Kapitel 7
Eine berauschende Blondine
Er hatte geschrien, mehrere Minuten lang. Einfach in diese verdammte Dunkelheit hinein geschrien. In der Hoffnung, dass ihn jemand hören würde, der ihn aus seiner misslichen Lage befreien könnte. Tränen der Wut und der Verzweiflung rannen an seinen Wangen hinunter. Immer wenn er eine Pause eingelegt hatte, versuchte er in diese zermürbende Stille hineinzuhorchen. Aber – nichts...
Als Marcel wach geworden war, umgab ihn diese schwarze Finsternis. Er spürte diesen harten Untergrund, auf dem er saß. Es musste so eine Art Stuhl sein, denn er hatte mit schwungvollen Bewegungen seines Körpers ihn Zentimeter für Zentimeter verschieben können. Leider war die Sitzgelegenheit so schwer, dass ihn nach kurzer Zeit die Kraft verlassen hatte. Er erinnerte sich an die harten metallischen Geräusche, die der Stuhl auf dem Boden erzeugt hatte, während er sich darüber bewegte. Sie hatten ihn ebenfalls zermürbt. Während seiner Bemühungen den Stuhl zu bewegen, hatte er den Widerstand an seinem Rücken bemerkt, der ihn stark einschränkte. Widerstand, einen brutalen unnachgiebigen Widerstand fühlte er auch an seinen Handgelenken, mit denen er an den Stuhllehnen fixiert war.
Er hatte mit aller Kraft versucht, an den Fesseln zu ruckeln und zu zerren. Aber nach ein paar Minuten hatte er kraftlos aufgegeben. Wieder fragte er sich, was man mit ihm gemacht hatte. Wie war er in diese beschissene Lage hineingeraten? Seine Erinnerungen waren nach und nach wieder zum Vorschein gekommen.
Alles hatte mit einem Streit mit seiner Freundin angefangen. Es waren natürlich wieder nur Kleinigkeiten gewesen. Wie so oft, hatte sich der Streit hochgeschaukelt. Ständig ging es um das gleiche Thema, nämlich um Sex. Nach langjähriger Beziehung war leider, wie auch häufig in anderen Partnerschaften, die Luft raus. Sie hatten sich früher oft leidenschaftlich geliebt. Nichts hatten sie vermisst, schlüpften häufig in andere Rollen, benutzten die unterschiedlichsten Sexspielzeuge und zelebrierten ihre Gelüste an vielen verschiedenen Orten. Sowohl im Urlaub am Strand oder im Meer, als auch in gut besuchten Parks oder im einsamen Wald, probierten sie sich gemeinsam aus. Manchmal trafen sie sogar auf Gleichgesinnte, die ebenfalls miteinander intim wurden. Hin und wieder träumten sie davon, mit diesen ähnlich denkenden Menschen in Kontakt zu treten, scheuten sich aber aus Gründen der Eifersucht vor einem direkten Partnertausch. Anstatt offen und ehrlich über ihre Wünsche und Fantasien zu reden, distanzierten sie sich immer mehr voneinander. Dadurch schlief ihr Sexleben nach und nach ein. All die Variationen, die sie vorher in ihr Liebesspiel hatten einfließen lassen, ließen das Verlangen nach fremder Haut nicht abebben, zumindest bei Marcel. Wahrscheinlich war es ein normaler Prozess, in so einer langen Partnerschaft. Allerdings läge die Lösung eher in einer verständnisvollen Kommunikation, als in einem emotionalen Rückzug beider Partner. Der Frust stellte sich immer mehr ein und so kam es häufiger durch kleine Unstimmigkeiten zum Streit. Als sie mit einer vollen Tasse Kaffee nach ihm geworfen hatte, war der traurige Höhepunkt erreicht. Marcel war kurz davor gewesen, auszurasten und hatte die Flucht ergriffen. In einem Strip-Club wollte er dann seinen angestauten Dampf ablassen.
Vor einigen Wochen hatte ein neuer Club in der Innenstadt eröffnet, Devils Heaven hieß er. Dort servierten alle Bardamen oben ohne. Anblicke, die er jetzt brauchte und die ihn wieder etwas mehr Mann sein lassen würden. Er wollte den Stripperinnen bei ihrem erotischen Tanz, um die metallenen Stangen zuschauen. Vielleicht würde er sich auch eine Privatshow gönnen, bei der er sich selber verwöhnen würde. Als er den Club durch die blickdichte Tür betrat, wurde er sofort von einer entzückenden Empfangsdame begrüßt. Die gertenschlanke Brünette, die in ihrem Engelskostüm super sexy aussah, lächelte, nahm ihn an die Hand und führte Marcel an die Bar, die in ein diffuses Licht getaucht war. Dann wünschte der Engel ihm noch einen wunderschönen Aufenthalt, viel Vergnügen und begab sich wieder auf den Weg zum Eingangsbereich. Lichtblitze trafen ihn immer wieder, die von geschwenkten Laserkanonen abgeschossen wurden. Ein Rundblick ließ ihn die erotische Atmosphäre aufnehmen. Einige Kellnerinnen liefen mit Tabletts durch den Club. Sie schienen ihren Job zu mögen, denn sie strahlten alle eine natürliche Freude aus. In ihren roten, hautengen Latex-Kostümen und den aufgesetzten Hörnern aus Plüsch sahen sie alle wie süße Teufel aus. Allerdings sah keine Bedienung, mit ihrer sexy Kleidung, genau wie die andere aus. Eine Teufelin hatte das kurze Kostüm gewählt, mit Trägern statt Ärmeln und einer so kurzen Hose, dass sie nicht mehr viel der Fantasie überließ. Eine andere trug das lange Modell, bei dem nur die Brüste freilagen. Sie flirteten herzlichst mit den männlichen Gästen, hielten aber immer einen respektvollen Abstand zu ihnen ein. Nur in den von rotschwarzen Vorhängen abgetrennten Nischen ging es noch freizügiger her. Als eine Kellnerin, mit einem Tablett voller alkoholischer Getränke, einen Vorhang kurz zur Seite schob, konnte man einen kleinen Einblick hinter den blickdichten Stoff erhaschen. Marcel sah einen Gast, der auf einem Ledersofa saß. Seine Hose war bereits heruntergestreift worden und verharrte an seinen Knöcheln. Eine nackte Frau kniete vor ihm und beglückte den Mann mit ihren oralen Fähigkeiten, während sein Blick auf eine andere Nackte gerichtet war, die lasziv vor den beiden tanzte. Nach einer Minute bewegte sich der Vorhang ein weiteres Mal. Als die Kellnerin die Nische mit dem nun leeren Tablett wieder verließ, konnte der aufmerksame Beobachter erkennen, dass die beiden Damen ihre Plätze getauscht hatten.
Marcel gefielen diese wiederkehrenden Wechsel, da man dadurch kurz verschnaufen konnte. Er spielte mit dem Gedanken, eine Nische für sich und ein paar Damen zu mieten, setzte sich auf einen Hocker an der Bar und drehte sich in Richtung Theke. Dort schaute er in das verspiegelte Getränkeregal und konnte sein Ebenbild im Spiegel erkennen. Er sah müde aus, müde und erledigt vom Streit mit seiner temperamentvollen Freundin. Die wollte er aber für diese Nacht einfach vergessen und ließ sich einen doppelten Scotch ohne Eis bringen. Die doppel-D-brüstige Bardame überreichte ihm sein Getränk, nicht ohne ihm ein strahlendes Lächeln entgegen zu werfen. Für einen Moment versank er in ihre Augen, die bei jeder Bewegung leicht auf und ab wippten. Den ersten Drink schüttete er einfach so runter, musste etwas prusten, bekam ohne Aufforderung einen Zweiten, den er stumm nickend entgegennahm. Mit dem Vorhaben, sich später eine Privatshow zu gönnen, kramte er aus seiner Hosentasche eine Pille hervor. Früher hatte man für solche spontanen, erotischen Aktivitäten immer ein oder mehrere Kondome griffbereit gehabt. In den heutigen Zeiten der Wunderpille verzichtete man meist darauf. Er nahm das kleine orangene Objekt zwischen zwei Finger und warf es sich in den offenen Mund. Dann spülte er es mit seinem scharfen Getränk runter. Jetzt konnte dieses Wunderding sein faszinierendes Werk in Marcels Inneren beginnen. Die Glückliche würde am Ende ihres Nischen-Dates ein fruchtiges Orangenaroma schmecken dürfen.
Mehrere Minuten hatte er dem Treiben, hinter sich auf der Bühne, zugeschaut, als er auf einmal die Bewegung neben sich wahrnahm.
Fortsetzung mit Kapitel 7 - Teil 2...