Du bist Allyster der Sehende.
„Macht euch bereit.“ Du erschaffst einen Feuerball, für deine Gefährten das Signal, einen Pfeil auf die Sehne zu legen beziehungsweise den Säbel zu zückten. Allerdings schickst du Elred los, eure Pferde zu holen. Falls etwas schiefgeht, solltet ihr zügig fliehen können.
Ihr wartet hinter der Stallwand, während die große Gruppe auf den Hof marschiert. Du hörst, wie einer gegen die Tür des Hauses hämmert.
„Aufmachen!“, ruft er in der Gemeinsprache. „Wir wissen, dass ihr da seid!“
Als alles still bleibt, wendet die gleiche Stimme sich an den Rest der Gruppe, allerdings verstehst du die Worte nicht mehr. Es klingt für dich wie ein Soldat, der seinem Hauptmann Meldung macht. Dieser antwortet, für dich ebenfalls unverständlich, in einem merkwürdigen Tonfall zwischen Resignation und Belustigung.
Du errätst, dass die Steuereintreiber nicht zum ersten Mal hier sind. Dass die Familie sich vor ihnen versteckt, hätten sie eventuell nicht erwartet – so liest du den Tonfall desjenigen, der geklopft hatte – aber es überrascht sie nicht sehr. Sie rechnen nicht damit, dass es den Bauern fiel helfen wird. Aus dem Tonfall des Anführers liest du Mitleid und Enttäuschung.
Wenn sie wüssten, dass die Familie ihnen durchaus entgegengetreten wäre!
Inzwischen sind auch die letzten Steuereintreiber auf den Hof gegangen. Das ist dein Zeichen. Du schleuderst Feuerbälle auf das Dach des Wohnhauses, auf den Stall und dann auf alle Lücken zwischen den beiden Gebäuden. Schweiß tritt dir auf die Stirn, nicht nur von der Hitze des Feuers. Die Flammen finden rasch Nahrung, weil du sie mit aller Macht nährst. Das ist zwar ein wenig übertrieben, doch du willst nicht riskieren, dass die Eintreiber ausbrechen.
Karja tritt mit dem Säbel vor den Hofeingang, die größte Lücke im Ring der Gebäude. Von hinten kommt Elred im Sattel von Coritas zu euch. Melréd, ihr Fohlen und der Esel führt er am Strick hinter sich, während er gleichzeitig auf die gleiche Lücke wie Karja zielt.
Ihr habt schnell gehandelt. Erst jetzt erklingen warnende Rufe und Schreie. Du konzentrierst dich darauf, das Feuer zu verstärken. Dichter, schwarzer Qualm steigt in die Luft. Die Rufe im Inneren werden zorniger.
„Ich hätte dich für einen weiseren Mann gehalten!“, erklingt die Stimme des Anführers, tosend laut über dem Lärm des Feuers, dem Knistern und Knacken und Krachen. „Du machst die Lage für dich und deine Familie nur schlimmer.“
Sie denken immer noch, sie hätten es mit den Bauern zu tun.
Du schöpfst einen Moment Atem. Die Magie hat dich ausgelaugt. Erschöpft sammelst du deine Kräfte, um Karja und Elred unterstützen zu können.
In diesem Moment erklingt ein lautes Brüllen. Es ist so mächtig, dass du den Boden unter dir vibrieren zu fühlen glaubst. Dann stürmt eine Bestie aus dem Feuerring, wie du sie noch nie zuvor gesehen hast. Ein Bär, hoch wie zwei Mann aufeinander, das Maul groß genug, um euch im Ganzen zu verschlucken. Sein Fell ist goldbraun und gezeichnet mit braunen Runen, die dir verraten, dass es kein gewöhnliches Tier ist.
Karja, die direkt in der Öffnung steht, hat keine Chance. Die mächtige Pranke fegt sie zur Seite, in das Haus hinein. Sie durchschlägt die Wand, wo eine blutige, bröckelnde Öffnung zurückbleibt, durch die du das Inferno im Inneren sehen kannst.
Selbst über die Flammen hast du den Aufprall gehört. Jetzt wirbelt der Bär herum. Er bleibt nicht alleine. Weitere riesige Bestien, allesamt mit weißem bis blondem Fell, treten aus den Flammen. Ihre glühenden Blicke fixieren dich. Die Pfeile, die Elred schießt, um dich zu retten, nehmen sie kaum wahr.
Du siehst noch einen dunkleren Bären herauskommen, ein schwarzes Tier, dessen Runenzeichnung silbrig ist. Mehr und mehr kommen aus dem Ring der Hütten. Du begreifst endlich, was sie so unwirklich erscheinen lässt: Sie brennen nicht! Abgesehen davon, dass ihnen in den Flammen etwas zu warm zu sein scheint, reagieren sie nicht auf das Feuer. Es greift einfach nicht in ihre Pelze.
Du stolperst taumelnd zurück. Die Bärengruppe sieht dich still an. Vielleicht sind sie etwas überrascht, einen Dunkelhäutigen in den Pelzen ihres Volkes zu sehen und begreifen nun, dass die Familie sich gar nicht vor den Steuern drückt. Aber die Verwunderung der Bestien dauert nicht lange an.
Du wirbelst herum und rennst los, als die Bären den ersten Schritt in deine Richtung machen. So schnell du kannst, läufst du zu Elred, der die Pferde zum Galopp treibt. Er kommt auf dich zu, auch wenn der Esel sich störrisch weigert, auf die Monster zuzuhalten. Melréd jedoch kommt zu dir. Du streckst die Hände nach dem Sattel auf und klammerst dich an die Seite der Stute, während diese unter aufwirbelndem Kies wendet.
Elred feuert auf die Bären, die jedoch nur schneller werden. Während du dich noch in den Sattel zu ziehen versuchst, sind die Kiefer eines der Bären plötzlich direkt über dir.
Das Monster beißt zu. Durch deine Schultern und Hüften, durch den Sattel bis in Melréds Flanke. Die Stute stößt einen hellen, schmerzerfüllten Schrei aus. Während du ächzt, fluten Schmerzen deine Wahrnehmung. Nur undeutlich siehst du, wie die Bären zu beiden Seiten an dir vorbeistürmen, um auch Elred zu fangen. Alle Pfeile sind nichts als Mückenstiche für sie. Sie machen sie wütend, aber nicht langsamer.
Melréd bricht unter dir zusammen. Du stürzt auf die Erde. Der Aufprall ist mehr als unangenehm, erschüttert er doch deine geborstenen Knochen. Dann brennt Dreck in deinen Wunden. Du bist beinahe blind und taub vor Schmerz, aber gleichzeitig seltsam losgelöst. Du weißt, dass es das Ende ist. Dein Gehirn kapselt sich ab, betrachtest deine Wunden mit kalter Logik, als wäre es ein fremder Körper.
Ein Schatten fällt über dich. Der große Bär senkt seine Pranke über dich. Das Gewicht auf deinen Brustkorb ist im ersten Moment beinahe beruhigend. Dann gibt dein Leib dem Druck nach und du ächzt ein letztes Mal auf. Du wirst in die Erde gedrückt. Schlagartig verlierst du das Gefühl für deinen Körper, als deine Wirbelsäule bricht. Dann liegst du da, während alles langsam dunkler wird, weil du keine Luft mehr zu deinem Gehirn bringen kannst, und siehst zu dem Bären auf, der deinen Blick ebenso reglos und ruhig erwidert.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hier keine Fortsetzung.
Um das Canon-Ende für Allysters Teil der Geschichte zu erreichen, musst du die Flucht wählen.
Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!