsein eines Tierchens, empfand ich das Leid nicht so stark. Als ich dann jedoch wieder meine menschliche Gestalt zurückbekam, holte mich der ganze Schmerz ein und ich fiel in ein tiefes Loch. Ich trauerte tagelang, trauerte um Malek, darum dass er so vom Guten abgefallen war, trauerte, dass er mir und all den anderen, so etwas Schreckliches angetan hatte. Ich trauerte um meine alte Heimat, die ins Skarions Fänge geriet, um meine verlorene Familie, meine verlorenen Freunde und um unsere Liebe, die nun verloren ist. Es war wirklich eine schwere Zeit.»
«Das kann ich schon verstehen, aber… vielleicht würdest du Malek erneut lieben lernen, wenn du ihn wiedersehen würdest,» wendete Pia ein. «Er ist… mit uns hierher ins Kristallreich gekommen.» «Was!» Nofrete sprang auf «Er ist im Schloss? Aber wie konntet ihr ihn herbringen?!»
«Wir haben ihn nicht hergebracht. Er konnte aus eigener Kraft an diesen Ort zurückreisen. Das heisst, seine Seele ist schon wieder rein genug, um ins Kristallreich zu gelangen. Das zeigt doch, dass er sich verändert hat.»
«Und wenn es auch so sein sollte!» rief Nofrete zornig «Malek hat schon einmal die Seiten unerwartet gewechselt. Er hat dem Herrn der Finsternis eine lange Zeit gedient und das hinterlässt Spuren. Er könnte jederzeit wieder böse werden, wenn ihn irgendwelche starken Emotionen überkommen.
Es ist ein Risiko, wenn wir uns wieder begegnen, denn ich müsste ihm sagen, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein kann und was dann? Ruft er dann erneut diesen… Gob oder sonst eine Höllenkreatur herbei und vernichtet auch dieses Reich?»
«Abgesehen davon, dass wir Gob sowieso schon getötet haben, würde Malek das auf keinen Fall mehr tun,» sprach Ben überzeugt. «Er macht sich so grosse Vorwürfe wegen alledem und kann sich selbst kaum verzeihen. Wir finden einfach, er hätte eine zweite Chance verdient.» «Aber was soll ich tun, wenn ich ihn einfach nicht mehr lieben kann?» rief Nofrete verzweifelt und bückte sich nun, um das am Boden liegende Buch, aufzuheben. Sie musste sich irgendwie selbst beruhigen und stellte das Buch nervös in eins der Gestelle zurück.
In ihr tobte ein Krieg. Das alles brachte sie viel mehr durcheinander, als sie es zugeben wollte. Eine Seite in ihr, wollte Malek gerne vergeben, doch eine andere Seite in ihr wehrte sich mit aller Macht dagegen. Sie hatte schon so sehr gelitten wegen diesem Mann und nun war dieser sogar noch hier auf dem Schloss. Wie nur sollte sie damit umgehen? Sie fürchtete sich, fürchtete sich schrecklich davor, dass Malek sie erneut enttäuschen würde. Niemals hätte sie damals gedacht, dass Malek so vom Wege abkommen würde. Er war immer so liebevoll, so sanft gewesen, doch dann… auf einmal war er zum Schrecken des Omniversums geworden. Was immer er auch geleistet haben mochte, dieser finstere Teil in ihm existierte noch immer, wie sonst hätte er einen Deal mit so einen dunklen, alten Gott zustande gekriegt? All diese Dinge sprachen dafür, dass sie ihm nicht vertrauen konnte.
Sie atmete einige Male tief durch und wandte sich dann wieder an die Geschwister: «Es bedeutet mir wirklich sehr viel, dass ihr wieder da seid und es würde mich freuen, wenn wir uns, während der Dauer eures Aufenthaltes, noch öfters sehen könnten. Aber ihr müsst verstehen, dass ich nicht hinauf in den grossen Speisesaal kommen werde, so lange Malek hier ist. Es… tut mir wirklich leid.»
Die Kinder schwiegen betroffen, doch sie konnten, in dieser Hinsicht, wohl nichts mehr ausrichten. So nickten sie zustimmend. «Wenn du das so möchtest, dann werden wir das natürlich respektieren, auch wenn es sehr schade ist.»
Nofrete streichelte den beiden kurz übers Haar. «Ach kommt! Wir werden auch so eine sehr schöne Zeit zusammen haben. Und bald werdet ihr alle Verbannten wieder nach Hause holen! Das ist doch das Wichtigste. Nehme doch noch etwas Gebäck und erzählt mir jedes Detail eurer Reise!»
Zwiesprache mit den Geistern,
Rückkehr zum Blauen Kristall
Während die Geschwister bei Nofrete waren und Malek sich etwas im Kristallschloss umsah, hatte sich Ululala in den abgedunkelten Raum der Stille zurückgezogen. Er war erneut in eine tiefe Meditation vertieft. Sein Geist reiste durch endlose Räume und Gezeiten. Er rief nach den guten Geistern, die ihm Antwort auf seine Fragen geben konnten und schliesslich kamen sie auch und umschwebten ihn, wie leuchtende Nebel aus Liebe und Reinheit. «Ihr grossen, gütigen Seelen!» rief er ihnen zu. «Bitte sagt mir, was wir mit dem Medaillon tun müssen, um die Tore in die anderen Welten zu öffnen!»
Nährende Kraft und sanfte Energie, durchströmte den Magier und in seinem Herzen hörte er kurz darauf, den Hall mehrerer Stimmen: «Wie du und die Turner Kinder bereits vermutet haben, müsst ihr das Medaillon zurück zum geheimnisvollen, blauen Kristall bringen. Dort soll es sich mit selbigem vereinen und damit wird die Macht des heiligen Steins entfesselt. Der hohe Geist, welcher den Kristall seit ewigen Zeiten bewohnt, wird erscheinen und euch die Türen, zu allen gewünschten Orten öffnen. Geht verantwortungsvoll mit dieser Macht um!»
«Selbstverständlich!» erwiderte Ululala. «Soll ich mit den Turner Kindern zum Kristall reisen?» «Nein, du wirst hier bleiben, denn du wirst nun von Tag zu Tag ein wenig schwächer werden.»
«Schwächer werden? Was meint ihr damit?»
«Eigentlich weisst du selbst es schon lange.»
«Ihr meint… meine Zeit ist schon bald gekommen?»
«Ja, schon sehr bald. Du hast alles getan, was du tun konntest. Alles, was dir in diesem Leben hier bestimmt war. Nun kannst du getrost loslassen. Wir werden dich mit offenen Armen in unserem Reiche willkommen heissen: Ululala- Meister der Grossen Führer!
Eine ganz neue Existenz wartet auf dich und all deine Wünsche werden sich erfüllen, denn du hast uns sehr viel Freude gemacht.»
«Dann werde ich also tatsächlich keine neuen Lehrlinge mehr ausbilden…» murmelte der Magier vor sich hin.
«Nein, das wird jemand anderer übernehmen.»
«Wer wird das denn sein?»
Du wirst es wissen, wenn der Moment da ist.»
«Aber… werde ich dann wenigstens noch miterleben, wie Nofrete und all die anderen Verbannten, wieder in ihre Heimatwelt zurückkehren?»
«Ja, das wirst du, aber deine magischen Kräfte werden dann nur noch gering sein.»
«Ich verliere meine Kräfte…?» Dieser Gedanke machte Ululala mehr Angst, als er es jemals für möglich gehalten hätte. «Aber… ohne meine Magie, was bin ich dann noch? Sie ist doch ein Teil von mir!»
«Du wirst sie nicht mehr brauchen, dort wo du hingehst, sowieso nicht.»
«Dennoch… ich habe gerade noch so viel zu tun. Ich muss Malek helfen das Juwelenreich wieder aufzubauen, so dass die Verbannten eine gute Heimat vorfinden. Das kostet noch viel Zeit und Arbeit.»
«Das ist uns bewusst und du wirst genauso viel Zeit erhalten, wie es nötig ist. Du selbst wirst spüren, wann der Zeitpunkt deines Todes da ist.»
Tod… dieses Wort hatte etwas Bedrohliches, aber zugleich auch unglaublich Tröstliches. Denn nur durch die Pforte des Todes, konnte man in einer höhere Daseinsform hinüberwechseln, davon war Ululala überzeugt. Und trotzdem, sich nun so direkt mit dem eigenen Ableben konfrontiert zu sehen, war härter als vermutet.
«Du wirst die Kraft für alles finden mein Sohn und du wirst in Frieden und Freude, in dein jenseitiges Leben aufbrechen,» sprachen die Geister «und auch dann noch, wird die Entwicklung deiner Seele immer weitergehen. Es stehen dir neue evolutionäre Schritte bevor, also sei nicht bekümmert, sondern freu dich! Und nun kehre zurück und berichte den Geschwistern, was sie mit dem Medaillon tun müssen.» Ululala neigte zustimmend das Haupt und kurz darauf erwachte er wieder aus seiner astralen Reise.