Man hört von vielen Leuten, das sie Schwierigkeiten haben, Kurzbeschreibungen zu verfassen. Ich habe da auch keinen Generalschlüssel, also plaudere ich hier einfach über Sachen, die man tun und nicht tun sollte.
Zuerst einmal müssen wir uns verdeutlichen, was eine Kurzbeschreibung ist: Ein Köder, der den Lesern Geschmack auf deine Geschichte machen soll – und zwar nicht unbedingt allen Lesern, sondern denen, für die deine Geschichte gedacht ist. Wenn du eine Romanze schreibst, die Kurzbeschreibung aber nur von den Kriegen und Katastrophen deines Settings berichtet, lockst du die falschen „Fische“ an, die zwar den Köder schlucken, aber die Geschichte dann enttäuscht ausspucken. Während die Leser, die sich über die Romanze freuen würden, sich von der Kurzbeschreibung abwenden.
Aber eine Kurzbeschreibung wie folgende wäre auch falsche: „In dieser Geschichte geht es um ein junges Mädchen, das einen Jungen kennenlernt und sie mögen sich.“ Wer liest das denn bitte? Junge trifft Mädchen, das gab‘s schon eine Milliarde Mal und jeder Leser hat das schon tausendmal gelesen. Also nicht die 08/15 Liebesgeschichte betonen, sondern das, was sie besonders macht: Die Schwierigkeiten, denen die Liebenden sich stellen müssen, ihre besonderen Charaktereigenschaften oder vielleicht die Welt, in der sie leben.
Tja, und da kommt direkt die nächste populäre Falle: „Lara und Simon leben in einer dystopischen Stadt. Lara ist eine Kriegerin, Simon ein intelligenter Wissenschaftler. Sie treffen sich und verlieben sich, sagen sich das aber nicht. Dann bricht Krieg aus und Simon muss fliehen. Lara findet ihn aber wieder. Der feindliche Heerführer will Simon haben, damit dieser Kriegsmaschinen für ihn baut. Lara schleicht sich in den Palast und tötet den Herrscher.“ Wer würde die Geschichte nach so einer Kurzbeschreibung noch lesen? Das wäre ja reine Zeitverschwendung!
Also fassen wir zusammen: Die Kurzbeschreibung muss zur Geschichte passen, und zwar zum dem Kernthema, um das es gehen wird – kurz gesagt: Der wichtigste Aspekt. Worauf konzentrierst du dich? Romantik? Intrigen? Eine interessante Fantasywelt? Der Konflikt zwischen Gut und Böse?
Stell in deiner Kurzbeschreibung heraus, was deine Geschichte von anderen dieser Art unterscheidet. Was sind deine individuellen Ideen, die noch keiner vor dir hatte? Dieser Punkt ist, zugegeben, etwas schwieriger, denn die meisten Ideen hatte schon mal jemand vor dir. Außerdem brauchst du einen halbwegs guten Überblick über deine „Konkurrenz“. Du musst die „Klischees“ kennen, die jeder nutzt, und herausstellen können, wo du von diesen Klischees abweichst. (Anm. Natürlich kannst du auch eine „nicht einfallsreiche“ Geschichte bewerben, die von keinem Klischee abweicht, indem du sie als „klassische“ Geschichte des Genres verkaufst. Auch das ist kein Problem, damit lockst du Leser an, die keine abstrusen Experimente, sondern etwas vertrautes lesen wollen.)
Drittens soll deine Kurzbeschreibung ködern, aber nicht spoilern. Am besten verrätst du nichts, was nicht im ersten Kapitel bereits geschieht – das ist aber nicht immer möglich, besonders, wenn du erst mal ein paar ruhige Kapitel als Einleitung haben möchtest. Sagen wir, ein wichtiger Punkt ist, dass deine Hauptfigur verschleppt wird, das geschieht aber erst im fünften Kapitel – davor geht es nur um ihr alltägliches Leben und die Menschen, die sie dann später vermissen wird. Natürlich darf die Entführung dann in die Kurzbeschreibung, sonst denken deine Leser, dass deine Geschichte nur vom idyllischen Dorfleben handelt.
Wie schreibt man nun eine Kurzbeschreibung? Mein Symbiont Marvin hat damit ja keine großen Probleme: Er schreibt die Grundidee einer Geschichte direkt als Kurzbeschreibung auf, was ihn gleichzeitig auch dazu motiviert, die Geschichte dann auch zu schreiben.
Eine allgemeine Möglichkeit ist es, in der Kurzbeschreibung das Setting und die Grundidee des Buches vorzustellen. Zum Beispiel: „In der fernen Zukunft überziehen Kriege jenseits aller Vorstellungskraft das Land. Lara und Simon entfachten das Licht der Liebe im Herzen des anderen – doch der Wind bläst strakt und kalt, er droht, die Flämmchen zu erlöschen.“
Ja, Metaphern und Dramatik sind in einer Kurzbeschreibung nicht nur erlaubt, sondern sogar gewünscht. Es ist nicht einfach nur „ein Konflikt“, sondern „ein Krieg ohnegleichen“. Es ist kein „doofer Ex“, sondern ein „neid- und hasserfüllter Exfreund“. Übertreib ruhig ein wenig – vorausgesetzt, deine Geschichte entpuppt sich dann am Ende nicht als Enttäuschung für die Leser. (Anm. Die Beispiele beziehen sich jetzt hauptsächlich auf Fantasy oder Romantik, doch genauso kann man Humor, Schicksalsschläge oder andere Themen übertrieben darstellen.)
Aber das, was die Leser erwarten, spielt hier ebenfalls eine große Rolle. Lies deine Kurzbeschreibung mehrfach durch und überleg dir: Was würdest du jetzt von dem Text erwarten? Liegt der Fokus vielleicht auf einem ganz anderen Thema als in deinem Text? Für gewöhnlich bleiben Leser auch bei der Stange, wenn die in der Kurzbeschreibung das Thema verfehlst, der Text aber trotzdem spannend ist. Dennoch kann es vorkommen, dass die Leser auf einen bestimmen, angesprochen Aspekt hoffen und später enttäuscht sind. Hohe Erwartungen sind für gewöhnlich tödlich, denn dann kann der Leser das, was er stattdessen bekommt, nicht mehr wertschätzen.
Und wenn du das Grundthema deines Textes nicht kennst?
Für Discovery Writing – also das Schreiben ohne festen Plan, bei dem die Handlung im Prozess erst „entdeckt“ wird – bietet es sich an, einfach das erste Kapitel zusammenzufassen. Das kann ein bisschen wie in einem Zeitungsartikel funktionieren – du weißt schon, die fünf großen „W“s, die im ersten Satz beantwortet werden müssen. Hier wäre es: WER ist WO – und WAS passiert? Für unser Beispiel der dystopischen Liebesgeschichte wäre es beispielsweise: „Simon ist ein nüchterner Wissenschaftler, der sich ganz der Erforschung der neuen Mikrotechnologie verschrieben hat. Doch alles ändert sich, als er die Elitekriegerin Lara trifft.“
Weiterhin ist ein offenes Ende in einer Kurzbeschreibung immer eine gute Idee, und natürlich: So kurz wie möglich! Eine lange Kurzbeschreibung schreckt die Leser eher ab, und die Kurzbeschreibung soll ja ein Häppchen sein, das man schon fast ohne es zu wollen liest.
Du bist kein Discovery Writer, aber du weißt trotzdem nicht, was dein Hauptthema ist? Das ist zwar eher war für einen eigenen Exkurs, aber kurz gesagt ist dein Hauptthema das, was dir an der Geschichte am wichtigsten ist. Natürlich gibt es so extravagante Themen wie „Einsamkeit“, die sich in mehreren Charakteren widerspiegeln und immer wieder auftauchen, dein Thema kann aber auch ganz platt das Abenteuer sein, das deine Helden erleben. Oder die Lektion, die sie lernen, beispielsweise, dass Freundschaft alle Gefahren bezwingen kann. Guck dir einfach deinen Text an und such nach Themen, die häufig angesprochen werden. Das, was dich überhaupt dazu brachte, die Geschichte zu schreiben.
Im Folgenden: Tipps und Tricks für Kurzbeschreibungen!
Adjektive! Versuch, möglichst jedem Nomen ein (ein einziges!) Adjektiv zu geben: „Inmitten schrecklicher Kämpfe in einer erbarmungslosen Dystopie treffen zwei junge Menschen aufeinander.“ Du solltest nur darauf achten, den Text nicht mit Adjektiven zu übersättigen. Lass die Kurzbeschreibung daher einige Zeit ruhen und gucke dann, ob die es nicht vielleicht doch übertrieben hast.
Pathos! Wieso „zwei junge Menschen“ nehmen, wenn man auch „zwei unschuldige, junge Seelen“ schreiben kann? Nutze ruhig Formulierungen, für die man dich anderswo aus der Schreibschule jagen würde – in Kurzbeschreibungen gelten andere Regeln.
Cliffhanger! Gib deiner Kurzbeschreibung ein offenes Ende. Höre mit „…“ auf. Oder sogar mit einer Frage an den Leser. „Wenn alles, was du liebst, bedroht ist – was würdest du tun?“ Unbewusst fühlt sich der Leser sofort angesprochen und möchte dir gerne antworten. Aber vorsichtig, nimm keine dummen Fragen wie: „Wenn der Senf alle ist, was tust du?“ Es gibt nämlich auch Leute, die auf Fragen mit einem verächtlichen Schnauben reagieren und genau deswegen NICHT in die Geschichte gucken.
Mitreißen! Fang niemals an mit „In dieser Geschichte geht es um …“ Weise den Leser nicht darauf hin, dass es nur eine Geschichte ist, sondern stell die Ereignisse als die pure Wahrheit dar. „Der König ist tot! Das Land versinkt im Chaos, während der Thronerbe sich auf der Flucht vor perfiden Attentätern befindet.“ Oder fang mit einer Präposition an: „Im Land des Reitervolkes ist nicht alles, wie es scheint.“ Oder: „Auf der Flucht vor den Häschern, erschöpft und am Ende seiner Kräfte, findet Caspian Unterschlupf bei einer mysteriösen, alten Frau.“ Damit sorgst du dafür, dass der Leser direkt rätselt, worum es geht, und schwupps – schon ist er mitten in der Geschichte.
Du selbst existierst nicht! Ein Fehler, den besonders die jüngeren Autoren machen, sind Formulierungen wie: „Du willst wissen, wie es weiter geht? Lies selbst!“ bzw. „Wie es weiter geht, kannst du hier lesen.“ oder Ausführungen a la „Dies ist meine erste Geschichte, bitte seid nicht zu streng.“ Nein. In der Kurzbeschreibung plauderst du nicht aus dem Nähkästchen über deine Schreiberfahrungen, sondern du machst Werbung für eine epische Geschichte, die deine Leser von Anfang bis Ende miterleben können! (Anm. Ja, auch hier gibt es Ausnahmen, etwa wenn die Entstehungsgeschichte der Geschichte selbst neugierig macht. „Diese Geschichte habe ich von Anfang bis Ende geträumt. Ja, mit drei Handlungssträngen, Intrigen und sogar mit dem komplexen Kastensystem der Ritter! Und sie ist perfekt. Glaubst du nicht? Lies selbst!“)
Rechtschreibung! Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber lies deine Kurzbeschreibung aufmerksam korrektur. Bei einem derartig kurzen Text werden die Leser Rechtschreib- oder Grammatikfehler nicht so leicht verzeihen. Fehler im Klappentext bedeuten (für die Leser), dass der Fließtext noch schlimmer und damit unlesbar wird, dass von der Geschichte sowieso nicht viel zu erwarten ist. Ein einzelner Fehler wird womöglich noch großzügig übersehen, doch allgemein solltest du bei der Kurzbeschreibung gut darauf achten.
Lesen! Guck dir andere Kurzbeschreibungen an. Wenn du gerne Bücher liest, schau dir vor dem Lesen und nachdem du das Buch beendet hast, den Klappentext aufmerksam an: Was wird versprochen? Was vielleicht zu früh verraten? Was hat dich neugierig gemacht, was dir den Lesespaß verdorben? Und hat der Klappentext gehalten, was er versprochen hat? Wenn nein – stört es dich, wirst du deshalb in Zukunft nichts mehr von dem Autor lesen?
Schreiben, auch das Schreiben von Klappentexten, ist eine höchst intuitive Aufgabe. Es ist nahezu unmöglich, feste Regeln aufzustellen, denn alles kann unter den richtigen Umständen funktionieren. Genauso darf es kein festes Schema geben, nach dem Kurzbeschreibungen geschrieben werden – wenn die alle gleich aufgebaut sind, wird es natürlich schnell eintönig für die Leser und man hätte sein Ziel verfehlt. Kurzbeschreibungen sollen so individuell und fantasievoll wie deine Geschichte sein. Für meinen Symbionten hat es sich als gute Taktik erwiesen, die Kurzbeschreibung direkt zu Beginn zu verfassen, sozusagen als Notiz mit offenem Ende, und nach Fertigstellung der Geschichte nochmal anzupassen.
Ich hoffe, du hast ein paar Anregungen gefunden und vielleicht den ein oder anderen hilfreichen Tipp. Und jetzt, als Abschluss, gibt es noch die Kurzbeschreibung zu unserer fiktiven, dystopischen Liebesgeschichte, mit angewandten Tipps:
„In einer von Kriegen zerfetzten Zukunft trifft Simon, der menschenscheue und brillante Wissenschaftler, auf die Elitekriegerin Lara. Doch ihre keimende Liebe wird jäh auf eine entsetzliche Probe gestellt: Simon wird von der Waffenindustrie der Gegner entführt! Kann Lara ihren Geliebten retten, bevor dessen fortschrittliche Erfindungen eingesetzt werden – gegen Soldaten wie sie selbst es ist?“
Kleines Angebot: Du hast Schwierigkeiten mit einer Kurzbeschreibung? Was für ein Zufall, ich habe Schwierigkeiten, hier gute Beispiele zu finden! Ich möchte nicht einfach irgendwelche Kurzbeschreibungen nehmen, ohne zu fragen, und sie hier zerpflücken, aber manchmal hilft das ein oder andere Praxisbeispiel mehr als jede Theorie.
Wenn du möchtest, kannst du mir also Kurzbeschreibungen schicken, mit denen du unglücklich bist. Ich werde versuchen, diese gemeinsam mit dir zu verbessern und werde dich danach fragen, ob ich die alte Kurzbeschreibung, die neue Version und ein paar Notizen zu den Änderungen hier veröffentlichen darf. Natürlich gibt’s die Hilfe auch ohne, dass die Kurzbeschreibung veröffentlicht wird.