Nach dem Vorfall im Bad der maulenden Myrte haben Harry und Draco sich nachts rausgeschlichen und haben die Nacht in der heulenden Hütte verbracht. Trotzdem war es nicht dasselbe. Es war einfach anders. Harry fühlte sich leicht unwohl und Draco schwieg die ganze Zeit. Es gab keine großartige Nähe außer einer schnellen, beiläufigen Umarmung. Als Harry ihn an der Schulter berührte, zuckte er zurück, anstatt er sich an Harry lehnte. Diese kleinen Dinge machten Harry gerade extrem fertig, aber er wollte nichts ansprechen und ließ es daher darauf beruhen.
Ein kleines sehnsüchtiges Seufzen verließ ungewollt seine Lippen und brachten Draco dazu, ihn anzusehen. Sein Blick wirkte allerdings nicht gerade freundlich, eher wirkte er total genervt und wütend. Der Slytherin schwieg allerdings weiterhin und starrte an die gegenüberliegende Wand etwas, was Harry nur noch wütender machte. Es dauerte allerdings nicht mehr lange, dann platze Harry der Kragen. Immerhin war er derjenige, der immer für Draco parat stand, ganz egal wann und wo. Wütend wandte er sich direkt an Draco. „Kannst du auch reden, verdammt?! Seit Weihnachten weichst du mir aus. Du redest nicht, gehst mir strikt aus dem Weg und ich habe dich seitdem nicht einmal lächeln sehen, was wirklich schade ist...“
Harry konnte sehen, dass Draco für eine Sekunde seine Augen aufriss und wirklich geschockt aussah, dann wurde er allerdings von einem heftigen Schluchzer überrannt und sein Körper erzitterte. Er kippte nach vorne und klammerte sich hilfesuchend an Harrys T-Shirt, während dieser ihn etwas überfordert festhielt, trotzdem aber für ihn da sein wollte. Harry sagte kein Wort, nicht einmal beruhigende Worte, da er das im Moment unangebracht fand. Er hatte das Empfinden, dass Draco nur gehalten werden wollte und genau das tat er. Nach gefühlt einer Stunde wurde es weniger und Harry brachte den Mut auf, etwas zu sagen. „Man.... Malfoy!“, nuschelte er liebevoll. „Du frisst alles in dich hinein, wirklich alles, du redest mit niemandem.. Und jetzt sag nicht das würde nicht stimmen! Es stimmt, schließlich wurde dein Lächeln und deine gesamte Ausstrahlung von Tag zu Tag geringer. Ich weiß, dass dein Leben wirklich schwer ist und du zwischen zwei Fronten stehst. Du musst am meisten durchmachen... aber alleine machst du dich nur selbst kaputt. Schade eigentlich... du hättest die Option zu reden und das weißt du, schließlich bin ich immer da!“
Harry spürte ein ganz leichtes Nicken an seiner Schulter und gab Draco daraufhin einen sanften Kuss auf die Wange. „Bald ist es vorbei, dann sind wieder Ferien...“
Wieder nur ein Nicken, aber dann hörte er Draco ein ganz leises „Ja“, nuscheln. „Na los... du hast bestimmt noch Sachen zu erledigen“, sagte Harry und machte Anstalten aufzustehen.
„Können wir bitte kurz noch so sitzen bleiben? Nur kurz...?“
„Solange du willst“, erwiderte der Gryffindor und fuhr sanft über Dracos Arm.
Und das taten sie. Bestimmt saßen sie noch eine Stunde dort, bis Draco wieder der Alte war. Er hatte sein Pokerface aufgesetzt und verließ ohne sich bei Harry zu bedanken den Raum. Etwas verdutzt über die plötzliche Wandlung sah Harry ihm nach, bis er kurz darauf auch die Heulende Hütte verließ und sich wieder auf den Weg nach Hogwarts machte. Er hatte heute noch einiges zu tun, zum einen wollte er am Abend mit seinen beiden besten Freunden bereits beginnen die Sachen zu packen und andererseits hatte Professor Dumbledore ihn in sein Büro geordert. Er fragte sich schon, was der Schulleiter von ihm wollte, vor allem da Harry nichts angestellt hatte. Bevor diese Dinge allerdings in die Realität umgesetzt werden konnten, stand erst einmal das Mittagessen an, erst im Anschluss daran würde Harry Dumbledores Wunsch nachkommen.
Als Harry in der großen Halle ankam, wunderte es ihn kein bisschen, dass Draco nirgends zu sehen war. Inzwischen war er es schon beinahe gewöhnt, den Slytherin kaum zu sehen. Das, was Harry fertig machte, war lediglich die Tatsache, dass Draco sich Stück für Stück immer mehr zerstörte, dadurch, dass er niemanden an sich heranließ. Aber bald würde es ein Ende haben!
Langsam ließ er sich neben Hermine sinken und warf ihr einen unschuldigen Blick zu, die verstand natürlich sofort und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Das wird schon wieder, Harry. Mach dir keinen Kopf.“
„Worüber redet ihr?!“, fragte Ron alarmiert nach und musterte beide eindringlich. „Über nichts“, erwiderten sie gleichzeitig und mussten durch den Zufall grinsen. Mit Ron war wieder alles beim Alten. Er war nicht mehr mit Lavender Brown zusammen, sondern mit Hermine. Nur Ron hatte keinen Schimmer, dass Harry und Draco wieder zusammen waren oder sich vertragen hatten, je nachdem wie man es sieht. Hermine war die Einzige die es wusste und auch die Einzige, die wusste, was Harry jeden Tag durchmachte und wie fertig Harry davon war. „Ok...“, grummelte der Rothaarige und schnappte sich eine Hähnchenkeule. „Bald sind Ferien... Überrasch ihn doch einfach- ihr braucht die Zeit zusammen“, flüsterte Hermine, dann fügte sie laut hinzu: „Ich muss noch lernen, kommt ihr nachher mit in die Bibliothek?“
„Ich hab ein Treffen mit Dumbledore. Er wollte mir irgendetwas Wichtiges zeigen.“
„Ich komm mit“, murmelte Ron und musterte Harry dabei, dieser ließ sich davon aber kein bisschen ablenken. Schließlich war Harry relativ schnell fertig, da er ohnehin keinen großen Hunger hatte. Er hatte Angst um seinen Freund und er war neugierig, was der Schulleiter von ihm wollte. Außerdem war er mit seinen Gedanken komplett woanders, denn Draco war schon wieder nicht beim Essen gewesen.
Er war mit einer der Ersten, die aufstanden und die große Halle verließen, wobei er der Einzige war, der in Richtung Dumbledores Büro ging anstatt in die Richtung des Innenhofs. „Harry, wie schön! Bitte komm doch rein“, sagte der Professor und machte eine einladende Geste in sein Büro. Nachdem er hineingetreten war, wandte er sich ihm zu. „Warum bin ich hier, Professor?“
„Du bist hier, Harry, weil ich einen wichtigen Gegenstand gefunden habe und ihn zerstören muss. Dafür brauch ich deine Hilfe.“
„Sir... ich verstehe nicht...“
„Harry, du weißt ja inzwischen, das Voldemord seine Seele gespalten hat, in sieben Teile-“
„Ja, die Horkruxe.“
„Richtig, Harry. Ich war innerhalb der letzten Wochen viel unterwegs, um diese Horkruxe zu finden. Und einen konnte ich tatsächlich aufspüren. Aber ich brauche dich als Hilfe, um ihn zu zerstören.“
„Ok...“ Harry nickte und sah den Professor an. „Was muss ich tun?“
„Du wirst mit mir reisen. Wir beide werden apparieren.“
„Aber Sir, das geht doch gar nicht ... man kann nicht von Hogwarts aus apparieren.“
„Ganz richtig. Der einzige Ort, von dem man das kann, ist der Astronomieturm.“
Harry gab ein einfaches Nicken von sich und folgte dem Professor durch das Schloss. Sie mussten eine Menge Treppen steigen und dunkle Flure entlang gehen. Sie redeten nicht, Harry wäre eine Unterhaltung jetzt aber definitiv lieber gewesen, denn momentan hatte er ein sehr unbehagliches Gefühl, was ihn mit jedem Schritt mehr einnahm. Ganz vornan war Draco. Er spürte einfach, dass Gefahr drohte und sein Freund mittendrin war. Trotzdem war es bloß ein Gefühl, er wollte jetzt auf keinen Fall mit dem Professor darüber reden und Panik ausbreiten. Oben angekommen war Harry sprachlos. Sie standen am östlichen Rand vom Hogwartsschloss und hatten einen gesamten Überblick über das Hogwartsgelände. Die Tatsache, dass es im Sonnenlicht funkelte, beeindruckte Harry noch mehr. „Nimm meinen Arm, Harry.“
„Aber-“
„Los!“
Die harte Stimme des Professors duldete keinen Widerspruch und so umfasste Harry den Unterarm des Professors. Kaum darauf wurde er von einem kleinen Schwindelgefühl eingeholt, was aber nicht so schlimm war, immerhin hatte er inzwischen schon öfters mit Draco appariert. Als er festen Boden unter den Füßen hatte, sah Harry sich um. Viel zu sehen gab es allerdings nicht. Sie befanden sich auf einer ziemlich kleinen Insel. Rundherum war nichts als Wasser und direkt vor ihnen ragte ein größerer Fels in den Himmel. „Professor... was tun wir hier?“
„Hier, Harry, hier befindet sich ein Horkrux.“
Das unsichere Gefühl breitete sich weiter aus, aber er folgte dem Professor durch den dunklen Höhleneingang. Sehenswertes gab es hier nicht. Es war dunkel und lediglich ein schmaler Durchgang. „Hier müsste es sein...“, murmelte Dumbledore und betastete mit seiner Hand die Wand. Harry beobachtete jeden seiner Bewegungen, dann zog er plötzlich ein Messer und setzte es an sein Handgelenk. Erschrocken sprang Harry dazwischen. „Professor!“
„Diese Tür öffnet sich nur mit Blut.“
„Dann lassen Sie es mich tun.“
„Nein Harry. Du brauchst deine Kraft noch für später, du bist jung und hast noch viel vor dir. Ich bin ein alter Mann.“
„Aber-“
Mit einer einfachen Handbewegung brachte er Harry zum Schweigen und zog das Messer über seine Haut. Das Blut war durch die Dunkelheit kaum erkennbar, aber als die Tür sich quälend öffnete, wusste Harry, das es funktioniert hatte. Schweigend folgte er dem Professor und fand sich am Rand eines Sees wieder. „Siehst du da hinten? Dort muss es sein. Wir müssen dort rüber.“
Kaum hatte Dumbledore das ausgesprochen, tauchte ein kleines Holzboot aus dem Wasser auf. Groß genug für zwei Personen.
Sie stiegen ein.
Als sie auf dem Stein angekommen waren, stellte sich die Theorie des Professors als richtig heraus. Der Horkrux befand sich in einem Becken, aber sie konnten nicht einfach so herankommen. „Das Wasser muss getrunken werden...“
„Ich machs“, sagte Harry. „Nein! Ich tu es. Du musst mich dazu animieren, alles zu trinken. Sicherlich ist das Wasser verzaubert und ich werde mich weigern, es zu trinken. Du musst mich dazu bringen, egal wie!“
Die Stimme des Professors duldete keinen Widerspruch und so nickte Harry nur. Er war sehr damit beschäftigt der Aufgabe des Professors nachzukommen, da bahnte sich das zweite Problem an. Aus dem Wasser kamen mehrere Geschöpfe, welchen Skeletten glichen. Mithilfe eines Zauberspruchs konnte er die Geschöpfe fernhalten, aber es wurden immer mehr und auch Dumbledore weigerte sich zunehmend mehr von diesem Wasser zu trinken. Harry sah, wie es ihm mit jedem Schluck schlechter ging und am Liebsten hätte er ihm nachgegeben. Er fühlte sich schlecht, ihn dazu zu zwingen vor allem, als er Harry vorwurf gemein zu sein. Sein Herz zog sich zusammen und er musste seine Tränen zurückhalten. Nichts wünschte er sich jetzt mehr, als in Dracos Armen zu liegen. Die Geschöpfe hatten die ersten Steine überwunden und standen kurz vor ihm. Genau in dem Moment war Dumbledore fertig, Harry schnappte sich die Kette und fasste wieder an dem Arm vom Professor. Diesmal musste er apparieren, was für ihn kein Problem darstellte, schließlich hatte er geübt.
Sie kamen heile auf dem Astronomieturm an und Harry verabschiedete sich, stopfte die Kette in seine Tasche und lief die Wendeltreppe hinunter. Dann hörte er jedoch Schritte und Stimmen und er versteckte sich gerade noch rechtzeitig hinter einer Säule.