„Ich war nicht immer im Sklavenhandel tätig. Einst wusste ich nicht einmal, dass
es so etwas heute noch gibt! Von meinen Eltern hatte ich ein gut gehendes
Unternehmen geerbt. Ich führte es schon in jungen Jahren weiter und verdiente
ein Vermögen. Irgendwann konnte ich andere Firmen aufkaufen und baute mir im
Laufe der Jahre ein kleines Wirtschaftsimperium auf. Ich ließ mich auf dieser
Insel nieder und verbrachte hier meistens die warmen Monate von November bis
März, wenn auf der Nordhalbkugel Winter herrscht.
Mein zentrales Bestreben im Leben bestand darin, mein Vermögen zu vermehren und
meine Verlobte glücklich zu machen! Sara kannte ich von Kindheit an. Meine und
ihre Eltern waren Geschäftspartner. Sie hatten uns einander zur Ehe versprochen,
als wir noch Kinder waren. Mit zehn Jahren feierten wir Verlobung und es machte
mir nichts aus, schon so früh mit Sara verlobt zu sein. Sie war meine beste
Freundin, auch wenn ich sie nie auf romantische Art geliebt habe. Sara war alles
für mich und ich war bereit, mit ihr alt zu werden. Doch dann geschah es, vor
fünf Jahren: Wir waren zum Abendessen verabredet in einem teuren Lokal. Ich kam
zu spät von einem Meeting, sie war schon da und plauderte angeregt mit einem
anderen Mann, musste immer wieder herzlich lachen und genoss sichtlich die
lockere Konversation. Sie verstand sich wohl sehr gut mit ihm und ich wusste,
dass dieser Typ gerade von seiner Freundin abserviert worden war. Er wollte sich
wohl nur nett mit Sara unterhalten, vielleicht auch, um sich ein wenig von
seinem Trennungsschmerz abzulenken. Als ich hinzukam, stellte Sara mich ihm vor,
sein Name war Steve. Und bevor du weitere Fragen stellst: Ja, genau der Steve!
Er entschuldigte sich und ging zur Bar, wo er sich zusammen mit zwei finster
dreinblickenden Typen noch einige Drinks genehmigte. Sara und ich aßen gemeinsam
und saßen noch eine Weile zusammen. Am Abend brachte ich sie nach Hause und
verabschiedete mich. Ich hätte nie gedacht, dass es das letzte Mal sein würde,
dass ich sie sah.
Tags darauf war sie verschwunden, und da war eine seltsame Sprachnachricht auf
meinem Telefon! Mit angsterfüllter Stimme stammelte sie etwas von einer
Entführung und wiederholte dabei immer wieder den einen Namen: Steve! Ich
verständigte die Polizei und setzte darüber hinaus alles ein was, was mir zur
Verfügung stand, doch von Sara fehlte jede Spur. Eines Tages bekam ich dann
Steve wieder zu Gesicht, mehr durch Zufall statt durch Absicht. Er war mit einer
Frau unterwegs, und zwar mit dir. Ihr beiden saht sehr verliebt aus beim
gemeinsamen Einkaufen und Kinobesuch! Ich behielt Steve eine Weile im Auge und
ließ ihn durch meine Leute beobachten. Nach und nach kam heraus, dass er ein
ziemlich übler Geselle war: ein Krimineller, in Geldwäsche und Menschenhandel
verstrickt. Mir wurde auch klar, dass du selbst von all dem nichts wissen
konntest, denn Steve ist ein Meister darin, seine Machenschaften geheim zu
halten, und dabei andere zu täuschen und hinters Licht zu führen. Ich sah nur
noch eine Chance, meine Verlobte Sara wiederzufinden und Steve das Handwerk zu
legen: Ich musste selbst in das Geschäft mit dem Sklavenhandel einsteigen! Ich
ließ mich beim Königshaus als Sklavenhändler registrieren, da ich wusste, dass
dort eine ständige Nachfrage nach jungen Frauen für den königlichen Harem
herrschte. Auf dem regelmäßig stattfindenden Sklavenmarkt kaufte ich zum Schein
eigene Sklavinnen und holte die Frauen auf mein Anwesen, wo ich ihnen ein
auskömmliches Dasein ermöglichte. Schließlich erfuhr ich, dass auch Sara auf dem
Sklavenmarkt verkauft worden war, und zwar zu einem früheren Zeitpunkt, als ich
noch nicht richtig in diesem Geschäft Fuß gefasst hatte.
Ich setzte alle Hebel in Bewegung, um noch mehr über Steve herauszubekommen. Er
ist ein Sklavenhalter der übelsten Sorte, ein regelrechter Menschenschinder! Er
lässt seine Sklavinnen bei geringsten Vergehen misshandeln und vergewaltigen. Es
macht Steve Spaß, Menschen Leiden zu sehen. Die meisten, die unter seiner Knute
stehen, geben irgendwann seelisch auf. Einige wählen den Suizid, andere sterben
vorzeitig an Misshandlungen und menschenunwürdigen Zuständen.
Zwar versuchte ich alles Menschenmögliche, um Sara zu finden und sie aus Steves
Klauen zu befreien, doch es war zu spät. Ein Kommandotrupp meiner besten Leute
konnte nur noch Saras Leiche bergen. Ihr Körper war übersät von Narben, die von
Auspeitschungen, Verbrennungen und Messerstichen herrührten. Da waren noch
andere Leichen, Männer und Frauen, übel zugerichtet, sie sollten in irgendeinem
Graben verscharrt werden wie verendetes Vieh!
Zuerst wollte ich in unbändigem Zorn Sara rächen, gegen Steve vorgehen, ihn
mitsamt seinen unseligen Handlangern vernichten. Doch ich konnte es nicht
riskieren, da Steve wohl der wichtigste Kunde und Geschäftspartner des
Königshauses ist. Er hat weitreichende Kontakte und beste Beziehungen bis in die
Königsfamilie hinein. Sich mit Steve anzulegen hätte bedeutet, sich mit dem
Königshaus anzulegen. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als die Füße still
zu halten und Steve weiter zu beobachten. Als du mit ihm Schluss machtest, war
mir sofort klar, dass dies nicht ohne Folgen für dich bleiben würde. Ich hatte
damals sogar überlegt, dich von meinen eigenen Leuten entführen zu lassen, um
dich hier in Sicherheit zu bringen. Doch Steve kam mir zuvor. Meine Agentinnen
unterrichteten mich über deine Entführung und dass du auf dem
Sklavenmarkt verkauft werden sollt. Ich wusste, dass Steve von dem Gedanken
getrieben war, dich auf dem Markt offiziell zu kaufen, damit er dich in seine
Hochsicherheitsvilla mitnehmen und sich an dir rächen kann, dafür, dass du dich
gegen ihn gewehrt und in angezeigt hast.
Ich schickte ein paar meiner Leute, um Steve daran zu hindern, am Sklavenmarkt
teilzunehmen. Sie provozierten einen Autounfall. Steve musste leicht verletzt
ins Krankenhaus und konnte nicht selbst beim Markt zugegen sein. Seinen Lakaien,
die auf dem Sklavenmarkt Gebote abgaben, unterlief aber ein Fehler: Sie kauften
Anne anstatt deiner. Es war wohl eine Verwechslung, obwohl ihr beiden euch gar
nicht ähnlich seht. Steve muss vor Wut getobt haben, als er beim Lüften des
Schleiers deine Freundin Anne und nicht dich zu sehen bekam.
So konnte ich das Höchstgebot abgeben und dich vor Steve retten. Und was Anne
betrifft: Sie machte auf mich einen sehr willensstarken Eindruck. Ich hoffe,
dass sie es schafft, noch einige Zeit durchzuhalten, bis wir die Möglichkeit
haben, Steve und sein Reich des Bösen endgültig zu vernichten.“
Baltic beendete seine Geschichte und bemerkte, dass mir Tränen über die Wangen
liefen. Er wischte sie zärtlich ab, nahm meine Hand und zog mich auf seinen
Schoß. Ich schmiegte meinen Kopf seine Schulter und ließ den Tränen freien Lauf.