Seit dem Konflikt mit dem Slytherin hatte Harry den Slytherin nicht mehr gesehen. Inzwischen ist seitdem eine Woche vergangen, die er mit Ron und Hermine verbracht hatte. Aber zunehmend bemerkte er, wie die beiden etwas allein unternehmen wollten, da wollte er ihnen nicht im Weg stehen. Molly zeigte sich noch immer misstrauisch Harry gegenüber, wie auch Fred und George. Ron war sauer, was deutlich an seinem Blick und Verhalten gegenüber Harry erkennbar war, aber er wechselte mit dem Gryffindor kein Wort. Hermine hatte zwar häufig etwas mit Harry gemacht, sprach es aber nicht einmal an. Sie dachte sich ihren Teil. Und das Ganze nur, weil Harry nach dem Restaurantbesuch in Little Whinning herumgestreift war. Planlos, bis plötzlich Molly vor ihm stand, um ihn mit sich zu nehmen.
Harry hockte auf der Treppe des Fuchsbaus und sah seinen beiden besten Freunden hinterher, wie diese im Feld verschwanden. Und schon war er alleine. Vielleicht sollte er die Sache mit Draco wieder gerade rücken, denn eigentlich wollte er ihm ja helfen.
„Wir könnten ja was machen, Harry. Ich wollte sowieso raus gehen!"
Ginny ließ sich neben ihn sinken und sah zu Harry hinauf. Sie wirkte so aufgeblüht, dass Harry augenblicklich die Lust verging. Er hatte überhaupt keine Lust darauf etwas mit ihr zu machen, was nicht daran lag, dass er sie nicht mochte, sondern eher, dass ihm im Moment andere Dinge im Kopf rumgingen. Zum Beispiel Draco Malfoy.
„Tut mir leid, Ginny, aber ich muss noch etwas Dringendes erledigen. Schulsachen und so ..."
Ginny nickte verständnisvoll und stand auf. „Dann ein anderes Mal ..."
Harry nickte ratlos und sah der rothaarigen Hexe nach, wie sie zielstrebig über das Feld lief. Zu gerne wüsste er, wo sie hinging. Nur nicht heute. Erst einmal wollte er seinen Standpunkt klarstellen. Harry stand von der Treppe auf und lief eilig zu dem Kamin. Momentan war er der Einzige im Fuchsbau, da musste er sich nicht zwingend leise verhalten. Er nahm sich ein wenig Flohpulver aus der Dose neben dem Kamin und stieg hinein.
Nachdem er in der Winkelgasse gelandet war, schaute er sich orientieresuchend um. Er war vor Gringotts gelandet und ging zielstrebig zu dem alten Haus, in dem er Draco zwei Mal getroffen hatte. Innerlich hoffte er, dass Draco dort war. Denn falls nicht, hatte er keine Ahnung, wo er sonst nach dem Slytherin suchen sollte. Langsam schlüpfte er durch den eingefallenen Eingang und trat in die Dunkelheit.
Er ließ seinen Blick suchend durch den leeren Raum gleiten. Zu seiner Enttäuschung war der Slytherin nicht hier. Harry ließ sich auf der Fensterbank nieder und lehnte seinen Kopf gegen die kühle Wand, er schloss seine Augen.
Gab es noch mehr Plätze an denen sich Draco aufhalten konnte? Dem Gryffindor fielen keine weiteren ein. Dies war der einzige Ort.
Dennoch lief das gesamte Gespräch in Harry's Kopf retour. Er verstand nicht, warum Draco so hochgegangen war. Es war doch nichts Besonderes. Harry wollte bloß freundlich sein, wie er es immer tat.
Seufzend erhob Harry sich. Es war doch aussichtslos. Draco war innerhalb der drei Stunden, in denen Harry hier saß nicht aufgetaucht, als würde er jetzt auch nicht mehr auftauchen. Er würde dem Slytherin offenbar erst in der Schule sagen können, dass er ihm helfen würde. Mehr Varianten blieben ihm gar nicht übrig.
Seine Schritte führten ihn zum Ausgang des Hauses. Gerade als er hinaustreten wollte, prallte er gegen etwas Hartes. Im ersten Moment fühlte es sich an, wie im zweiten Schuljahr, als Dobby den Durchgang zu dem Gleis neundreiviertel gesperrt hatte. Dann aber als er seine Augen öffnete, erkannte er, dass er auf dem Boden lag und ihn graue Augen schockiert anstarrten. Ausgerechnet diese grauen Augen mit dem verzweifelten Funken darin, auf die er mehrere Stunden gewartet hatte.
„Potter ...", brachte Draco heiser über seine Lippen, während Harry erleichtert „Malfoy", ausstieß. Den pochenden Schmerz in seinem Kopf ignorierte Harry.
„Was fällt dir ein, mir an dem einzigen Platz, an dem ich alleine sein kann, aufzulauern!"
Ärgerlich schnaubte Harry auf. „Auflauern?! Ich wollte dir nur sagen, dass ich dir helfe!"
Erleichtert und überrascht setzte Draco sich auf und stieg von Harry runter, welcher sich ebenfalls aufsetzte und aufstand. Schweigend ging der Slytherin auf die Fensterbank zu, auf der Harry bis eben gesessen hatte. Er warf den Schwarzhaarigen einen fragenden Blick zu. „Lässt du mich alleine oder willst du jetzt etwa reden ...?"
„Du willst alleine sein?"
Harry wirkte verblüfft und überrascht zugleich, doch er ließ es sich keineswegs anmerken. Draco zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe und presste seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
„Was dachtest du denn, was ich hier will", schnaubte dieser verärgert.
Aber der Gryffindor wirkte nicht einen Hauch überrascht über Draco’s kühle Antwort. Er bewies trotz seiner Unsicherheit Mut und wechselte gekonnt das Thema.
„Was genau ist denn das Problem?", hakte er vorsichtig nach.
„Verdammt, Potter! Ist das nicht offensichtlich? Ich werde gezwungen, mich der dunklen Seite anzuschließen-".
„Und du willst nicht-?", fragte Harry überflüssigerweise nach.
„Natürlich will ich nicht! Was denkst du denn? Aber das ist eh unwichtig, es gibt keinen anderen Ausweg."
Der Gryffindor schüttelte seinen Kopf. „Es gibt immer einen Ausweg."
„Hier nicht! Sein Motto ist: Schließ dich an und lebe oder verweigere und sterbe. Du weißt, wie skrupellos er ist. Du weißt, dass er nicht zögern wird."
„Ich weiß."
Harry erhob sich von dem kühlen Asphaltboden und ging langsam auf Draco zu. „Ich werde dir dennoch helfen."
Draco richtete seine grauen Augen auf ihn. „Danke, Potter ..."
„Wobei genau brauchst du denn Hilfe?"
Harry zögerte ein wenig und wirkte noch unsicherer als vorher. Er senkte seinen Blick und knetete nervös an seinen Händen herum, die ziemlich schwitzig waren. Um nicht mit seinen Händen zu spielen, schob er diese in seine Taschen.
„Ich brauch Hilfe bei dem Auftrag."
Entsetzt sah Harry den Größeren an und schüttelte sofort seinen Kopf. „Ich werde dir nicht dabei helfen, Voldemorts Aufträge durchzuführen."
„Streng deine Gehirnzellen an, Potter! Ich brauche keine Hilfe für die Aufträge. Ich brauche jemanden, der für mich da ist und mich davon abhält abzubrechen. Jedem wäre mein Tod zwar so egal. Aber ich weiß, dass du loyal bist und immer alle retten willst. Ich brauche einfach jemanden, dem ich vertrauen kann, der mich durch die restlichen zwei Jahre boxt, jemanden, der mir Mut macht und mich zum Weitermachen zwingt, wenn ich aufgeben will."
Obwohl Draco‘s Stimme ehrlich klang, musterte Harry ihn kritisch. „Du traust mir? Was ist denn mit deinen zwei Handlangern passiert?"
„Verstehst du es denn nicht? Alle meiner Freunde sind in seiner Armee und Blaise will ich da nicht mit reinziehen. Du bist der Einzige, den ich bitten kann."
Noch immer zeigte der Gryffindor sich kritisch und glaubte Draco nicht ganz. Er runzelte seine Stirn und setzte sich auf die freie Fensterbank. Die Fensterbank auf der Harry saß, war ein Fenster von Draco entfernt. Allmählich brach die Dunkelheit ein, aber die beiden Schüler störte dies nicht im Geringsten. Harry lehnte sich gegen den betonierten Fensterrahmen.
„Was ist mit den anderen? Snape, Dumbledore oder irgendjemandem aus deinem Quidditch-Team?"
Draco beugte sich zu Harry hinüber und sah ihn geschockt an. „Wenn ich das einem Lehrer erzähle, flieg ich von der Schule und das bedeutet ebenfalls den Tod."
„Du bittest ernsthaft mich, dich bei deinen Aufträgen zu unterstützen, indem ich mich mit dir anfreunde?"
„Du bist halt der Einzige, dem ich da vertraue", rief Draco aus. Harry's Augen weiteten sich geschockt. Dann stand er auf und entfernte sich ein paar Schritte von Draco. „Ich mach's", seufzte Harry leise, „Aber du bist mir einen Gefallen schuldig."
Dann wandte Harry sich ab, über seine Schulter rief er: „Morgen Mittag, hier!"
Mit diesen Worten verschwand er aus dem verlassenen Haus.
Rechtzeitig kam Harry bei den Weasley‘s zum Abendessen an. Sekunden später öffnete sich die Haustür und allesamt traten hinein. Fred und George waren so aufgedreht wie immer. Ron und Hermine waren sich seltsam nah, was Harry aber automatisch auch ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte. Seit dem vierten Schuljahr hatte er bemerkt, dass zwischen den beiden etwas anders war. Ob die Beiden es auch bei ihm bemerkten? Hoffentlich nicht. Er half Draco zwar gerne, aber er hasste es, Geheimnisse vor ihnen zu haben.
Ginny schlich seltsam ruhig hinterher und bedachte Harry nur mit einem enttäuschten Blick. Harry konnte sich nicht erklären, was mit dem sonst so lebensfrohen Mädchen los war. Das erfuhr er auch nicht beim Abendessen, welches erschreckend ruhig ablief. Erst bei Ron im Zimmer, in welchem die drei besten Freunde zusammenhockten, erfuhr Harry es. Ron bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. „Was hast du Ginny angetan?!", murrte er ärgerlich.
„Ich?" Perplex sah Harry seinen rothaarigen Freund an. „Ich habe nichts getan. Ich habe ihr bloß gesagt, dass ich etwas erledigen musste und das war die Wahrheit. Ich bin kurz vor euch wieder hier gewesen."
Nun zeigte sich auch Hermine kritisch. Das konnte ja super werden in den zwei Jahren, wenn sich beide bereits nach zwei Tagen kritisch zeigten. „Harry es sind Ferien, was hattest du denn so wichtiges zu tun?"
„Lernen", erwiderte der Angesprochene beinahe beleidigt. Bei der kleinen Lüge verzog er keine Miene. Ron und Hermine wirkten überrascht, daher drehte Harry den Spieß einfach um.
„Und ihr? Es sind Ferien! Hermine, du würdest normalerweise Tag und Nacht lernen."
Hermine nickte leicht und warf einen unauffälligen Blick auf Ron, den Harry jedoch bemerkte. „Was ist los mit euch?", hinterfragte er das Offensichtliche. Aber keiner seiner beiden Freunde wollte ihm eine Antwort geben, beide schwiegen und sahen unbeteiligt auf den Fußboden. „Wenn keiner von euch beiden etwas sagt, kann ich schlafen gehen, scheint euch ja offenbar nicht so wichtig zu sein."
Der Schwarzhaarige erhob sich schwungvoll und steuerte eiligen Schrittes auf die Kiefernholztür zu. „Warte", rief Hermine.
Harry verharrte und wandte sich langsam um, er sah, wie Hermine Ron klagend ansah.
„Ist das euer Ernst? Ihr seid beste Freunde, jetzt redet miteinander."
„Man, da ist doch nichts! Hermine und ich waren bloß aus, nichts Besonderes, ein Treffen unter besten Freunden."
„Das glaub ich jetzt nicht, Weasley", zischte Hermine bedrohlich und warf ihm den wütendsten Blick zu, den sie drauf hatte.
„Wenn es nichts Besonderes war, warum sollte ich dann nicht mit?", hackte Harry bewusst nach und unterdrückte ein schelmisches Lächeln. Er legte Hermine eine Hand auf die Schulter und strich behutsam darüber. Harry wusste aus eigener Erfahrung, wie schnell Hermine an die Decke gehen konnte.
„Vergiss es", brauste sie kurzer Zeit später auf und verschwand aus dem Zimmer. Hinter sich knallte sie die Tür zu. Ron blinzelte verwirrt zu Harry rüber.
„Was ist denn jetzt?"
Anscheinend konnte er überhaupt nicht verstehen, weshalb Hermine so wütend war. Harry dagegen konnte es durchaus nachvollziehen und sah vorsichtig zu seinem rothaarigen besten Freund auf.
„Anscheinend hat sie mehr in das Nur-beste-Freunde-Treffen hinein interpretiert."
„Und wenn! Die soll sich nicht so anstellen", schnaubte Ron sauer. Der Schwarzhaarige nuschelte nur leise: „Besonders feinfühlig warst du ja noch nie."
„Was soll ich da feinfühlig sein?! Sie weiß, dass ich sie mag."
„Weiß sie das wirklich?", fragte Harry und hob leicht eine Augenbraue, ehe er fortfuhr: „Hast du ihr das je gesagt."
„Nicht direkt ..."
„Vielleicht solltest du es ihr dann einfach mal sagen, Ron ..."
Der Angesprochene nickte niedergeschlagen. Aber sogleich setzte er ein wissendes Lächeln auf und sah Harry an. „Und wer ist es?"
„Wer ist was?"
Der Schwarzhaarige war verwirrt und sah seinen besten Freund fragend an.
„Na, sie! Mit wem triffst du dich heimlich? Du tust das doch schon seit drei Tagen!"
„Ich ...", nuschelte Harry ertappt, hielt es dann aber für schlauer zu schweigen. Er musste dringend ein Alibi finden, denn seine besten Freunde durften unter keinen Umständen erfahren, mit wem er sich wirklich traf.
„Komm schon! Mir kannst du es doch sagen."
„Ron, da gibt es niemanden. Ich habe mich mit Hagrid in der Winkelgasse getroffen. Außerdem habe ich in den Ferien Nachhilfe bei Snape in Okklumentik."
„Du? Bei Snape, Nachhilfe?"
Ron runzelte seine Stirn und schüttelte darauf seinen Kopf. „Tut mir leid. Aber das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du deine Ferien für sowas opferst ..."
Und wenn du erst wüsstest, wofür ich sie wirklich opfere, dachte sich Harry.
„Ich habe es dir gesagt, ob du es glaubst oder nicht, ist dir überlassen."
Mit den Worten erhob sich Harry und ging zur Zimmertür. „Gute Nacht, Ron", murmelte er gähnend und verließ das Zimmer, schloss anschließend leise die Tür hinter sich, während er in sein eigenes Zimmer schlich.