Kapitel 5: Führung durch Baltics Reich
Ich wachte auf und spürte etwas Weiches unter mir. Ich lag in einem Bett und war noch etwas benommen. Nur schemenhaft nahm ich meine neue Umgebung war: ein kleines Zimmer, karg möbliert mit Schreibtisch, Stuhl, Kommode und Nachtisch, darauf eine Lampe, der Boden mit einfachen weißen Fliesen bedeckt, die Wände im mediterranen Cappuccino-Farbton gestrichen. Mir gegenüber nur eine einfache Holztür in dem ansonsten fensterlosen Raum.
Unter der Bettdecke war ich nur mit Unterwäsche bekleidet. Das persisch anmutende Kleid, das ich auf dem Sklavenmarkt getragen hatte, war mir abgestreift worden. Offenbar wurde es noch für andere Frauen benötigt. Auf dem Stuhl befanden sich eine Bluejeans und ein schwarzes T-Shirt, die wohl für mich gedacht waren. Beides passte perfekt, als hätten Baltiks Bedienstete meine Maße erhoben. Das Gleiche galt für ein Paar schwarze Turnschuhe, die vor dem Bett standen.
Die Kommode hatte drei Schubladen ohne Verzierungen. In der obersten befanden sich Feinstrumpfhosen und Unterwäsche. In der zweiten T-Shirts und Pullis und in der untersten einige Jeans, Socken und Leggings.
Auf dem Gang waren Stimmen zu hören. Ich setzte mich aufs Bett und blickte zur Tür. Eine ältere Dame trat ein, dicht gefolgt von Baltic, dem Sklavenhalter.
„Lenora, das ist Agate. Sie steht allen Sklavinnen vor und wird dir alles zeigen, deine täglichen Pflichten und Aufgaben. Du wirst die Arbeiten gewissenhaft verrichten!“ Mit diesem Satz drehte er sich um und verschwand zur Tür hinaus. Agate stand eine Weilte wortlos da und beäugte mich mit kritischem Blick. Dann hob sie zu einer Erklärung an:
„Du wurdest an die Seite unseres Herrn und Meisters gebeten. Wenn er dich ruft, wirst du eilen und alles tun, was er möchte. Es ist eine Ehre für dich, für seine Privatgemächer ständig zu sein. Und nun folge mir, damit ich dir alles zeigen kann!“
Sie ging stracks zur Tür hinaus, und ich hatte Mühe, ihr zu folgen, denn für ihr Alter, schätzungsweise Ende fünfzig, war sie ungewöhnlich flink und agil. Als ich die Tür hinter mir schloss, sah ich dort ein Schild mit meinem Namen. Der Flur war lang und nur spärlich beleuchtet. Viele Türen gingen nach rechts und links ab. An einigen waren ebenfalls Namensschilder angebracht. Am liebsten hätte ich Agate mit tausend Fragen bombardiert, doch sie legte ein so hohes Tempo vor, dass ich keine Gelegenheit hatte, ihr auch nur eine zu stellen. Der Gang endete in einer großen Doppeltür aus reich verziertem, kostbarem Holz und zwei goldenen Türschlägen, die einen Löwenkopf darstellten. Wir gingen hindurch und kamen in einen großen, hell erleuchteten Saal. Von der hohen Decke hingen Kristallkronleuchter herab. Historische Rüstungen, blank poliert und strahlend im Schein der Leuchter, standen in den Ecken. Goldumrahmte Gemälde hingen an den Wänden. Der ganze Saal war ein eindrückliches Zeugnis für den Reichtum seines Besitzers. In der Mitte des Saals führte eine breite Treppe nach oben, die Stufen mit rotem Teppich ausgelegt. Auf der oberen Etage wieder Gänge und Fluchten und prachtvolles Mobiliar. Agate führte mich hindurch und erklärte:
„Rechts sind die Privatgemächer des Meisters. Hier sein Büro, hier sein Kaminzimmer, dort sein Schlafgemächer. Linkerhand befinden sich die Bibliothek, der Salon und mehrere Gästezimmer. Für diesen Bereich ist jedoch jemand anders zuständig, du nur für die Zimmer auf dem rechten Gang“. Agate sprach schnell und deutlich, ohne auch nur einen Augenblick in ihrem forschen Schritt innezuhalten. Am Ende des rechten Ganges war ein großer Raum, überwiegend in schwarz und silber gehalten. In der Mitte stand ein großes Bett aus dunklem, massivem Holz, das Bettzeug mit einer schwarzen Tagesdecke bezogen. An der Decke hing ein prächtiger Kronleuchter aus schwarzen Glas, mit Edelsteinen und Diamanten verziert. Das Schlafgemach war mit dunklen Gemälden ausgestattet, die den ganzen Raum mysteriös, fast morbid wirken ließen. Agate führte mich durch das große Schlafzimmer hindurch in einen kleineren Raum mit eingebauten Wandschränken und Kommoden. Dies war das Ankleidezimmer. Ich sollte es in Ordnung halten und die Kleidung pflegen. Dann erreichten wir das Badezimmer, das ebenfalls imposant war mit großen Spiegeln entlang der Wände und mit verschiedenfarbigem Neonlicht erleuchtet. Unter dem langgezogenen Wandspiegel zog sich eine Marmortheke entlang mit einem großen Waschbecken. Darauf befanden sich kleine Körbe mit verschiedenen Hygieneartikeln: Cremes, Aftershaves, Deos und Düfte. Der Theke gegenüber befand sich eine bodenebene Duschkabine mit Wasserfallfunktion. In einem kleinen, abgetrennten Bereich war das WC. In der Mitte des Raumes war eine riesige Badewanne in den Boden eingelassen mit Sitzgelegenheiten an den Seiten und einigen Stufen, über die man in die Wanne hinabsteigen konnte. Es waren auch zahlreiche Düsen zu erkennen, die auf Wunsch das Ganze zu einem Whirlpool machten.
„Hier wirst du täglich alles gründlich reinigen sowie den Flur und das Büro. Reinigungsmittel und Geräte dazu sind im oberen Gang zur Haupttreppe, die letzte Tür auf der linken Seite!“, beschrieb Agate weiter meinen künftigen Tätigkeitsbereich.
Wir gingen wieder nach unten. Dort bogen wir in einen weiteren Gang ab und kamen am großen Ballsaal und weiteren Räumen vorbei, die wir jedoch nicht betraten. Am Ende des Ganges gelangten wir in die Küche. Hier herrschte reges Treiben. Viele Köche und männliche Bedienstete, darunter auch einige Frauen, hantierten mit verschiedensten Zutaten und Lebensmitteln.
Agate zeigte mir, wo genau ich all das finden würde, um Baltic glücklich zu stimmen. Bei irgendwelchen Unklarheiten sollte ich mich an Sera wenden, eine kleine, zierliche Frau in meinem Alter. Sie war im Moment viel zu beschäftigt, als dass Agate sie hätte näher vorstellen können. Von der Küche führte ein Gang in den luxuriös eingerichteten Speisesaal, wo Baltic immer dann seine Mahlzeiten einnahm, wenn er nicht gerade in seinem Büro aß.
Die Führung durch Baltics Reich war überaus beeindruckend. Alles schien teuer und pompös. Ich fühlte mich ein wenig erschlagen von all dem Pomp.
Als wir wieder in den Bereich der Sklavenunterkünfte zurückkehrten, fielen mir die Wachen und Sicherheitskräfte auf, die routinemäßig in den Zimmerfluchten und Gängen patrouillierten. Die Dienerinnen und Sklaven hatten eine eigene Kantine und teilten auch mehrere Sanitärbereiche miteinander. Die meisten trugen ein Headset, um Baltiks Befehle direkt übermittelt zu bekommen. Agate überreichte auch mir eines, das ich für die meiste Zeit des Tages tragen sollte.
„Um 18.30 Uhr gibt‘s Abendessen, ab 22.00 Uhr hat Nachtruhe zu herrschen, morgen Früh um fünf ist Arbeitsbeginn!“, erklärte Agate im Befehlston und ließ mich schließlich allein auf meinem Zimmer zurück.