Author's Note:
Dieses Kapitel stammt aus der Feder der wunderbaren
FrauElster.
Ich bin unheimlich glücklich, dass sie sich an dem Adventskalender beteiligt hat.
Vielen Dank für deine Mitarbeit, meine Liebste. ♡
❆ One Shot
❆ Charaktere: Haley
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8. Dezember
Zu Hause
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Motorengeräusch, eine Rettungswagensirene, die im Hintergrund näher rückte, quietschende Reifen, wenn wieder einmal jemand das Rot der Ampel als Kirschgrün gewertet hat, Hupen, Lärm und Dank dem Pärchen, das vor ihr lief, auch noch Passivraucher.
Haley hustete demonstrativ und wedelte sich mit der Hand vor dem Gesicht herum, aber natürlich bekam sie keine Reaktion. Wie auch? Wahrscheinlich war sie für das Pärchen nur irgendeine Fremde mit trockenem Reizhusten. So war das in Zuzu City. Man war anonym. Niemand schenkte einem Beachtung. Es sei denn… ja, es sei denn man legte es darauf an. Haley legte es darauf. Sie legte es immer darauf an, wenn sie in der Großstadt war. Und sie liebte es. Sie liebte, wie sie mit der richtigen Kleidung die erwünschte Zielgruppe ansprechen konnte. Es war ein bisschen wie Karneval für die Modischen.
Während Haley darüber sinnierte, wie sehr sie es in der Großstadt mochte, achtete sie nicht auf ihre Umgebung und landete zielsicher mit dem nächsten Schritt im Schnee. „ ‚Schnee‘“, dachte sie angewidert, als sie ihren bepelzten Fuß aus der grau-braunen Schneepampe am Wegesrand zog. Die kalte Masse begann bereits in ihre Schuhe zu sickern. Sie fröstelte und suchte die Straße ab. Das wäre eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um sich aufzuwärmen. Ihre Augen blieben an einem kleinen Hipstercafé hängen. Sie musste nicht auf die Preisliste gucken, um zu wissen, dass sie hier für einen Chai Latte 7g zahlen würde. Aber es war ihr egal. Sie hatte das Geld und das Café sah gemütlich aus. Ein Ort, an dem sie warm werden und gesehen werden konnte.
Sie hatte sich extra einen der Fensterplätze erobert, nachdem sie ein Mädchen, das offensichtlich versetzt worden war, zuckersüß gefragt hatte, ob noch jemand nach komme und das Mädchen darauf hin niedergeschlagen die Fläche geräumt hatte. Jetzt präsentierte sich Haley im Fenster und trank ihren Chai Latte. Er war nicht so gut wie Emilys, bei weitem nicht. Aber er war warm und sie konnte ihre klammen Finger um das heiße Glas legen. Es war noch nicht ganz 17 Uhr, aber es war schon dunkel. Haleys Blick wanderte von der Inneneinrichtung des Cafés nach draußen auf die Straßen. Sie waren grell erleuchtet. Überall war Deko für das nahende Feast of the Winter Star angebracht. Jedes Jahr schien ein Lichterkampf in der Stadt zu wüten. Die Läden, Cafés und Geschäfte mussten mit den Ampeln, Scheinwerfern, Handydisplays und Buden in den Straßen um das blinkende Vorrecht, gesehen zu werden, kämpfen. Wenn Haley ihren Blick nur etwas weniger fokussierte, verschwamm alles zu einer leuchtenden Masse, die in den Augen stach.
War natürlich auch blöd. Warum stellte sie ihren Blick auch unscharf, wenn das Lichtermeer mit fokussiertem Blick viel besser zu betrachten war. Sie schaute wieder in das Café und machte fast sofort Blickkontakt mit einem jungen Mann. Er lächelte. Sie lächelte. Sie schlug die langen Wimpern nieder. Er schmunzelte in sein Getränk. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er trank den letzten Rest seines Kaffees. Sie begann, sich zu langweilen. Er erhob sich. Sie stürzte ihren Chai hinunter und flüchtete aus dem Café, bevor es zu dem ewig gleichen Kontakt kommen konnte.
Hi. Bist du oft hier? Ich hab dich noch nie/schon öfter hier gesehen. Dein Lächeln ist wunderschön. Wäre es okay, wenn ich mich zu dir setze? Ich bin übrigens [bitte hier einen Allerweltsnamen einfügen].
Es war anstrengend. Haley wusste nicht, wieso sie den Kontakt aufgenommen hatte. Gewohnheit wahrscheinlich. Ohne es zu merken, trugen ihre Schritte sie zum Bahnhof, zum richtigen Gleis. Noch eine halbe Stunde bis der nächste Zug kam, der sie nach Pelican Town bringen würde.
Wieder saß sie am Fenster und beobachtete, wie das grelle Lichtermeer der Großstadt, den Dekorationswettkämpfen der Vorstadt wich, auf die dann vereinzelt hin und wieder ein Landhaus mit Kerzen in den Fenstern folgte und dann war erstmal Ruhe. Stille. An diesem Punkt waren die meisten Passagiere ausgestiegen. Nur noch wenige saßen in den Abteilen, vermutlich fuhren sie bis zur Endstation.
Haley atmete auf und lehnte ihren Kopf gegen die Scheibe, um besser hinaus zu sehen, ohne sich vom Licht des Waggons stören zu lassen. Wälder und Wiesen zogen schnell an ihr vorbei. Innerlich zählte sie die Stationen ab, bis sie endlich wieder zu Hause ankommen würde.
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Als ihre nun wieder trockenen Schuhe das Bahngleis von Pelican Town berührten, knirschte der Schnee herrlich unberührt. Während sie den Weg vom Berg zurück ins Dorf nahm, lächelte sie hin und wieder und sprang in große Schneewehen, die unberührt waren. Ihre Füße wurden wieder nass, aber es störte sie nicht. Als sie sich, für ihre Verhältnisse, ausgetobt hatte, näherte sie sich bereits dem Haus von Robin und ihrer Familie. Es war dunkel, aber in den Fenstern leuchteten altmodische Schwippbögen, hundertprozentig von Robin selber geschnitzt. Es sah toll aus. Das sanfte Leuchten der Fenster bildete einen wunderbaren Kontrast zum dichten Wald, in dem sie sich befand. Einfach schön. Haley sog dieses Bild und das aufkommende Gefühl von Heimeligkeit tief in sich ein. Winter im Dorf war doch irgendwie anders als Winter in der Stadt. Nicht besser, vielleicht, aber anders.
Beschwingt schritt sie weiter, atmete die kristallklare Luft, kam an dem alten Community Center vorbei und konnte von der Klippe herab bereits in der Ferne die Lichter des Night Markets am Strand funkeln sehen. Als sie die Straße zu ihrem Haus einschlug, blieb sie kurz stehen und zögerte. Sollte sie hin gehen? Morgen könnte sie auch noch gehen, aber irgendwie hatte sie das Bedürfnis, jetzt hin zu gehen.
Haley strich ihre Kleidung glatt, richtete ihre Mütze und warf einen Blick in ihren Handspiegel, ob ihr Mascara verwischt war. Es saß alles noch so, wie es sitzen musste. Zufrieden gestellt war sie bereit für das Dorfgetümmel. Sie hatte kaum drei Schritte im licht- und lärmüberfluteten Sand getan, da hörte sie schon wie ihre Schwester sie begeistert rief. Sie wandte den Kopf und sah Emily mit einem Becher Kaffee auf sie zu kommen, der schon aus der Ferne stark nach Pams Spezialmischung roch.
„Haley! Da bist du ja endlich. Wie war die Stadt? Hast du etwas eingekauft? Oh sag nichts. Ist es ein Geschenk für mich? Ich will es gar nicht wissen. Komm mit! Gus steht dadrüben.“ Und der Wirbelwind, mit dem Haley blutsverwandt war, zog sie in Richtung der Stände. „Schau, ich verkaufe meine Kristalle. Der Kaffeestand ist da vorne, falls du noch mehr möchtest und Pam läuft mit ihrem Flachmann ebenfalls hier herum, wenn du deinen Kaffee extra stark möchtest. Sam verkauft Gitarrenplektren, aber irgendwie gehen sie nicht so gut. Dieser piekfeine Maler Luigi, oder wie er heißt, ist auch da. Oh und Robin hat sich mal wieder selbst übertroffen mit ihren Holzarbeiten.“
Haley lächelte in sich hinein und dachte an die Schwippbögen, die sie gesehen hatte, während ihre Schwester weiter redete. „Gus, guck mal, wenn ich gefunden habe.“
„Haley!“ Der Mann freute sich wie immer, wenn sie sich blicken ließ. „Wie schön. Gut siehst du aus. Hast du im Schnee getollt? Du hast ja ganz rote Bäckchen.“
Haley schnaubte und winkte mit der Hand ab. „Als ob. Du kennst mich doch.“
Emily lachte und wuschelte ihre Haare durch. „Pff. Wir kennen dich besser als du glaubst.“
„Das bezweifle ich“, erwiderte Haley, kam aber nicht drum herum beschämt zu grinsen. Das entging ihrer Schwester natürlich nicht, die sie einfach nur anstrahlte und sich dann bei ihr einhakte. Haley nahm einen viel zu großen Schluck Kaffee, um nicht weiter reden zu müssen und verschluckte sich prompt. Während sie puterrot anlief und hustete, klopfte Emily ihr wohlwollend auf den Rücken. „Wollen wir uns die Stände ansehen?“
„Musst du nicht auf deinen aufpassen?“
„Ach was, wer würde hier denn klauen. Gus, kommst du auch mit?“
„Geht ihr mal vor, ich wollte eben bei Evelyn und George vorbei sehen.“
Emily nickte, zufrieden mit seiner Antwort und zog Haley mit sich. Mehr als bereitwillig folgte sie ihr, ließ das Lichtermeer mit der Nacht und den Geräuschen des Meeres zusammen auf sich wirken. Quatschte mit ein paar Dorfbewohnern. Trank ihren Kaffee, der viel zu heiß war, aber irgendwie auch genau richtig. Genoss den Winter im Dorf mit dem weißen Schnee und der klaren Luft. Lächelte breit, weil sie ihrer inneren Zufriedenheit einfach Raum geben musste. Zu Hause war es doch einfach am schönsten.
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