Gordana trat folgsam hinter ihrem Vater, der sie eben zu sich gerufen hatte, in die Hütte. Die beiden Gäste warteten schon sehnsüchtig auf die zukünftige Gattin von Matthew MacDonalds.
Gehorsam wurden sie von Gordana begrüßt. Danach stand sie wartend an der Tür, der Dinge harrend, die kommen sollten.
„Nun“, begann ihr Vater Angus endlich. „Kyle und ich sind uns einig geworden. Matthew und du, ihr werdet am Vollmondtag dieses Monats vor den Traualtar treten.“
Matthew sah Gordana erfreut lächelnd an, während sich Gordana dazu zwang wenigstens äußerlich gute Miene zu bösem Spiel zu machen. In ihrem Inneren brodelte sie vor Wut, aber auch vor Verzweiflung. Sie wusste, jetzt Widerworte zu geben, wäre nicht gut. Das würde ihren Vater vielleicht noch mehr gegen sie aufbringen, wodurch er sich vielleicht gezwungen sähe, die Heirat noch weiter vorzuziehen. So hatte sie wenigstens bis zum Ende des Monats Zeit, um gemeinsam mit Aidan einen Plan zu schmieden.
„Willst du nichts dazu sagen?“, fauchte sie ihr Vater, dem die Antwort seiner Tochter nicht schnell genug kam, an.
„Ich fühle mich sehr geehrt, dass Matthew um meine Hand angehalten hat. Ich werde ihm eine gute Ehefrau sein“, presste Gordana daraufhin gezwungenermaßen hervor. Es stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben, dass ihr die Wahl ihres Vaters nicht behagte.
„Ich freue mich auch, dich zur Frau zu bekommen. Damit geht mein Lebenstraum endlich in Erfüllung“, raspelte Matthew Süßholz.
Ja, und damit den Titel meines Vaters zu erben, steht da wohl an vorderster Stelle. Was ich von der Hochzeit halte, interessiert hier niemanden, wollte Gordana gerade sagen. Doch im letzten Moment hielt sie ihre Worte zurück und dachte sich diese nur im Stillen.
„Gut, damit ist es beschlossene Sache“, fügte Angus noch an, „stoßen wir darauf an.“ Er hob den vor ihm stehenden Krug mit Bier an und prostete den beiden anderen Männern am Tisch zu. Mit den Worten: „Geh wieder an deine Arbeit und stehe hier nicht untätig rum“, wurde Gordana weggeschickt.
Die eilte schnellstmöglich hinaus, froh, den grölenden Männern vorerst entkommen zu sein. Mit sehnsüchtigen Gedanken dachte sie an Aidan, der in der nächsten Nacht zu ihr kommen und mit ihr alles weitere besprechen wollte.
***
Es war Nacht, Gordana lag wach auf ihrem Bett, während ihr Vater im anderen Raum der Hütte schon tief und fest schlief und einen ganzen Wald abzusägen schien. Ihr war das nur recht. So konnte sie sicher sein, dass er nichts von ihrem heimlichen Besuch mitbekommen würde. Sonst hatte er nur einen leichten Schlaf und wachte mehrmals in der Nacht auf.
Endlich hörte Gordana das Zeichen, das Aidan mit ihr vereinbart hatte. Sie stand leise auf und huschte zum Fenster. Die Läden ließen sich leider nicht öffnen, ihr Vater hatte sie von außen vernagelt, damit Gordana nachts nicht wieder entwischen konnte. Zum Glück dachte Aidan mit und schlich sich über den Hof zu ihrem Gefängnis.
„Gordana, bist du wach?“, hörte sie Aidan auf der anderen Seite flüstern.
„Pst, nicht so laut, damit wir Vater nicht aufwecken“, antwortete diese so leise wie möglich. „Endlich bist du da“, freute sie sich dann aber doch.
„Machen wir es lieber kurz“, erwiderte Aidan. „Ich habe eine Idee. Bitte lass mich erst ausreden, ja.“
„Ja“, flüsterte Gordana zurück.
„Pass auf, ich komme morgen Mittag und halte offiziell um deine Hand an. Dein Vater wird natürlich wie erwartet, ablehnen und auch du wirst meinen Antrag ablehnen, da du ja Matthew heiraten willst. Dein Vater wird mich mit Schimpf und Schande vom Hof jagen und ich wie ein geschlagener Hund davon trotten. Danach verschwinde ich erst einmal. Keine Angst, das ist so gewollt, meine Eltern sind ebenfalls eingeweiht. Falls etwas Unerwartetes geschehen sollte, kannst du jederzeit über sie erfahren, wo ich mich aufhalte. Du hattest gesagt, am Vollmondtag soll die Hochzeit mit Matthew sein?“
„Stimmt“, antwortete Gordana leise, gerade so, dass es Aidan draußen hören konnte.
„Gut, also weiter. Höre genau zu. Zwei Nächte vorher werde ich dich hier abholen, lass dir nichts anmerken, verhalte dich wie immer. Packe bitte nur das Allernötigste ein. Du tust inzwischen so, als wärst du mit allem einverstanden, auch mit der Heirat. So will ich deinen Vater ablenken und dir gegenüber gnädig stimmen. So kannst du ihn bitten, die Fensterläden wieder freizumachen. Jammere ihm einfach vor, dass du die ständige Dunkelheit in deinem Zimmer nicht mehr aushältst.
Ich werde inzwischen im Wald ganz abgeschieden eine Unterkunft für uns bauen, weit weg, wo uns vorerst niemand suchen und auch nicht erwarten wird.“
„Bist du dir sicher, dass das gut geht?“, fragte Gordana ein wenig ängstlich. Noch so lange bei ihrem Vater ausharren zu müssen, behagte ihr gar nicht. Doch, um kein Aufsehen zu erregen, sah sie ein, wie wichtig es sein würde, ihre Flucht so gut wie möglich vorzubereiten und vorher kein Risiko einzugehen.
„Es muss gut gehen, eine andere Möglichkeit werden wir nicht haben“, bekannte Aidan. „Wir müssen dann schnell verschwinden. Denn wenn wir gefunden werden, dann gnade uns Gott.“
„Gut, dann tun wir es so, wie du es vorgeschlagen hast“, sagte Gordana, in der Hoffnung, dass wirklich alles gutgehen würde, so wie es sich Aidan ausgedacht und geplant hatte.
„Ich gehe mal wieder, wir sehen uns morgen. Denke bitte an unsere Abmachung“, erinnerte Aidan seine Geliebte nochmals. Mit einem „Ich liebe dich“, verabschiedete er sich von ihr.
„Ich liebe dich auch“, konnte Gordana gerade noch sagen, ehe sich Aidan abwandte und in der Dunkelheit verschwand.
***
Am nächsten Tag wartete Gordana gespannt darauf, dass Aidan auf den Hof eintrifft. Kurz vor dem Mittag kam er mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen angeschlendert. Angus, der den jungen Mann schon bemerkt hatte, kam ihm mit einem grimmigen Blick entgegen.
„Was willst du hier?“, herrschte Angus ihn an.
„Mit dir reden“, erwiderte Aidan fröhlich.
Gordana beobachtete die Angelegenheit aus sicherer Distanz, trat aber näher, als ihr Vater auf Aidan losgehen wollte.
„Seit wann haben wir was zu bereden“, meinte Angus grimmig und ballte die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten.
„Jetzt schon“, sagte Aidan ohne jede Gemütsregung, „es geht um deine Tochter Gordana.“
Als Gordana ihren Namen hörte, eilte sie zu den beiden Männern hin, die sich wie Kampfhähne gegenüberstanden und sich beäugten. Sie hielt sich allerdings vorerst heraus.
„Um meine Tochter, soso“, sagte Angus mit einem hämischen Grinsen im Gesicht.
„Ja, ich möchte deine Tochter heiraten und dich deswegen um ihre Hand bitten. Vorausgesetzt, Gordana möchte mich“, sprach Aidan einfach weiter, ohne auf das grimmige Gesicht seines Gegenübers zu achten.
Angus wurde vor Wut rot im Gesicht. Gordana, die hinter ihm stand, sodass er ihre Reaktion nicht sehen konnte, lächelte ihrem Geliebten fröhlich entgegen. Doch als ihr Vater sich umdrehen wollte, setzte auch sie ein grimmiges Gesicht auf. Sie stützte sogar ihre Hände in die Hüften, um der Szenerie mehr Glauben zu schenken. In ihrem Inneren jubelte sie allerdings.
„Du wagst es!“, schrie Angus unbeherrscht los. „Meine Tochter ist schon vergeben, am Vollmondtag wird sie Matthew MacDonalds Frau werden. Das ist beschlossene Sache. Da muss so ein Dahergelaufener wie du nicht kommen und sie ihm abspenstig machen!“
„Ja, wirklich, was fällt dir ein, einfach um mich zu buhlen. Ich liebe Matthew und freue mich, ihn endlich heiraten zu dürfen“, entrüstete sich nun auch Gordana. Sie hatte ihren Teil gut einstudiert. So fiel es nicht auf, dass es nur Theater war, was die beiden jungen Leute spielten.
„Aber Gordana“, spielte Aidan das Theater weiter, „weißt du nicht mehr, was wir uns als Kinder versprochen haben? Wir wollten doch schon immer heiraten, von Kindesbeinen an.“
„Ha“, lachte Gordana los, „das ist lange her. Damals war das nur Kinderkram, aber heute bin ich erwachsen und weiß, wohin ich gehöre. Nun heirate ich Matthew. Du bist raus aus dem Spiel.“
Gordanas Vater sah seine Tochter erstaunt an. Ihre plötzliche Wendung hatte ihn total überrascht. Es erfreute ihn sehr, dass sie sich nicht mehr gegen die Heirat mit Matthew sträubte. Voller Stolz glaubte er daran, Gordana endlich auf den rechten Weg gebracht zu haben.
„Hast du nicht gehört, sie will dich nicht“, fauchte Angus Aidan an. „Gordana heiratet Matthew und basta. Und nun verschwinde!“
„Aber …“, begann Aidan.
Nichts aber, verschwinde ganz schnell, ehe ich dir das Fell versohle und dich am Torbogen aufhänge“, knurrte ihn Angus an.
Aidan warf Gordana einen sehnsuchtsvollen Blick zu, in seinen Augen schimmerten sogar Tränen.
„Dann eben nicht, schade. Gordana, irgendwann wirst du das bereuen“, sagte er nur noch, ganz traurig tuend, ehe er sich vom Hof trollte.
„Was war das denn?“, staunte Angus, als der ungewollte Freier den Hof verlassen hatte und Angus mit seiner Tochter wieder alleine war. „Woher kommt deine plötzliche Wendung? Gestern noch hast du Zeter und Mordio geschrien, weil du Matthew heiraten sollst.“
„Ich habe halt überlegt, Vater. Matthew ist ein guter Kerl und ich will ihm eine gute Ehefrau sein“, antwortete Gordana. „Ich kann doch nicht ewig so widerborstig sein. Im heiratsfähigen Alter bin ich auch, warum also nicht heiraten. Matthew kann mir mehr bieten als Aidan. Du hast eine gute Wahl für mich getroffen“, schmierte sie ihrem Vater weiter Honig ums Maul.
„Herrgott im Himmel, dass ich das noch erlebe. Meine widerspenstige Tochter wird einsichtig“, stieß Angus aus und faltete dabei die Hände, als würde er beten. „Ich freue mich, dass du jetzt so denkst und Aidan vergessen willst. Deine Mutter wäre stolz auf dich.“
„Du wolltest ja immer nur das Beste für mich“, raspelte Gordana weiter Süßholz. „Das habe ich nun eingesehen.“ Ihrem Vater noch mehr aufs Brot schmieren wollte sie allerdings nicht, damit es nicht zu aufgesetzt aussieht. In Gedanken war sie allerdings bei Aidan, der inzwischen auf dem Weg in den Wald war, um dort alles für ihre Ankunft in zwei Wochen vorzubereiten.