Oh, je. Mein Kopf dröhnt. Der Abend gestern war einfach nicht meiner. Erst lief ja noch alles gut solange Jamie in meiner Nähe war. Aber dann....ich hätte einfach auf die letzten Whiskey verzichten sollen.
Unter der Dusche kommt die Wut auf meine Mutter wieder hoch. Sie sollte sich in nächster Zeit lieber nicht bei mir blicken lassen. Man bin ich froh, dass ich nach New York fliege und ihr da hoffentlich nicht begegne. Was erlaubt sie sich eigentlich?
Und dann ist da die Angst. Die Angst vor der Begegnung mit Jessica. Dabei hab ich mir ja nichts vorzuwerfen. Oder doch. Sicherlich wird sie die Sache mit Claire schon mitbekommen haben. Mist aber auch. Nicht gerade der Eindruck von mir, den ich ihr gerne vermitteln möchte.
Mit ziemlichen Grummeln im Bauch und Herzklopfen, dass ich eigentlich bei mir gar nicht kenne, stehe ich am Samstag Vormittag vor dem Neubau in dem Jess Wohnung ist. Sie wohnt ganz nett, hier am Rand von München. Nachdem Jamie mich am S-Bahnhof raus geschmissen hat, bin ich mit der Bahn hier heraus gefahren. Zum Flughafen ist es noch ein paar Stationen, aber die Gegend liegt wirklich sehr gut angebunden. Hier stehen überall neue 6stöckige Gebäude im Bauhausstil. Das oberste Stockwerk hat einen Balkon rundherum. Scheinen mir schöne Wohnungen zu sein.
Ich drücke auf die Klingel mit ihrem Namen und es vergeht eine kleine Sekunde bis der Türöffner betätigt wird. Mit dem Aufzug fahre ich in den 6. Stock. Ganz nach oben. Wie bei mir in New York. Nur das es dort 20 Stockwerke sind.
Jess steht schon an der Türe, als ich aus dem Aufzug aussteige. Kurz lasse ich meinen Blick schweifen. Sie trägt eine schwarze Leggins und eine ziemlich bunte Tunika. Aber auch darin sieht sie einfach super aus. Ihre Haare sind hochgesteckt und sie ist kaum geschminkt. Ich lächle sie an und bekomme ein wunderschönes Lächeln zurück. Jetzt mit Chucks an den Füßen sieht sie viel zierlicher aus, wie bei unserem Abendessen. Ihr Lächeln erleichtert mich. Es geht ihr wohl schon besser und ich darf wohl hoffen, dass sie mir nicht böse ist.
„Schön, dass Du da bist, De.“ So nennt nur sie mich. Und, um ehrlich zu sein: Ich will es auch von niemand anderem hören.
„Danke, dass Du mir überhaupt noch auf machst.“ gebe ich meine Befürchtung preis und schaue dabei auf den Boden. Ich hab ein schlechtes Gewissen, obwohl ich das nicht haben müsste. Schließlich habe ich den Mist nicht verzapft.
„Lass uns später darüber reden.“ würgt sie mich direkt ab und bittet mich in ihre Wohnung.
„Wie Du es willst.“ sage ich leise. Ein bisschen komme ich mir vor wie als Kind, wenn ich vor Maggie stand und irgendeine Missetat beichten musste.
„Ich zeig Dir erstmal Dein Zimmer.“ Sie geht vor und öffnet eine Türe an der rechten Seite des Flurs. Dahinter verbirgt sich ein typisches Gästezimmer. Zweckmäßig eingerichtet. Das Bett ist 1,40 breit und zieht gemütlich aus.
„Das Bad müssen wir uns teilen. Ich hoffe, Du hast kein Problem damit.“ Wieder lächelt sie und beruhigt mich damit ungemein.
„Es wäre nicht das erste Mal, dass ich Dich nackt sehe und wenn ich an unser gemeinsames Projekt denke, dann wird es wohl auch nicht das letzte Mal sein.“ Ups, das hätte ich wohl besser nicht gesagt. Sofort verändert sich ihr Gesichtsausdruck.
„Du hast ein kleines Mädchen gesehen. Neutrum, wenn überhaupt. Außerdem hab ich damit nun echt kein Problem. Sonst hätte ich wohl nicht ja zu unserem Dreh gesagt.“ stellt sie klar und schaut mir dabei fest in die Augen.
„Irgendwie seltsam die Vorstellung, nackt mit Dir in einem Bett.“ spreche ich meine Gedanken aus.
„Seltsam? Ja, stimmt wohl.“
„Wir können ja ein bisschen üben.“ sage ich und zwinkere ihr zu.
„Das hättest Du wohl gerne.“ Sie lacht wieder so schön. „Komm ich zeig Dir die Wohnung.“ lenkt sie von unserem Thema ab.
Ihr kleines Reich, wie sie es nennt, gefällt mir sehr gut. Der Wohnraum mit angrenzender offener Küche erstreckt sich über die ganze Wohnungslänge. Davor liegt eine große Dachterrasse. Dort hat sie einen Strandkorb stehen. Wenn es draußen nicht regnen würde, dann wäre das jetzt mein bevorzugter Platz.
„Wirklich schön hier. Wie lange wohnst Du schon hier?“ frage ich sie, während sie zwei Gläser aus ihrem Schrank holt und uns beiden einen Wasser einschenkt.
„Als klar war, dass meine Rolle ausgebaut wird und ich länger hier zu tun habe, da hat meine Produktionsfirma diese Wohnung hier für mich gefunden. Sie und ein Großteil der Einrichtung gehören denen. Ich zahle nur Verbrauchskosten. Das ist ein super Deal.“
„Du scheinst es ihnen Wert zu sein.“ stelle ich fest und sie reicht mir eines der Gläser.
„Das hoffe ich doch. Allerdings…Mitte Januar muss ich sterben.“ das klingt traurig.
„Was?“ hake ich nach.
„Meine Rolle wird erschossen. Von einer durchgeknallten Nebenbuhlerin.“ erklärt sie mir und nimmt einen Schluck Wasser.
„Das heißt Du kommst in die Staaten zurück?“ frage ich sie. Das wäre super. Woher nur kommt dieses Gefühl? Dieses leichte Stolpern meines Herzens kann ich nicht ignorieren.
„Nachdem wir ja hier drehen, habe ich beschlossen mir ab April eine Wohnung in Berlin zu nehmen. Ich hab die auch schon. Eine Kollegin geht nach Köln und ich übernehme ihre Bleibe. Ich werde zwei Filme drehen in Babelsberg. Eine Hollywood-Produktion mit Henry Cavill und eine eventuell eine Mini Serie fürs Deutsche Fernsehen.“
„Du bist gut im Geschäft.“ Das freut mich für sie, schade nur, dass sie hier in Europa bleibt.
„Mum sucht nach Projekten zu Hause. Aber das ist gar nicht so einfach. Deswegen bin ich Jamie dankbar für die Chance.“ Man sieht ihr an, dass sie enttäuscht ist über diesen Zustand. Sie scheint ihre Eltern zu vermissen.
„Jamie hält sehr viel von Dir.“ versuche ich sie aufzumuntern.
„Das freut mich.“ gibt sie zu.
Es entsteht ein Moment der Stille. Sie geht in die Küche. „Magst Du einen Kaffee? Oder Tee?“
„Kaffee ist super.“
„Latte, Cappuccino, Espresso?“
„Wenn Du so fragst, dann gerne einen Macchiato.“
„Kommt sofort. Mach es Dir bequem. Magst Du irgendwas unternehmen. Trotz des Wetters?“
„Vorschläge?“ frage ich sie.
„Deutsches Museum? Super interessant. BMW World - nicht nur ein Männerding. Olympia Turm.“
Ich denke einen Moment nach und sage dann: „BMW World.“ Das könnte interessant werden. Ich bin wie jeder Mann begeistert von Autos. Und deutsche Fabrikate sind nun mal besonders gut. Richtig schöne Autos mit begeisternder Technik.
„Gute Wahl. Da kommen wir mit der Bahn hin.“ Sie holt ihr Handy raus und scheint irgendwas zu suchen: „Ich bin immer froh, wenn ich meinen Wagen stehen lassen kann. Erzähl mal: Wie ist die Location, die Du Dir angesehen hast?“
Während Sie weiter auf ihrem Handy rum tippt gebe ich ihr die gewünschte Auskunft: „Ideal für unseren Film. Ein Schloss mit tollen Zimmern, die sich super als Kulisse eignen. Alles da, was wir brauchen. Und in Baden-Baden können wir tolle Außenaufnahmen machen. Ich hab mir auch die Hütte angesehen, die Beth und Phil nach dem Anschlag beziehen. Echt urig und unmittelbar beim Schloss.“
„Hört sich super an.“ meint sie und legt ihr Handy zur Seite. Sie kommt hinter ihrem Küchentresen hervor und reicht mir den Kaffeepot. Er riecht köstlich und …schmeckt auch so.
„Konntest Du die ausgefallenen Szenen nachdrehen? Es tut mir so leid, was Mum da verzapft hat.“ Ich glaube sie kann mir mein schlechtes Gewissen ansehen.
„Ich werde Montag alles nachdrehen. Sonst hätte ich heute ans Set gemusst. Das wollte ich nicht.“ beruhigt sie mich.
„Das es Dich so aus der Bahn geworfen hat?“ stelle ich eine indirekte Frage, die sie mit einer Handbewegung direkt wegwischt.
„Lass gut sein, Dean. Ich hab mit Mum gesprochen. Sie wird sich Gloria vornehmen. Darauf kannst Du Dich verlassen. Sie hat sich all die Jahren so viel gefallen lassen, jetzt hat sie aber den Bogen definitiv überspannt.“
„Das hört sich an, als gäbe es Dinge, von denen ich keine Ahnung habe.“ Was ist damals passiert? Immer mehr manifestiert sich dieser Gedanke in meinem Hirn. Und immer mehr hoffe ich bald Antworten zu finden.
„Offensichtlich. Meine Eltern sind immer davon ausgegangen, dass Du keine Ahnung hast, was Deine Mutter so hinter Deinem Rücken treibt.“
„Wie meist Du das?“ Anscheinend weiß sie mehr als ich.
„Ganz ehrlich Dean. Ich will darüber nicht reden. Nach ihrem Besuch hier, ging es mir ziemlich schlecht. Wenn Du nicht darauf bestehst, dann würde ich das Thema gerne auf ein anderes Mal verschieben.“ Warum lässt sie sich so von meiner Mutter verunsichern?
„Einverstanden. Ich hab mit Deiner Mum abgemacht, dass ich mich bei ihr melde, wenn ich wieder in LA bin und wir uns treffen. Ich werde sie fragen. Konzentriere Du Dich auf Deinen Job. Ich will nicht, dass Du Ärger bekommst, wegen mir.“
„Ärger ist es nicht gewesen. Aber diese Soap ist ziemlich eng berechnet. Wir können uns Ausfälle wie meinen eigentlich nicht leisten. Gott sei Dank waren ein paar Kollegen so gut vorbereitet, dass man andere Drehs vorgezogen hat.“ beruhigt sie mich ein wenig.
„Aber Du hast wirklich geglaubt ich würde mit Dir zu Abend essen und am nächsten Tag meine Mutter schicken um Dir klar zu machen, dass ich nicht mit Dir drehen will? Traust Du mir wirklich so wenig?“ Ich wollte ihr eigentlich keine Vorwürfe machen, aber irgendwie verstehe ich es nicht und es macht mich traurig, dass sie mir so etwas zutraut.
„Deine Mum war ziemlich überzeugend. Außerdem hat Jamie Dich ziemlich überrascht. Du hattest keine Zeit Dir wirklich Gedanken zu machen. Ich dachte vielleicht ist Dir nach dem Abendessen klar geworden, dass es keine gute Idee ist. Das Du doch nicht mit mir Spielen willst. Und dann hast Du auch nicht auf meine Nachrichten geantwortet.“
„Ich war unterwegs. Hab nicht drauf geschaut.“ entschuldige ich mich.
„Außerdem war es nicht das ersten Mal, dass Deine Mum wegen sowas mit mir geredet hat“
„Was hat sie?“ fast hätte ich meine Tasse fallen lassen. Nicht das erste Mal?
„Sie hat das schon mal abgezogen. Nicht exakt so, aber…“
„Davon weiß ich nichts. Ich hab nicht mal mitbekommen, dass Du überhaupt spielst.“ Ich weiß, meine Stimme ist viel zu laut. Sie reagiert erschrocken.
„Ich war damals 18. Also vor 5 Jahren. Sie suchten Frauen in meinem Alter, die Deine College-Freundinnen spielen sollten.“
„Bei ‚University Inside‘?
„Ja. Es ging um ein paar Party Szenen. Nichts weltbewegendes.“
„Ich hab Dich dort nicht gesehen.“
„Kannst Du auch nicht. Sie hat alles daran gesetzt, dass ich den Job nicht bekam. Da aber die Produktion mich nicht rausnehmen wollte, ist sie zu mir gekommen.“
„Und Du hast den Schwanz eingezogen?“ Ich fass es nicht.
„Mum hat damals so entschieden. Und das war gut so. Ich war…das…das erzähl ich Dir ein anderes Mal.“
„Was Jess?“ will ich wissen. Irgendwas ist da doch? Warum fängt sie mit sowas an und redet dann nicht weiter?
„Bitte De, nicht. Ich kann, nein ich will Dir nichts von damals erzählen. Aber das damals war auch ein Grund, warum Mum geschaut hat, dass ich in Deutschland drehen konnte.“
Ich gehe auf sie zu. Nehme ihr Gesicht in meine Hände:„Du kannst mir alles erzählen Jess. Vertrau mir.“ fordere ich sie auf und ich verstehe selbst nicht, warum mir das so wichtig ist.
„Nicht heute.“ sagt sie mit Nachdruck und macht sich von mir frei. Damit ist das Thema wohl vom Tisch. Ich werde wohl doch Maggie fragen müssen.
Eine Stunde später sind wir mit der Bahn auf dem Weg zur BMW Welt. Leider ist mein Gesicht auch in Deutschland nicht unbekannt. Ich mache ein paar Selfies mit zwei jungen Frauen, die mich erkannt haben. Außerdem wird rund um uns herum getuschelt und zu guter Letzt bekommen wir freien Eintritt in die BMW Welt im Gegenzug zu einem Foto, das sie auf ihren Social Media Kanälen posten.
Gemeinsam mit Jess schaue ich mir die gesamte Ausstellung an. Alles wirklich super interessant. Das Z-Modell von James Bond hat es mir besonders angetan. Aber was mich am meisten freut: Jess scheint auch eine Schwäche für schöne Autos zu haben. Sie kennt viele Modelle. Zum Abschluss machen wir beide ein Foto im Formel Eins Auto von Nico Rossberg, dem Weltmeister. Sie schickt es an ihre Eltern und diese senden prompt ein Smile zurück.
„Was hältst Du davon, wenn wir einkaufen gehen und dann kochen wir zusammen was. Oder bist Du eher der Typ Tiefkühlpizza?“ macht sie mir einen Vorschlag, den ich schwer abschlagen kann. Auch wenn es bedeutet, dass wir uns noch länger in der Öffentlichkeit aufhalten.
„Nein, ich koche mit Leidenschaft. Das hat was von Meditation.“
Sie lächelt wissend: „Geht mir genau so. Selbst nach einem anstrengenden Drehtag koche ich mir ganz oft selbst was.“ Das allerdings tue ich nicht. Aber ich bin auch selten zu Hause nach einem solchen Tag. Manchmal sind wir sogar so weit weg vom nächsten Restaurant, dass nur das Catering unseren Hunger stillen konnte.
„Auf was haben Madame denn Lust?“ frage ich sie.
„Lasagne?“ Gute Wahl.
„Hört sich gut an.“
Auf dem Heimweg zu Jess kaufen wir alles ein. In einem Weinladen lassen wir uns beraten und wählen schließlich einen kalifornischen Shiraz. Irgendwie komisch. Aber die deutschen Weine haben uns beide nicht überzeugt.
Das Kochen mit Jess war sehr entspannend. Wir haben uns ganz schnell geeinigt, wer was macht und so hatten wir schnell alles vorbereitet, was Jess dann in eine Auflaufform schichtete. Den Mozzarella streute ich dann drüber und schob das wirklich lecker riechende Gericht in den Backofen.
Da wir jetzt ca. eine halbe Stunde Leerlauf haben, entscheide ich mich dazu, mich frisch zu machen und in andere Klamotten zu steigen. „Jess. Ich geh kurz unter die Dusche, wenn Du nichts dagegen hast.“
„Mach das. Ich decke schon mal den Tisch und mach den Wein auf.“ Ich gebe ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe und lasse sie alleine in der Küche zurück. Kurz vor der Türe zum Gästezimmer drehe ich mich nochmal um und schaue direkt in ihre wunderschönen Augen. Das alles hier fühlt sich so verdammt gut an.
Nachdem ich geduscht hatte, ziehe ich mir eine Jeans über und einen bequemen Pulli. Die Füße lasse ich nackt. Jess Wohnung hat Fußbodenheizung und ich liebe es auf blanken Sohlen zu laufen.
Sie hat den Esstisch gedeckt und Musik an gemacht. Es sind deutsche Songs, deren Texte ich nicht verstehe. Aber die Musik ist super. Jess hantiert in der Küche. Die Lasagne müsste jeden Augenblick fertig sein. Auf dem Tresen liegt ihr I Pad.
„Seit wann hast Du was mit Claire?“ fragt sie mich und ich falle aus allen Wolken. Da mein Blick wohl sehr fragend ist zeigt sie aufs IPad. Ich berühre es und sehe die Schlagzeile und das Foto. LA Times. So ein Mist!
„Stimmt also, dass Du all Deine Co-Stars knallst.“ Ihre Stimme klingt angepisst.
„Mehr oder weniger.“ antworte ich wahrheitsgemäß. Ich glaub, ich könnte sie niemals anlügen.
„Wie willst Du dann unsere Dreharbeiten durchstehen?“ Ihr Blick ist offen und sie wartet ab.
„Mach Dir darüber mal keine Gedanken.“ versuche ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht das Thema zu beenden.
„Da steht, dass mit Dir und Claire sei was Ernstes?“
„Behauptet sie das?“
„Keine Ahnung. Ich sag nur was da steht. Offensichtlich ist sie Dir ja nach Baden-Baden gefolgt. Das tut man nicht, wenn es nur eine Affäre während der Dreharbeiten ist.“
Puh, jetzt muss ich mir auch noch diese Scheiße antun. Ich war froh Claire los zu sein. Und nun das. Ich hab so gar keine Lust mich bei Jess für mein Liebesleben zu rechtfertigen.
„Claire bildet sich etwas ein, was es nicht gibt und ich glaube meine Mum befeuert das ganze noch. Sie koordiniert die Pressetermine für ‚Snowland‘ immer so, dass wir zusammen erscheinen. Mum beschwört immer den Einfluss von Claires Vater.“
„Du willst also nichts von ihr?“ Es scheint sie ehrlich zu interessieren.
„Nein, der Sex ist Elends langweilig und… ich steh eher auf Original-Ausstattung als auf diese aufgetunten Mädels. An Claire ist so ziemlich alles aufgepeppt. Die muss man als Sondermüll deklarieren, wenn sie mal ins Gras beißt.“
„Och, Dean, echt?“ sie verzieht ihr Gesicht und sieht damit noch süßer aus, als ohnehin schon.
„Sorry, aber dass musste mal gesagt werden. Weißt Du, ich mag es, wenn eine Frau gut ausgestattet ist. Aber eben, natürlich.“
„Du stehst also auf große, echte Möpse.“ Bei dieser Bemerkung fasst sie sich an die Brust und hebt sie leicht nach oben.
„Yep. Muss ich mich dafür schämen?“
„Nein, ganz und gar nicht.“ Sie verdreht die Augen und wendet sich unserem Abendessen zu, da gerade der Herd gepiepst hat. Ich muss jetzt was tun, auch wenn ich weiß, dass ich mir vielleicht eine Ohrfeige einhandeln werde. Jess bückt sich gerade um die Lasagne aus dem Ofen zu holen. Ich beuge mich über sie und flüstere ihr ins Ohr: „Deine Original-Ausstattung gefällt mir im Übrigen ausgesprochen gut.“
Sie lässt die Auflaufform fast fallen. Aber ich kann es gerade noch retten. Ihre Augen funkeln mich an. Da ist meine Jess. Das Blau ihrer Augen hat nun diesen Ton, den ich so vermisst habe, der mich so oft in der Nacht verfolgt hat.
„Tja, dann freu Dich. Aber eines kannst Du mir glauben: Außerhalb des Set ist mein Körper für Dich tabu.“ Sie rammt mir ihren Ellenbogen in den Bauch.
„Autsch!“ Ich reibe mir die Stelle, an der sie mich getroffen habe. „Das werden wir noch sehen.“ fordere ich sie heraus.
„Willst Du wetten?“ Sie kennt mich nicht. Das sollte sie lassen.
„Kommt auf Deinen Einsatz an.“ Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben und warte, wie sie reagiert.
„Du würdest mich bekommen. Inklusive Original-Ausstattung, ist das nicht Lohn genug? Aber was bekomme ich, wenn ich es schaffe, dem unwiderstehlichen Dean Harper zu widerstehen?“ Das meint sie Ernst und hält mir ihre Hand hin.
„Wette angenommen. Du bekommst …“ Ich muss was überlegen…“einen neuen BMW 1er Cabrio.“
„Du bist völlig durchgeknallt Harper.“ sagt sie und verstärkt ihre Aussage, in dem sie mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herumwerkelt.
„Schlag ein, Flynn.“ Ich halte ihr meine Hand hin und…sie schlägt tatsächlich ein.
„Wir sollten noch ein paar Spielregeln festlegen.“ Meint sie.
„Welche Regeln?“ Da bin ich ja mal gespannt.
„Du darfst alles versuchen mich rum zu bekommen. Aber Alkohol ist tabu. Du wirst mich nicht abfüllen und mich dann ins Bett zerren.“ „Das versteht sich von selbst.“
„Du wirst Dir weder von meinen Eltern noch von sonst wem Hilfe holen.“
„Da muss ich widersprechen: Juweliere, Floristen und Angestellte von Reisebüros darf ich für mich einspannen. Darauf bestehe ich.“
„Gut, aber: alles im Rahmen bitte. Ich will nicht manipuliert oder korrumpiert werden durch teure Geschenke.“
„Das lässt sich machen. Noch was?“
„Keine Claire oder irgendwen sonst. Ich bestehe auf Exclusiv. Was Du bis Beginn der Dreharbeiten machst ist mir egal, aber wenn Du es ernst meinst mit meiner Eroberung, dann keine anderen Weiber.“
„Auch das ist selbstverständlich.“
Ich muss verrückt geworden sein. Aber sie ist sich so sicher, dass sie mit mir nie was anfangen wird, da muss ich gegen an. Ich kann einfach nicht anders. Am Ende wird sie mir zu Füßen liegen. Definitiv.
„Da wir das nun geklärt haben können wir ja nun essen.“
Beim und nach dem Essen reden wir viel über unsere gemeinsame Zeit. Wir lachen viel und ich fühle mich einfach wohl in ihrer Nähe.
„Weißt Du an was ich heute Nacht gedacht habe?“
„Nein, an Claire?“
„Hör auf damit.“ Ich werde sauer, wenn sie diesen Namen noch einmal in den Mund nimmt. „Ich musste daran denken, wie Du mich in den Reitstall gezerrt hast und ich dann irgendwann auf diesem Pferd saß. Nimmst Du Dir die Zeit zu reiten?“
„Ich reite nicht mehr.“ Ihr Gesichtsausdruck hat sich verändert. Sie sieht traurig aus. Was ist da passiert.
„Was ist passiert?“
„Ich habe einfach aufgehört. Ist besser so.“ Sie versucht das Thema abzublocken.
„Aber Du hast das Reiten geliebt?“
„Ja, das habe ich. Vor allem habe ich es geliebt mit Dir auszureiten.“ Das ist super. Schon hab ich einen Punkt auf meiner Jess-Eroberungs-Liste, den wir abarbeiten können.
„Dann sollten wir das bald mal wieder machen.“
„Ich denke eher nicht.“ Sie steht auf und bringt ihren Teller in die Küche. Sie scheint verärgert. Oder…ich weiß nicht?
„Was ist los Jess?“
„Ich hab aufgehört zu reiten nachdem Du weg warst. Seit dem ist viel Zeit vergangen und ich hab es sicher schon verlernt.“
„Das verlernt man nicht.“
„De, bitte lass es.“ Gut für heute werde ich es lassen. Aber sie wird es wieder lieben.
„Wann musst Du morgen am Flughafen sein?“ fragt sie mich und damit ist das Thema wohl endgültig vom Tisch.
„12.15 Uhr geht mein Flieger mit United bzw. Lufthansa.“
„Dann sollten wir um 10 am Flughafen sein.“
„Das hört sich nach früh aufstehen an.“
„Ich werde uns Semmeln holen und Frühstück machen. Wir brauchen eine halbe Stunde bis zum Terminal. Also ich würde sagen, 8.30 Uhr Frühstück.
„Muss ich dann jetzt ins Bett, Mami?“ Ich lege einen Dackelblick auf. Das kann ich ganz gut und oft erziele ich damit auch genau dass, was ich wollte.
„Du kannst ja auch im Flieger schlafen.“ Puh, da bin ich erleichtert, denn ich will nicht, dass dieser Abend schon zu Ende ist. Außerdem muss ich doch noch ein paar Dinge herausfinden, damit ich die Wette auch gewinne.
„Hört sich nach einem Plan an. Also, was machen wir noch?“
„Einen Film schauen?“
„Echt jetzt? Welchen?“
„Da hinten in der Wand ist meine DVD Sammlung. Ansonsten können wir auch streamen.“
Wow, das sind hunderte von DVD‘s. Das Regal war mir noch gar nicht aufgefallen.
„Wie hast Du die sortiert?“
„Nach Hauptdarsteller.“
„Nicht Dein Ernst.“ wieder einmal muss ich die Augenbraue hochziehen.
„Doch. Oben Links sind Deine Filme.“
Sie hat wirklich alle meine Filme. Ich fass es nicht. Aber ich suche was anderes. Unser Freund Jamie. Das wäre was. „Wo stehen die Dornan Filme?“
„Direkt vor Deiner Nase.“ Ach ja. Und ich finde auch direkt meinen Favoriten: ‚Barb and Star Go to Vista del Mar‘. Ich liebe diesen Film. Jamie ist so herrlich komisch darin und man hört mal wieder seine schöne Gesangsstimme.
Zusammen setzen wir uns aufs Sofa. Jess kommt mit Chips und unserem Rotwein zu mir. So wie früher lehnt sie ihren Rücken an meine Brust. Es ist sehr angenehm so mit ihr hier zu liegen. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen. Es ist so normal. Für Jess bin ich Dean. Der Junge, mit dem sie aufgewachsen ist. Nicht der Schauspieler. Sich mal nicht verstellen zu müssen, das tut mir gut.
Wir lachen zusammen und genießen den Film. Jamie kann wirklich alles spielen. Ich bin für eine Komödie einfach nicht geeignet. Mir liegt das nicht. Obwohl? Ausprobiert habe ich das noch nie.
Der Film ist gerade zu Ende als Jess zum ersten Mal gähnt: „Sei mir nicht böse Dean, aber ich bin ziemlich müde. Ich werde ins Bett gehen. Du kannst Dir ja noch was anschauen.“
Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn und dann ist sie weg. Ich bleibe auch nicht mehr lange. Räume noch kurz auf, decke schon mal den Tisch fürs Frühstück und ziehe mich dann ins Gästezimmer zurück.
Ich liege noch eine ganze Zeit wach. Mir geht einfach zu viel durch den Kopf. Irgendwann später wird mir bewusst, auf was ich mich heute Abend eingelassen habe. Wenn ich das durchziehe, dann…Sex mit Jess. Darauf wird es wohl hinauslaufen. Aber will ich das wirklich? Sie in mich verliebt machen und ins Bett bekommen? Sie in mich verliebt machen und sie dann im Regen stehen lassen? Oder sie ins Bett bekommen und dann abservieren wie all die anderen?
Herr im Himmel, diese Wette ist ein Fehler. Ich muss das gleich morgen mit ihr klären. Das war keine gute Idee.
Und so spreche ich das an, als wir auf dem Weg zum Flughafen sind.
„Jess, wir sollten die Wette wieder vergessen. Das war keine gute Idee.“
Sie sieht mich an, als hätte sie sowas schon geahnt: „Du meinst, weil wir beide nur daran gedacht haben, wie Du Dein Ziel erreichst, aber nicht daran, was dann folgt.“ Woher weiß sie das?
„Ja, ich meine, was wenn ich es schaffe? Du Dich in mich verliebst? Wir Sex haben? Wie soll es dann weiter gehen? Ich…ich bin kein Beziehungstyp und Dich abservieren wie all die anderen…das kann ich nicht und das will ich Dir nicht antun.“
„Das haben wir wohl nicht bedacht. Aber was, wenn Du Dich auch in mich verliebst?“
Gott, wie kommt sie denn auf den Scheiß. Ich…ich werde mich sicher nicht in sie verlieben. Diesen Zahn muss ich ihr wohl ziehen.
„Ich will nicht sagen, dass das niemals passieren wird. Ehrlich, ich weiß es nicht. Aber ich halte es für unwahrscheinlich. Ich hab noch nie dieses Gefühl gehabt, von dem Jamie zum Beispiel redet. Und ich weiß auch nicht, was ich suche, aber ausgerechnet Dich dazu zu missbrauchen, das herauszufinden, ist nicht richtig.“
„Nein, ist es wohl nicht. Also vergessen wir die Wette.“
„Ja.“