Kapitel 19
Seit dem Sklavenmarkt waren bereits mehrere Wochen vergangen. Die neuen Sklavinnen gewöhnten sich nach und nach an ihr neues Leben. Alle beteiligten sich bereitwillig und motiviert an meinem Trainingsprogramm. Sie konnten es kaum erwarten, es den Schurken heimzuzahlen, die für die Entführungen und den Sklavenhandel verantwortlich waren. Die
Wut und Entschlossenheit, die sie beim Training zum Ausdruck brachten, stärkte meine Zuversicht, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Zwar würde es gefährlich werden, sich mit den mächtigen Hintermännern anzulegen, doch es führte kein Weg darin vorbei. Wir
mussten alles in die Wege leiten, um dem kriminellen Treiben ein Ende zu setzen. Nun saß ich mit Baltic in seinem Büro vor mehreren Computerbildschirmen. Wir gingen die Berichte unserer Informanten durch, studierten Kameraaufnahmen und schauten uns jede Menge Fotos und Videos an, die sich in den letzten Wochen in Baltics EDV-System
angesammelt hatten. Wir wussten einiges über Steve und seine Privatarmee, ein über 200 Mann starkes Sammelsurium von Sicherheitsleuten und Söldnern. Daneben besaß er etwa
vierzig Sklaven, überwiegend Frauen, die als Hausdienerinnen auf seinem Anwesen tätig waren. Die meisten von ihnen wurden als Sexsklavinnen für seine Männer missbraucht. Wieder musste ich an Anne und ihr schweres Schicksal in den Händen dieser Gangster denken. Ich musste sie aus diesem Elend befreien, auch wenn ich bei dem Versuch mein eigenes Leben und das meiner Mädels riskierte. Mir wurde klar, dass es eine immense Herausforderung war, Steve zu Fall zu bringen. Das weitläufige Anwesen ähnelte einer Festung, mit Schlagbäumen, Checkpoints, Stacheldraht,
Wachttürmen und bewaffneten Patrouillen an jeder Ecke. Endlich verstand ich, warum Baltic bislang keinen ernsthaften Versuch unternommen hatte, aktiv gegen Steve vorzugehen. Stattdessen hatte er sich die ganze Zeit über zurückgehalten und Informationen gesammelt. Doch jetzt war es an der Zeit, diese Informationen auszuwerten und einen Schlachtplan zu schmieden. Baltic würde unsere Befreiungsaktion von seinem Computerraum aus überwachen. Hier liefen sämtliche Informationen zusammen. Er hatte die Bilder von Drohnen und Überwachungskameras vor sich und würde mit jeder einzelnen von uns in Kontakt stehen. Die Mädels waren mit Bodycams ausgestattet, sodass Baltic auf seinen Bildschirmen unser Vorgehen eins zu eins mitverfolgen konnte. Auf dem Sklavenmarkt hatten wir eine Ärztin ersteigern können, die sich um etwaige Schusswunden und sonstige Verletzungen kümmern würde. Gerade als wir dabei waren, den Lageplan zu erkunden, klopfte es an die Tür. „Herein!”, sagte Baltic noch immer mit dem Blick auf die Karte. Dann trat ein Wachmann herein und sagte: „Sir, ich habe hier einen Umschlag, der uns zugeschickt wurde von Steve. Ich denke, Sie sollten sich das ansehen!” Baltic und ich standen nun kerzengerade. Baltic nahm den Umschlag entgegen und öffnete ihn. Jeder Brief und jedes Paket wurden vom Sicherheitspersonal durchleuchtet, daher konnten wir sicher sein, dass kein Sprengstoff oder gefährliche Substanzen in dem Umschlag waren. Darin waren Fotos. Baltic drehte sich etwas zum Fenster hin, um sich die Fotos anzuschauen und versperrte mir dadurch die Sicht auf die Bilder. Während er ein Foto nach dem anderen betrachtete, fluchte er in seiner Muttersprache, die ich nicht verstand. Doch ich wusste sofort, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. „Baltic, was ist es?”, fragte ich und versuchte, um ihn herumzugehen, damit ich ebenfalls einen Blick auf die Fotos werfen konnte. „Kätzchen, ich glaube unser Interesse an Anne ist Steve nicht entgangen!”, sagte er und reichte mir den Stapel mit den Bildern. Was ich darauf sah, verschlug mir den Atem. Da war Anne in einem eleganten, roten Kleid zu sehen, mit dem sie auf eine Gala hätte gehen können. Was jedoch ganz und gar nicht zu ihrem Kleid und Makeup passen wollte, waren ihre deutlich sichtbaren Verletzungen. Ein Auge war zugeschwollen, Blut klebte unter der Nase und in den Mundwinkeln. Ihre Lippe war aufgeplatzt. Doch am schockierendsten waren die blutigen Einritzungen auf ihrer Stirn. Jemand musste versucht haben, ein Wort oder einen Namen in ihre Haut zu ritzen. Ich konnte nur drei Buchstaben erkennen: L, N und O. Sollte es etwa mein eigener Name gewesen sein, den sie Anne auf diese brutale Weise in die Stirn tätowieren wollten? Auf den restlichen Bildern waren weitere Verletzungen zu erkennen: Anne auf dem Fußboden liegend, das Kleid am Dekolleté zerissen. Irgendein krankes Schwein hatte sich an ihrem Busen zu schaffen gemacht und das Brandmal direkt in die linke Brust hinein gebrannt. Mir graute bei dem Anblick. Was hatten diese Bestien ihr angetan?
Der hohe Schlitz ihres Kleides gab ihr rechtes Bein bis zum Oberschenkel frei. Es war mit Kratzern und Hämatomen übersät. Diese Verbrecher mussten sie mehrfach vergewaltigt haben. Ihre Augen waren stumpf und leer. Sie blickten starr, als hätte Anne irgendwann aufgehört, sich zu wehren. „Baltic!“, rief ich mit allem mir möglichen Nachdruck. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit! Lange wird Anne das nicht mehr durchstehen! Wir müssen umgehend handeln!“ Meine Stimme vibrierte. „Wie weit bist du mit der Ausbildung deiner Mädelstruppe?”, fragte Baltic, während er einen Laptop aus einem der Büroschränke hervorkramte. Mir war klar, dass ich nicht bis zum Ende der Ausbildung warten konnte. Wir mussten umgehend handeln und es musste schnell gehen. „Ich werde ein Team zusammenstellen mit zwölf meiner besten Absolventinnen. Sie stehen
kurz vor dem Abschluss. Die anderen sind noch nicht bereit für einen solchen Einsatz. Wir werden in einer nächtlichen Kommandoaktion da reingehen, Anne finden und sie so schnell wie möglich hierher in Sicherheit bringen.“
„Solange es nicht zu einer direkten Konfrontation mit Steves Männer kommt, habt ihr vielleicht eine Chance“, sagte Baltic. „Es muss alles möglichst unbemerkt und rasch vor sich gehen. Bevor die Sicherheitsleute etwas bemerken, müsst ihr schon über alle Berge sein!“ Ich stimmte Baltic zu und machte mich sogleich auf den Weg zu meinem Team. Trotz aller Dringlichkeit würde es zwei bis drei Tage in Anspruch nehmen, bis alles durchgeplant und die Truppe einsatzbereit wäre.