Kapitel 27
Ich glaubte, mein Ende sei gekommen. Doch wenigstens würde ich im Kampf gegen Steve draufgehen. Schade nur, dass Baltic und mir so wenig Zeit für unsere Liebe vergönnt war. Ich schloss meine Augen und erwartete das Unvermeidliche. Plötzlich wurde ich durch einen kräftigen Ruck zur Seite gezogen und hörte den Schuss. Doch es war nicht ich, die getroffen wurde. Anne hatte mich am Arm gepackt, mich aus dem Schussfeld gerissen und sich im letzten Moment mit ihrem Körper vor mich geworfen. Der Schuss hatte Anne ins Gesicht getroffen. Sie brach zusammen und war sofort tot. Ich konnte es kaum fassen. „Oh!“, sagte Steve. Da hat es wohl die arme Anne erwischt statt deiner, Lenora. Aber du wirst die nächste sein!“ Steves irres Lachen jagte mir einen Schauer üben den Rücken. Er richtete seine Pistole auf mich und ich war außerstande, mich zu bewegen. Annes toter Körper lag halb auf mir und ich kam nicht darunter raus. Der Schock über ihren Tod ließ mich erstarren. Sie hatte sich für mich geopfert. Seit unserem ersten Kennenlernen im Kerkerverließ verband uns eine tiefe Freundschaft. Wir teilten so vieles miteinander und hatten Seite an Seite gekämpft, um Steves bösen Machenschaften ein Ende zu setzen. Es war eine Verbundenheit zwischen uns entstanden, die nur schwer in Worte zu fassen war. Ich bekam Annes Waffe zu fassen, die sie noch immer bei sich trug. Es kam mir so vor, als ob alles in Zeitlupe geschehen würde. Ich richtete die Pistole auf Steve und schoss. Der Schuss traf ihn genau zwischen die Beine. Er schrie auf, so laut, dass es durch den ganzen Saal hallte. Ich hatte offenbar sein bestes Stück getroffen und ihn durch den Schuss entmannt. „Das ist für Anne!”, sagte ich, während ich aufstand und langsam auf Steve zuging. Er kniete am Boden. Ich tastete in meinem Haaren nach einem weiteren Messer, doch fand keins. Alle Minidolche waren in den vorangegangenen Kämpfen verbraucht. Dann stürzten sich einige der letzten, noch verbliebenen Wachmänner auf mich und zogen mich von Steve weg. „Lasst mich los, ihr Schweine!“, schrie ich, so laut, dass alle im Saal es hören mussten, einschließlich Baltic. Er rannte, so schnell er konnte, in meine Richtung. In der einen Hand hielt er eine Kanone, in der anderen ein Schwert. Er schoss auf die Kerle, die mich festhielten, was mir die Gelegenheit gab, mich im Nu zu befreien. Mit Annes Pistole erledigte ich drei von ihnen, dann war das Magazin leer. Steve humpelte so gut er konnte in Richtung Ausgang und zog eine Blutspur hinter sich her. Baltic setzte ihm nach, holte ihn mühelos ein und führte einen mächtigen Schwerthieb aus, der Steve enthauptete. Steves Kopf wurde vom Körper getrennt und rollte wie eine Bowlingkugel über den blutigen Boden. Baltic warf Pistole und Schwert zu Boden und nahm mich auf seine starken Arme. Ich sah flimmernde, schwarze Punkte vor Augen und ahnte, dass ich im Begriff war, in Ohnmacht zu fallen. Baltic trug mich nach draußen und redete mir gut zu: „Kätzchen, halte noch ein klein wenig durch! Wir haben es fast geschafft!”. Jinjin kam uns entgegen. Ihr Gesicht war blutbefleckt, doch es strahlte Zuversicht aus. „Baltic, Lenora! Wir haben die Sklavenhändler getötet. Einige Wachmänner haben sich ergeben und wir haben sie vorübergehend ins Frauenlager gesperrt. Wir haben leider einige Verluste erlitten, doch deine Mädels haben es alle tapfer überstanden, wenn auch mit erheblichen Blessuren. Sie lassen sich gerade von Nora und ihrem Team verarzten. Ich musste an Anne denken und fing an zu weinen. Dann schwand mit einem Mal alle Kraft aus meinem Körper und ich fiel in Ohnmacht.