Ronald Clynsbury ritt durch den Wald, in dem sich Aidan mit Gordana vor deren Vater versteckte. Er hatte seinen Besuch nicht angekündigt und hoffte jedoch inständig, Gordana würde ihm vertrauen. Aidan kannte ihn, doch Gordana war ihm niemals begegnet.
Während sich Ronald dem Versteck näherte, wachte Gordana eben erst auf. Sie war es gar nicht gewohnt, so lange schlafen zu können. Zu Hause hatte am Morgen stets viel Arbeit auf sie gewartet: Den Ofen anheizen, die Kühe melken, Frühstück für den Vater vorbereiten. Danach wurde es schon Zeit, das Mittagsmahl für den Vater vorzubereiten, wofür sie im Sommer oft in den Wald gehen musste, um Beeren zu sammeln.
Wohlig streckte sich Gordana aus. Sie sah sich um und erblickte Aidan, der bereits aufgestanden war und Holz hereingeschleppt hatte.
„Du bist ja schon wach“, sagte er freudig, als er bemerkte, dass Gordana aufgestanden war und nach ihren Kleidern griff. Rasch trat er an sie heran und wünschte ihr mit einem dicken Kuss einen guten Morgen. „Wir werden in den nächsten Tagen Besuch bekommen“, ließ er sie noch wissen.
„Wer sollte uns denn hier in dieser Einöde besuchen“, fragte die junge Frau.
„Derjenige, der es ermöglicht hat, uns hier in dieser Höhle zu verstecken“, erwiderte Aidan.
„Da weiß also doch jemand, wo wir sind. Ist das nicht zu gefährlich?“, wollte Gordana fast erschrocken wissen.
„Ja, natürlich. Das alles alleine zu organisieren wäre für mich unmöglich gewesen. Es wäre auch aufgefallen“, versuchte Aidan sie zu beruhigen. „Keine Angst, es ist ein Geistlicher. Keiner wird je darauf kommen, dass gerade er uns geholfen hat.“
Nun musste Gordana lächeln. Sie wusste nicht, wie viele unbekannte Freunde Aidan und nun wohl auch sie hatte.
„Da gibt es noch etwas, das ich dir sagen muss“, sprach Aidan nun weiter.
„Ja“, fragte Gordana nur, „was denn?“
„Der Geistliche kommt nicht ohne Grund hierher“, erzählte der junge Mann.
„Ach?“
„Nicht ach“, lachte Aidan. Er ging vor Gordana auf die Knie, ergriff ihre Hand und küsste diese. „Gordana MacGregor, willst du meine Frau werden?“, wagte Aidan aufgeregt zu fragen. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Er blickte nach oben, direkt in Gordanas plötzlich feucht glänzende Augen.
„Aber Liebste“, Aidan sprang erschrocken auf. Ängstlich blickte er in Gordanas Augen. War es Trauer, die sich darin spiegelte, oder doch Freude?
„Aidan, ja, ich will“, hauchte Gordana frohen Herzens, „ich will!“
Jubelnd hob Aidan seine Braut hoch und wirbelte mit ihr durch die Höhle. Freudig lachend küsste er sie. Fast konnte er nicht mehr von ihr lassen.
„Hey, langsam“, versuchte Gordana Aidans Übermut zu bremsen. „Deswegen kommt also der Geistliche hierher?“, fragte sie.
„Auch deshalb“, gab Aidan zu.
„Du hast es also geplant, mich schnell zu ehelichen“, brüskierte sich Gordana mit schelmischem Lächeln. „Du weißt doch“, begann sie leise, als sie sich endlich besonnen und der Tragweite ihres Entschlusses bewusst worden war, „eigentlich sollte ich heute Matthews Frau werden. Dass jetzt du mein Mann werden willst, macht mich zum glücklichsten Menschen. Aber ich bin nicht traurig, dass es anders kommen soll. Ich liebe dich und werde mit Freuden deine Frau. Mit dir zusammen möchte ich alt werden. Matthew könnte ich nie lieben, jedenfalls nicht so wie dich, er hätte mein Leben nur traurig und trist gemacht.“
„Oh Gordana“, freute sich Aidan über Gordanas Worte, „Schön hast du das gesagt.“ Total hingerissen blickte er sie an und küsste sie erneut. Diesmal aber nicht verlangend und fordernd, sondern sehr zärtlich und liebevoll.
„Ich sollte hier ein wenig Ordnung schaffen, ehe dein Freund eintrifft“, kehrte nun Gordana die perfekte Hausfrau heraus, „nicht dass wir uns schämen müssen. Dazu muss ich noch Blumen pflücken für meinen Haarkranz.“
„Die Blumen habe ich schon“, sagte Aidan und ging zum Höhleneingang. Dort hob er einen Strauß weißer Margeriten auf, die er voller Vorfreude in der Frühe gepflückt hatte. „Das sollen deine Hochzeitsblumen werden“, sagte er, als er diesen seiner Liebsten überreichte.
Gordana errötete leicht.
„Du denkst auch an alles“, flüsterte sie bescheiden und gab Aidan einen Dankeskuss auf die Lippen, „ich werde mich gleich daran machen und den Kranz flechten.“
„Mach das, mein Freund wird bestimmt bald hier eintreffen“, erwiderte Aidan, „ich werde indessen Feuer machen und Wasser vom Bach holen.“ Damit verließ er die Höhle.
Gordana setzte sich auf das Bett und begann, den Kranz zu flechten. Dabei summte sie ein fröhliches Lied. Dass sich jemand der Unterkunft näherte, bemerkte sie dabei nicht. Erst als sie sich beobachtet fühlte, blickte sie auf. Vor ihr stand ein Fremder.
Erschrocken schrie Gordana auf und flüchtete sich in die hinterste Ecke der Höhle. Ängstlich sah sie zu dem Fremden hinüber, der wie angewurzelt im Eingang stand und sie anstarrte.
„Was willst du?“, fragte Gordana.
„Du bist Gordana?“, stellte der Eindringling eine Gegenfrage.
„Wer will das wissen und wer bist du überhaupt?“, fuhr sie ihn an. „Hier gibt es nichts zu holen. Wir sind arme Leute. Verschwinde!“
„Na, wer wird denn gleich so kratzbürstig sein“, begann der Fremde. Er ging einen Schritt auf Gordana zu, die sich sogleich noch mehr zurückzog. Dabei griff sie nach einem Knüppel griff, den ihr Aidan für den Notfall bereitgestellt hatte. Sie hatte keine Skrupel, diesen als Waffe einzusetzen und sich ihrer Haut zu wehren und dem Fremden damit eine über den Kopf zu schlagen.
„Komm nicht näher“, warnte sie ihn und hob ihre Waffe drohend in die Höhe.
„Was ist denn hier los?“, vernahm Gordana plötzlich Aidans Stimme vom Eingang her.
Der Fremde drehte sich um.
„Na endlich bist du da. Deine Braut wollte mich leider nicht willkommen heißen“, beschwerte er sich bei dem Ankömmling.
„Aidan, sag, kennst du diesen Mann“, ließ Gordana aus ihrer Ecke heraus vernehmen. „Er drang einfach hier ein“, beschwerte sie sich, „Ich musste zum Knüppel greifen, um ihn von mir fernzuhalten.“
Aidan lachte laut auf.
„Ronald ist doch kein Barbar“, rief er Gordana zu. Er wandte sich Ronald zu. „Willkommen“, sagte er zu ihm, „schön, dass du da bist. Wir erwarteten dich schon.“ Und zu Gordana gewandt sagte er noch: „Nun komm schon her. Das ist Ronald Clynsbury. Ich habe dir doch von ihm erzählt. Er ist der Geistliche, der uns trauen wird.“
Total verwirrt sah Gordana die beiden Männer an. Noch begriff sie nicht, was Aidan eben gesagt hatte. Ihre Gedanken wirbelten durch ihren Kopf wie durch einen Strudel. Erst nach einiger Zeit wurde ihr bewusst, wer dieser Fremde war.
„Du meinst, das ist Ronald Clynsbury, der uns trauen soll“, stotterte sie, vor Verlegenheit brachte sie kaum ein Wort heraus.
„Ja, natürlich. Ich kenne doch meinen Freund“, erwiderte Aidan lachend und ging zu Gordana hinüber, um sie zu Ronald zu führen.
Mit weit offenen Augen ging Gordana auf den Geistlichen zu. Immer noch war es ihr überaus peinlich, ihn so angegriffen zu haben.
„Willkommen“, murmelte sie, immer noch beschämt zu Boden blickend. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht bedrohen“, versuchte sie, sich zu entschuldigen.
Doch Ronald lachte nur.
„Das macht doch nichts. Du konntest ja nicht wissen, wer ich bin. Und außerdem habe ich es ja überstanden“, meinte er lächelnd zu der jungen Frau. „Solange ich euch noch trauen kann, ist alles in Ordnung.“
„Nun aber genug geschwafelt, ich kann es kaum noch erwarten“, wurden die beiden von Aidan unterbrochen, der nervös von einem Bein auf das andere trat.
„Einen ungeduldigen Bräutigam haben wir auch noch. Als würde eine angriffslustige Braut nicht schon genug sein“, frotzelte Ronald und duckte sich sogleich. Was auch gut war, denn Aidan warf ihm den Blumenkranz an den Kopf, den er eigentlich Gordana aufs Haar setzen wollte.
„Nun aber kommt, ihr Turteltäubchen. Wollen wir mal Nägel mit Köpfen machen und euch endlich trauen“, sprach nun Ronald einfach weiter, nachdem er Aidans Angriff unbeschadet entgangen war, „oder wollt ihr etwa nicht mehr?“
„Doch!“, rief Gordana aufgebracht und ging zu Ronald, der eben den Blumenkranz aufgehoben hatte, „Aber mein Kranz ist nun kaputt. Aidan, du Unhold!“
„Ich nehme dich auch ohne Kranz“, erwiderte Aidan lachend. Er trat auf Gordana zu und nahm ihre Hand. Gemeinsam knieten sie sich vor dem Geistlichen hin und sahen ihn erwartungsvoll an.
Voller Spannung blickten die beiden jungen Leute zu Ronald hoch, der nun mit der Zeremonie begann. Gebannt lauschten sie seinen Worten, hörten zu, was er ihnen zu sagen hatte. Sie hatten zwar schon beide mehrmals im Dorf solche Zeremonien miterlebt, doch das nun war ganz etwas anderes. Jetzt standen sie im Mittelpunkt, waren sie die Brautleute.
Ronald sprach langsam und bedächtig seine Worte zu Aidan und Gordana. Seine Stimme war sanft und gütig, sehr beruhigend für sie. Aidan tastete verstohlen nach Gordanas Hand, sie spürte, wir ihr Liebster vor Aufregung zitterte. Endlich war es soweit, Ronald stellte den beiden die alles entscheidende Frage, welche von beiden mit einem befreienden „Jaaa, ich will“ beantwortet wurde.
Daraufhin griff Ronald in seine Tasche und brachte einen kleinen Beutel zum Vorschein. Dieser enthielt zwei Ringe, die Matthews Vater für seinen Sohn und dessen Braut anfertigen lassen hatte. Kyle wusste, dass er dafür im besten Fall ein knappes Dankeschön erwarten konnte. Deshalb hatte er keine Bedenken gehabt, diese Ronald mitzugeben. Gordana brach in Tränen aus, als sie sich gegenseitig die Ringe ansteckten und damit den Bund fürs Leben besiegelten.