Du bist Allyster der Sehende.
Ihr teilt euch auf. Während du im Haus bleibst und dort nach Verstecken suchst und Karja die Steuereintreiber zu den Ziegen bringt, schnappt sich Elred den Spaten, mit dem ihr auch die Leichen vergraben habt.
Du merkst, dass deine Finger zittern. Fieberhaft suchst du nach Versteckmöglichkeiten. Du zerrst die Matratze vom Bett, doch dort verbirgt sich nichts. Du schlitzt sie sogar mit dem Dolch auf, doch es ist auch kein Beutel eingenäht.
Ob die Bauern ihr Geld bei sich getragen haben? Danach müsstest du Elred oder Karja fragen, aber du willst die Hütte nicht verlassen.
Du bemerkst ein loses Brett. Nachdem du dich umgesehen hast, ergreifst du ein Kurzschwert, das an der Seite der Hütte lehnt. Vermutlich gehört es einem der Eltern. Oder sogar der alten Frau, deren blutbedeckter Schaukelstuhl noch in der Ecke steht. Die Klinge ist rostig und fleckig. Aber es reicht, um die Dielen auszuhebeln.
Darunter findest du vor allem Spinnweben. Einige Ratten fliehen vor dem plötzlichen Licht. Unter dem Haus gibt es einen schmalen Raum, etwas eine Handlänge hoch, von Brettern und Balken unterteilt, die auf der teils unebenen Erde aufliegen. Einige Pflanzen haben sich hier behauptet – wie auch immer – ansonsten weist die kahle Erde die Spuren von kleinen Tieren auf. Sie haben sich unter den Balken Gänge gegraben.
Du zischst leise und beginnst, die Dielen in regelmäßigen Abständen aufzubrechen, um jedes der Rechtecke zu öffnen, die von den Balken abgetrennt werden. Du gehst systematisch vor, Stück für Stück. Und tatsächlich wirst du bei einem der letzten Abschnitte fündig. Hier liegt ein Beutel mit einigen Münzen.
„Ha!“ Erleichtert kniest du dich hin, um die Jarlskronen zu zählen. Nicht, dass du wüsstest, wie viel sie wert sind. Es sind knapp acht Münzen. Das müsste doch reichen, oder? Zwar fehlen euch etwa zweihundert Kronen, wenn du die Ziegen von den eintausend abziehst, die ihr benötigt, aber die Münzen haben unterschiedliche Größen und Verzierungen. Sie sind also unterschiedlich viel wert.
„Karja, ich …“ Du erinnerst dich daran, dass du leise sein solltest. Angespannt siehst du zur Tür. Du musst die Piratin sprechen …
Du trittst an das Fenster heran. Elred ist im Hof nicht zu sehen, doch Karja spricht noch immer mit den Steuereintreibern. Alle von ihnen sind große Männer, muskulös und behaart. Sie haben kunstvoll geflochtene Bärte und tragen Fellkleidung, die oft nicht einmal die Arme bedeckt. Das wäre dir hier oben zu kalt – andererseits haben die Wikinger sichtbar dichte Behaarung auf den Armen.
Einige in dieser Gruppe haben dunkle Haare oder dunkle Haut. Es sind also nicht nur echte Flutheimer, auch wenn diese die größte Gruppe darstellen.
Karja sieht ab und zu zum Fenster. Du stellst dich so, dass sie dich erkennen können muss, und winkst kurz. Daraufhin entschuldigt sie sich bei den Steuereintreibern und kommt zu dir.
Dein Herz sinkt, als sie das Gesicht verzieht. Du hast ihr die Münzen gezeigt, aber beeindruckt ist sie offenbar nicht.
„Wie viel?“, fragst du besorgt.
„Zwanzig“, murmelt sie. „Wir haben echt die Ärmsten der Ärmsten überfallen.“
„Danke. Das schlechte Gewissen brauche ich jetzt.“
Sie sieht dich an. „Darum geht es hier nicht. Ich denke, wir haben uns damit echt reingeritten. Diese Familie konnte die Steuereintreiber nicht auszahlen. Sie sind bereits zum dritten Mal dieses Jahr da – weil sie Nachzahlungen brauchen. Wir haben Glück, dass sich diese Leute nicht merken, bei wem sie überall Eintreibungen vornehmen. Oder jedenfalls, wie die Leute dort aussehen. Vielleicht ist es auch eine andere Gruppe als sonst – So oder so, die Steuereintreiber an sich waren oft genug hier.“
„Wir wären seltener hier, wenn ihr einfach zahlen würdet.“
Ihr wirbelt herum. Einer der Wikinger ist in der Tür aufgetaucht und betrachtet das Zimmer mit dem aufgerissenen Boden nun neugierig.
„Hier ist ja noch jemand!“, sagt er laut genug, um auch den Rest des Trupps zu alarmieren. „Was ist hier los? Suchen wir nach Schätzen?“
Der Anführer und mehrere weitere Krieger treten herein. Ihre Blicke sind misstrauisch, was sich wenigstens etwas legt, als du vortrittst und den Beutel mit Münzen aushändigst.
„Unsere … Großmutter hat das meiste versteckt“, sagt Karja. „Wir wissen nicht genau, wo ihr Geld überall ist.“
„Und ihr wolltet ganz sicher nichts verstecken?“, fragt der Anführer der Wachen. Die Münzen steckt er ein, doch sie scheinen eure Schulden nicht einmal ansatzweise zu tilgen.
Immerhin kommen sie nicht darauf, dass ihr Fremde seid. Sie haben bei den Steuereintreibungen allerdings sicherlich mit vielen Betrügern zu tun.
„Wir sind es leid, immer im Nachzug zu sein“, sagst du leise. „Ihr könnt alles haben. Ich hoffe nur, dass wir wenigstens ein paar Ziegen behalten können …“
Der Anführer schnaubt belustigt. „Wenn ihr sie freikaufen könnt, sicher.“ Er scheint euch das nicht zuzutrauen. Du siehst das ähnlich, aber du denkst dir, dass ein Flutheimer sicherlich nicht alle Ziegen verlieren möchte. Wovon soll er später sein Leben finanzieren, wenn er nicht einmal mehr Nutztiere hat?
Jetzt wendet sich der Anführer erst einmal seinen Leuten zu. „Jungs, es gibt wieder Schatzsuche. Schnappt euch was und helft den guten Leuten hier mal!“
Einige der Männer lachen, andere murren. Die Arbeit ist nicht sehr beliebt, aber nicht unerwartet. Die Steuereintreiber haben zum Teil sogar Spaten dabei, andere holen Spitzhacken hervor. Wieder andere graben mit ihren Schilden oder durchsuchen lediglich das Gebüsch.
Beklommen siehst du zu, wie sie überall herumwuseln. An sich ist diese Hilfe bei der Suche natürlich zu eurem Vorteil. Wäre da nicht ein kleines Problem.
Elred kommt auf den Hof, flankiert von zwei Eintreibern, die auch seine Schaufel konfisziert haben. Der Hauptmann bedeutet seinen Leuten, euch in das Wohnhaus zu geleiten, wo ihr von einigen der Gruppe beobachtet werdet.
„Da ihr heute ja schon so viel Gold loswerdet, müsst ihr euch ja nicht überanstrengen“, sagt er mit einem süffisanten Grinsen.
Er vertraut euch nicht. Du hoffst, dass er nicht doch Verdacht geschöpft hat.
„Hey!“, ruft jemand draußen. „Hier hinten wurde gebuddelt.“
Du tauschst einen Blick mit Elred und Karja. Beide erwidern ihn angespannt. Sie haben das Grab gefunden!
Unauffällig willst du zur Tür gehen, aber die Steuereintreiber haben euch genau im Blick. Elred tastet unter dem Hemd nach dem Tigerauge. Aber Langsamkeit wird euch hier nicht helfen.
Wenn ihr bloß die anderen Steine bei euch hättet!
„Scheiße!“, brüllt schließlich ein Mann. Mehrere Steuereintreiber stolpern, Waffen in den Händen, um die Ecke.
„Sir!“, rufen sie. „Das sind Betrüger!“
Das war’s – ihr seid aufgeflogen. In einem verzweifelten Versuch reißt ihr die Waffen hoch und versucht, euch aus der Hütte zu kämpfen. Die Steuereintreiber wehren eure Schläge ab. Die Kraft dieser Männer überrascht deine Gefährten sichtlich, die zu dir zurückgetrieben werden. Sogar deine Feuerkugeln wehren sie mit ihren Schilden einfach ab. Währenddessen reißen die Warnungen von draußen nicht ab.
„Die Familie ist hier, tot!“
„Das sind keine von uns!“
„Mörder!“
„Kalynorer!“
Ein Speer bohrt sich in deinen Rücken. Neben dir sackt Karja in die Knie, als eine Axt ihre Schulter spaltet. Elreds Bogen bricht genau wie seine Arme unter dem Hieb eines großen Kampfhammers.
„Los!“, befiehlt der Hauptmann, der an seinen Kriegern vorbei nicht mehr in die Hütte kommt. „Vernichtet sie! Macht schneller, sie könnten die Steine haben!“
Was für eine Ironie. Ihr habt zwar zwei Steine, aber es sind die Nutzlosesten!
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hier keine Fortsetzung.
Um das Canon-Ende für Allysters Teil der Geschichte zu erreichen, musst du fliehen.
Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!