Wir schreiben das Jahr 1418, mitten in den schottischen Highlands. Es war ein dunkles Jahrhundert, mit vielen Wirren, Kriegen und Fehden. Liebe, Hass, Geburt, Tod und Verderben waren nahe Verwandte, die sich die Klinke in die Hand gaben. Keiner war davor gefeit, ein Opfer der Gewalt zu werden.
Während dieser düsteren Zeit lebte Gordana McGregor, eine junge Frau in der Blüte ihres Lebens. Sie wohnte mit ihrem Vater Angus in einer Hütte in einem Dorf namens Willshire inmitten der Highlands. Highländer nannte man die Bewohner dieser sehr rauen Gegend. Es regnete dort oft, auch im Sommer. Im Winter war die Gegend oft so verschneit, dass man wochenlang nicht aus dem Dorf herauskonnte.
Gordanas Vater war reich und besaß als Chief des Clans von Willshire großes Ansehen im Dorf und dessen Einwohnern. Einen einzigen Makel hatte er allerdings: Er besaß keinen männlichen Nachkommen, der seinen Titel erben würde. Angus hatte nur eine Tochter, Gordana. Als einziges Kind des Chiefs hatte sie sich zu fügen. Ihr Vater sah vor, sie mit dem Sohn eines seiner Untertanen zu verheiraten, der dann seinen Titel anstatt Gordana erben würde.
Das Dorf Willshire, in dem Gordana lebte, war klein und beherbergte nur wenige Menschen. Clans nannte man diese Dorfgemeinschaften. Jeder kannte jeden und jeder wusste, was beim Nachbarn gerade los war. Alle hielten zusammen, auf Gedeih und Verderben, auch wenn es darum ging, das Dorf vor Plünderern zu verteidigen. Es gab oft Fehden zwischen den einzelnen Clans, doch zumeist versuchten sie, sich einig zu sein. Das Leben in den Highlands war schwer, so musste man zusammenhalten, um überleben zu können.
Gordanas und Angus Nachbarn, die McLeods waren einfache und arme Leute, die ihr tägliches Brot hart erarbeiten mussten. Die Familie wurde im Dorf nur geduldet, weil das Familienoberhaupt Ian McLeod ein guter Schmied war. Er war in der Lage, hervorragende Schwerter und Streitäxte zu schmieden, die bei den Leuten im Dorf und der ganzen Umgebung Willshires sehr begehrt waren.
Gordanas Vater indessen war als Clanchief im Dorf ein hoch angesehener Mann. Was er sagte, war Gesetz. Er besaß Ländereien und mehr Hochlandrinder als alle anderen Dorfbewohner zusammen. Wie er seinen Reichtum erworben hatte, wusste Gordana nicht. Sie interessierte es auch nicht, ob der Nachbar arm oder reich war. Für sie waren alle Menschen gleich und Reichtum vergänglich. Ihr Vater dachte ganz anders. Für ihn galten nur Geld und Macht.
Die McLeods hatten nur einen Sohn, Aidan, in den sich Gordana schon als Kind verliebt hatte. Damals lachten die Erwachsenen noch darüber, als die beiden fast gleichaltrigen Kinder Hochzeit spielten und festlich geschmückt Hand in Hand und verliebt tuend durch das Dorf zogen. Doch heute, als Gordana und Aidan erwachsen und in heiratsfähigem Alter waren, lachten sie schon längst nicht mehr darüber. Aus dem damaligen Spiel war bitterer Ernst geworden.
Aidan meinte es wahrhaftig ernst mit seinem bereits als Kind abgegebenen Versprechen, Gordana heiraten zu wollen. Er liebte die Tochter seines Nachbarn genau so innig wie sie ihn. Schon öfters trafen sie sich zu einem geheimen Schäferstündchen im nahegelegenen Wald.
Gordanas Vater durfte nichts von diesen heimlichen Treffen wissen, während Aidans Eltern sich über die Wahl ihres Sohnes freuten. Nicht, weil Gordana als Aidans Frau eine reiche Mitgift mitbringen würde, nein, weil ihr Sohn diese kleine, quirlige und liebenswerte junge Frau über alles liebte. Für die McLeods galt Liebe noch mehr als Geld und Reichtum.
Lange Zeit war bei diesen heimlichen Schäferstündchen der beiden Liebenden nichts geschehen. Sie hatten sich geküsst, geturtelt oder hatten verliebt über ihre Zukunft, die sie gemeinsam verbringen wollten, gesprochen. Doch eines Tages genügte ihnen das nicht mehr. Aidan wollte mehr als nur küssen. Der junge Mann verspürte den Drang, sich mit seiner Liebsten zu vereinigen. Mit sanften Streicheleinheiten brachte er sie dazu, sich ihm hinzugeben, obwohl sie nicht wusste, worauf sie sich wirklich einließ. Es geschah, was geschehen musste. Aidan entjungferte Gordana auf dem weichen, moosbedeckten Waldboden.
Die beiden jungen Leute waren in Dingen mit dem anderen Geschlecht noch völlig unerfahren. Es gefiel ihnen, was sie getan hatten, obwohl Gordana anfangs leichte Schmerzen dabei hatte. Immer wieder trafen sie sich, um sich erneut zu lieben. Dass ihr Tun Folgen haben könnte, ahnten sie nicht. Sie dachten sich nichts dabei und taten es immer wieder. Woher sollten sie auch wissen, welche Folgen ihre innigen Zusammenkünfte haben könnten. Gordanas Mutter war schon vor langer Zeit gestorben und ihr Vater kümmerte sich nicht darum, seine Tochter aufzuklären. Das wäre Frauensache und ginge ihn nichts an, waren seine Worte, wenn Gordana ihn um Rat fragen wollte. Auch Aidan war völlig ahnungslos. So tappten beide in die Falle, aus der es kein Zurück mehr gab.
Eines Morgens erwachte Gordana mit Übelkeit. Geschwächt raffte sie sich auf, um die ihr aufgetragenen Arbeiten zu erledigen. Die Kühe mussten gemolken und danach zurück auf die Weide getrieben werden. Der Vater verlangte sein Frühstück, egal ob es Gordana gut ging oder nicht. Trotzdem bemerkte er, wie bleich seine Tochter seit einigen Tagen aussah, wie wenig sie in der letzten Zeit zu sich nahm und trotzdem ein wenig weiblicher geworden war. Er kümmerte sich allerdings nicht darum, Frauensachen gingen ein Mannsbild wie ihn ja nichts an.
In Gordanas Magen rumorte es, doch sie ließ es sich nicht anmerken, wie schlecht sie sich fühlte. Das wird schon wieder vergehen, waren ihre geheimen Wünsche für den Tag. Der Zeit schritt voran, der Tag strebte dem Mittag zu, die Übelkeit verging so, wie sie gekommen war. Gordana war glücklich darüber und lief mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen in den Wald, um dort Beeren für den Nachtisch zu sammeln. Sie wusste, Aidan würde dort auf sie warten und ihr beim Sammeln helfen. Die gewonnene Zeit konnten sie somit gemeinsam verbringen und wieder diese Dinge tun, dessen Folgen sich bereits in Gordanas Körper bemerkbar machten.
Am nächsten Morgen war es Gordana erneut übel. Gerade noch so konnte sie hinter die Hütte zum Misthaufen eilen, um sich dort zu übergeben. Im Laufe des Vormittags verging die Übelkeit, genau wie an den Tagen zuvor. Grübelnd stand ihr Vater in der Tür und sah ihr nach.
Gordana nahm die morgendliche Unbill einige Tage in Kauf, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Bis zu dem Tag, an dem eigentlich ihre monatliche Blutung einsetzen sollte. Doch die kam nicht, weder am selben Tag, noch am nächsten, noch in den nächsten beiden Wochen. Die junge Frau dachte nach, an was sie erkrankt sein könnte, dass ihre monatlichen Beschwerden einfach so ausblieben. Da sie ihre Mutter nicht mehr fragen konnte, lief sie besorgt zu Aidans Mutter Mairi.
„Gordana, schön dich zu sehen“, wurde sie von der alten Frau begrüßt, die, über den Herd gebeugt, eben das Mittagsmahl für ihren Gatten und sich selbst zubereitete. „Was führt dich zu mir. Aidan ist nicht zu Hause, er ist in die Stadt geritten, um Besorgungen zu machen und kommt erst am Abend zurück“, plauderte die Frau munter weiter, froh, den einsamen Vormittag mit etwas Plauderei auflockern zu können.
„Ich habe ein Problem“, stammelte Gordana verlegen und trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
„Komm, setz dich erst einmal und dann erzähle“, versuchte Aidans Mutter Gordana zu beruhigen. Sie zog den großen Topf von der Flamme und setzte sich zu der Besucherin an den Tisch. „Was gibt es denn?“, wollte sie jetzt wissen.
„Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Problem habe, oder ob ich richtig krank bin. Meinen Vater wage ich nicht, deswegen zu fragen. Der meint immer, Frauendinge würden ihn nichts angehen“, begann Gordana errötend. Sie holte noch einmal tief Luft und dann erzählte sie der alten Frau von ihren Nöten, die sie seit einigen Wochen plagten. „Ich glaube, ich bin guter Hoffnung“, endete Gordana ihre Rede.
Aidans Mutter hörte genau zu. Als die Besucherin geendet hatte, sah sie ihr tief in die Augen.
„Ich muss dich etwas ganz Vertrauliches fragen“, sagte sie dann. „Bitte, keine Scheu und antworte mir ehrlich. Es ist ganz wichtig.“
„Bitte, fragt“, antwortete Gordana, noch mehr errötend.
„Habt ihr Dinge miteinander getan, die eigentlich nur Ehepaare miteinander tun sollten?“, wollte nun Aidans Mutter wissen.
„Wie meint ihr?“, stotterte Gordana, nicht wissend, was ihr Gegenüber meinte.
„Habt ihr miteinander geschlafen?“, fragte die alte Frau nun genauer, als sie Gordanas völlige Unwissenheit bemerkt hatte.
„Ja, das haben wir“, antwortete Gordana nun wahrheitsgemäß und erinnerte sich an ihre lustvollen Spiele, die sie seit Wochen im Wald auf dem Moosboden genossen. Sie errötete vor Scham, der viel älteren Frau von ihren geheimen Zusammenkünften berichten zu müssen.
„Auch das noch!“, fuhr Mrs. McLeod hoch, „Mädchen, du trägst wahrscheinlich ein Kind unter deinem Herzen.“
Gordana erbleichte. Sie wusste, was diese Tatsache für ihre Zukunft bedeutete. Hatte sie doch im Dorf schon öfter Frauen gesehen, die mit einem dicken Bauch herumliefen und später einen Säugling an der Brust trugen. Auch wenn sie nie aufgeklärt wurde, wusste sie doch, dass die Kinder im Leib der Frauen aufwuchsen, bis sie geboren wurden. Sie konnte schon oft Paarungen bei Tieren beobachten und wusste deshalb, dass dadurch Nachwuchs entstand. Was bei Tieren war, war wohl auch bei den Menschen so.
„Aber wie konnte das geschehen?“, fragte Gordana stotternd. Ihre Gedanken sausten wirr hin und her. Wie sie das ihrem Vater erklären sollte, wusste sie noch nicht. Sie wusste aber, ihren Zustand konnte sie nicht mehr lange vor ihm verheimlichen. Nun war ihr bewusst, dass Aidans und ihr Tun im Wald die Ursache ihres Debakels war.
„Mein Kind“, erwiderte Mairi McLeod, „ich muss überlegen, was wir jetzt tun können. Ich hoffe, Aidan steht zu dir. Ansonsten weiß ich keinen Rat.“ Dann begann sie Gordana genau zu erklären, wie ein weiblicher Körper funktioniert und Gordana hörte gespannt zu.
Als die ältere Frau mit ihrer Erzählung geendet hatte, sah Gordana ihr direkt in die Augen.
„Mein Vater hätte mir das nie so genau erklären können“, bedankte sie sich. „Allerdings besteht das Problem immer noch. Wir müssen überlegen, was wir weiter tun sollen. Mein Vater wird mich umbringen, wenn er von meinem Zustand erfährt. Aber da muss ich nun durch, komme, was wolle.“
„Aidan wird heute Abend zurück sein, dann werde ich mit ihm reden“, sagte Mairi.
„Das möchte ich lieber selbst tun“, erwiderte Gordana. „Bitte richtet ihm aus, dass ich ihn heute Abend im Wäldchen treffen muss. Da werde ich es ihm sagen. Er soll mich abholen, vorher aber das von uns vereinbarte Zeichen geben.“
„Wie du möchtest. Auf meine Hilfe könnt ihr euch verlassen, genau wie auf Ians Hilfe“, meinte Mairi, dabei hielt sie Gordanas Hand und drückte sie leicht.
„Vielen Dank, Mrs. McLeod“, ließ Gordana leise hören. „Doch nun muss ich nach Hause. Mein Vater wartet bestimmt schon auf sein Mittagsmahl, das ich noch zubereiten muss.“ Als Gordana an ihren Vater dachte, überkam sie ein flaues Gefühl im Magen. Noch mochte sie nicht daran denken, was wohl sein wird, wenn er von ihrem Zustand erfährt.
Am Abend wartete Gordana sehnlichst darauf, Aidans vereinbartes Zeichen, das Pfeifen eines Vogels, zu hören. Als sie es endlich vernahm, öffnete sie leise die Lade, die das Fenster ihres Zimmers verschloss. Aidan stand mit seinem Pferd in einigem Abstand hinter einem Busch des Wäldchens hinter dem Haus, versteckt. Gordana gab ihr Zeichen zurück und schlüpfte ins Freie. Schnell huschte sie im Schutz der Dunkelheit zu ihrem Liebsten, der sie bereits sehnsüchtig erwartete.
Kaum war Gordana bei ihm angelangt, zog er sie schon in seine Arme und küsste sie feurig.
„Endlich“, flüsterte er heiser, „endlich. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“
„Komm, erst einmal weg von hier, ehe mein Vater bemerkt, dass ich nicht da bin“, drängelte Gordana. Aidan setzte sich auf sein Pferd, half seiner Liebsten, auch aufzusteigen. Dann ging es gemeinsam im Galopp in Richtung Wald.