»Seht euch nur diesen Fettsack an.«
»Ja, was ein Opfer.«
Beschämt zieht er den Kopf ein und richtet den Blick zu Boden.
»Schon ziemlich scheiße, wenn man nur den Kühlschrank als Freund hat.«
»Sein Hobby ist eben Essen.«
Kichern ertönt hinter seinem Rücken. Die Häme seiner Mitmenschen versetzt ihm immer wieder Stiche ins Herz, die sein Inneres regelrecht verbluten lassen. Warum nur können sie ihn nicht einfach aufhören, ihn zu beachten?
Ein dunkler Schatten schiebt sich in seine Sicht und verdunkelt zugleich die Sonne. Nur widerwillig schaut der Junge auf. Ein Koloss stellt sich ihm in den Weg. Sofort steigert sich das Unbehagen.
Abschätzig grinst der blonde schlanke Riese sein Gegenüber an. »Hallo, Fettie. Hast du Hunger?« Der Angesprochene weicht seinem Blick aus. Angestrengt versucht er nicht allzu offensichtlich zu zittern. »Hey, ich rede mit dir!« Ein grober Stoß gegen die linke Schulter lässt ihn zusammenfahren. Der Schmerz lässt nicht lange auf sich warten. Wie betäubt steht er einfach nur da. Da ist nur Leere in ihm. Da er bereits weiß, was folgen wird. So versucht der Junge auch nur halbherzig, sich an Callum und seinen Anhängern vorbei zu schleichen.
Wieder einmal haben seine Peiniger andere Pläne mit ihm. Sie werden ihn wohl kaum schadlos von dannen ziehen lassen. Zwei weitere Jungen treten vor und stoßen ihn mit ihren Schultern zurück in ihre Mitte. »Was hast du‘s so eilig, Speckie? Musst du etwa schnell nach Hause zu deinem Schweinetrog?« Seine Begleiter lachen auf. Callum wirft ihnen triumphierende Blicke zu und sonnt sich in deren Gelächter. Erst dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Opfer und fordert dieses stumm heraus. In der Zwischenzeit versammeln sich weitere Kinder um die vier Kontrahenten herum.
»Los, lauf‘ schnell nach Hause, bevor der Abfall kalt wird«, ruft nun Keith, ein schwarzhaariger Spargeltarzan. Der Angegriffene beißt sich auf die Unterlippe und versucht auf diesem Wege, die Mixtur aus Verzweiflung, Furcht und Ärger in seinem Innern zu bändigen. Er kennt diese Jungen. In solchen Situationen ist es empfehlenswert, ihre Worte einfach stumm über sich ergehen zu lassen.
Ein Tritt in den Magen reißt gewaltsam aus seiner Gedankenwelt. Wieder zuckt der Junge einfach nur zusammen und starrt seine Peiniger mit allmählich wässrig werdenden Augen an. So weit sind sie bisher noch nie gegangen. Julian, der Dritte im Bunde, streckt den Arm aus und zeigt hämisch auf den Gepeinigten in der Mitte. Ein Lachen unterdrückend, ruft er mitten in die Stille hinein: »Seht euch an, wie sein Bauch schwabbelt!« Er tritt näher und tippt dem Gehänselten auf die von Pickeln übersäte Stirn. »Fettes Schwein.«
Noch während er jedes Wort schmerzhaft deutlich ausspricht, brandet hämisches, ungehaltenes Gelächter auf. Der Junge in der Mitte schämt sich in Grund und Boden. Er sieht ihnen direkt ins Gesicht, während sie dort stehen, einfach über ihn lachen und sich an seiner Demütigung erfreuen. Seine etwas plumpen Hände ballen sich zu Fäusten, doch er erhebt sie nicht. Seine Lippen zittern, jedoch bringt er nicht ein Wort zustande.
In der Menge erklingt ein zusammenhangloses Grunzen. Nach nur wenigen Momenten stimmen Weitere mit ein. Dieser disharmonische Chor aus Johlen und schweineartigen Geräuschen nimmt ihm jegliches Geräuschempfinden. Finger richten sich wie Scheinwerfer auf ihn. »Schwein! Schwein! Schwein!«
Von hinten wird er an den Schultern gepackt. Die bewegliche Wand aus Hohn rückt drohend näher, während sich der Tränenschleier verdichtet. Das Gelächter übertönt nun selbst seine Gedanken. Schläge prasseln wie Starkregen auf ihn nieder. »Hier, Schweinchen Schwein.«, ist das Letzte was er hört, ehe sich alles im Nichts verliert.