Nach einer ausgiebigen Dusche und einem kleinen Frühstück mache ich mich auf den Weg. Der Tag wird sicher anstrengend und lang.
Pünktlich bin ich im Plaza, wo Jamie unser Set aufgebaut hat. Maske, Kostüm, Catering sind hier in einem der Salons untergebracht. Ansonsten drehen wir draußen und in dem Club, in dem wir gestern Abend waren.
Als erstes jedoch werden wir zu einer kurzen Besprechung des Tages gebeten. Proben sind für den Dreh nicht geplant. Was mich auch nicht wundert. Keine Stadt der Welt mag es, wenn man mit einer Filmcrew stundenlang die Straßen versperrt. Anders als sonst üblich werden Jess und ich einfach raus gehen und jemand mit der Kamera wird bei uns sein, der uns aus den verschiedensten Entfernungen dreht. Damit es nicht zu komischen Szenen mit Passanten kommt, haben wir 10 Statisten, die immer mal wieder irgendwo auftauchen oder uns eine zeit lang begleiten. Damit niemand die Szenen crashed, haben wir eine ganze Horde Sicherheitsleute um uns herum.
Jamie begrüßt uns alle und gibt das Wort an Sam, unsere Regisseurin.
„Dean und Jessica, ihr werdet heute einfach loslaufen. Unser Kameramann wird an Eurer Seite sein und bei Bedarf Euch ein paar Anweisungen geben. Wir beginnen mit dem Dreh draußen vor der Türe des Plaza. Also in dem Moment, wo ihr das Hotel verlasst. Ich will, dass ihr einfach loszieht. Dean, Du kennst die Stadt. Zeig Jess die typischen Hot Spots. Fifty Avenue, Times Square, Broadway, Central Park, Empire State Building. 9/11 Memorial. Und was Dir sonst noch einfällt. Morgen werden wir noch zur Freiheitsstatue gehen und morgen Abend nach Cony Island. Außerdem drehen wir morgen ein paar Close Shots auf der Eisbahn und am Rockefeller Center unter dem Weihnachtsbaum. Diese beiden Punkte also einplanen, aber nicht länger aufhalten, das machen wir morgen.“ Sie macht eine kleine Pause und schaut auf ihren Spickzettel. Dann fährt sie fort: „Heute Abend werden wir im Club drehen.
Morgen wie gesagt die Close ups und dann Freiheitsstatue und Cony Island
Und dann haben wir noch einen Tag für die Bettszene in der Suite. Sollten wir das nicht schaffen, weil wir an anderer Stelle hängen, dann werden wir diese Szenen erst später in Deutschland drehen.“ Sie sieht nun Jess und mich an. Meinerseits gehört meine ganze Aufmerksamkeit unserer Regieseurin.
„Was will ich sehen? Dean, Jess. Kurz angerissen:
Wir befinden uns etwa am Anfang des zweiten Drittels des Films. Beth und Phil haben fast täglich Sex. Beide sträuben sich gegen den Gedanken, dass sie mehr empfinden. Beth ist happy, endlich mal raus zu kommen aus ihrem goldenen Käfig. Sie will sein, wie jede andere Frau in ihrem Alter.
Ich will zwei Menschen sehen, die sich mögen. Die die Zeit miteinander genießen. Albert rum. Lacht, neckt Euch. Was auch immer. Diese Szenen werden am Ende mit Musik unterlegt, daher sind Dialoge unwichtig. Aber: Küssen verboten. Dazu kommen wir morgen erst.
Noch Fragen?“
Ich schaue Jess an, die neben mir sitzt. Sie schüttelt den Kopf.
„Nein, ich denke, dass bekommen wir hin.“ antworte ich für uns Beide. Als ich mich zu Jess drehe, sehe ich Zustimmung in ihrem Blick.
Zwei Stunden später stehe ich in der Halle und warte auf Jess. Sam wuselt um mich herum und gibt dem Kameramann Anweisungen. An den geplanten Hot Spots wird uns ein zweiter Kameramann erwarten. Wir erkennen ihn sicher und sollen auf ihn zugehen. Ich bin ziemlich winterlich gekleidet. Etwas, was ich normal selten mache. Lieber ziehe ich Shirt, Hoodie und Jacke an, als eine wirklich dicke Winterjacke. Aber das hier ist vorgegeben, also muss ich mich damit arrangieren.
Wo ich mich aber geweigert habe, ist die Mütze. Never ever. Niemals. Ich hab schon als Kind Mützen gehasst. Ich bin gespannt, ob Jess eine an hat. Ihr ging es meiner Erinnerung nach, auch nie anders. Maggie und unsere Väter sind oft mit uns zum Skifahren nach Vail oder Aspen geflogen. Oft war es dort sehr kalt. Auf der Piste haben wir Helme getragen, aber sobald wir ohne Ski unterwegs waren, liefen wir auch ohne Kopfbedeckung herum.
Ich muss schmunzeln als ich endlich Jess aus dem Aufzug kommen sehe. Sie hat doch tatsächlich eine Mütze auf. Sie ist in beige, wurde in einem Zopfmuster gestrickt und hat einen großen Bommel aus Fell. Ihre Haare schauen unten raus. Ihr Make up ist sehr dezent und betont ihre schöne Augen. Sie strahlen.
„Kein Kommentar, Harper. Aber beide ohne Mütze, das wollte man uns nicht gestatten. Also hab ich mich geopfert.“
Ich greife mir ans Herz und sage ziemlich theatralisch: „Du bist meine Lebensretterin. Ich danke Dir.“ Dann ziehe ich sie in meine Arme und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. Es fühlt sich so verdammt gut an. Was ist nur los mit mir? Warum habe ich immer das Gefühl sie anfassen zu müssen?
„So,“ spricht uns Sam an. „Dann mal los ihr beide. Ich stehe mit dem Kameramann und Dean über seinen Knopf im Ohr in Verbindung. Wenn ich was bestimmtes sehen möchte, dann werde ich Euch das sagen. Aber erstmal lauft einfach los. Ach und….es sind Drohnen im Einsatz. Die könnten Euch ziemlich nahe kommen. Also nicht erschrecken.“ Kurz noch stehen wir hier in der Lobby rum. Dann höre ich das erlösende Wort über den Knopf im Ohr. „Action“.
Ich nehme Jess bei der Hand. „Dann mal los Prinzessin. Ich zeig Dir nun mein New York.“ Ich ziehe sie hinter mir her und nach dem Überqueren der Straße betreten wir den Central Park. Er liegt genau gegenüber des Hotels. Wir könnten zwar direkt zur Eislaufbahn gehen, aber das ist ja langweilig. Also gehe ich nach links. Mal ziehe ich Jess in meine Arme, mal verschlingen sich unsere Finger, aber den Körperkontakt lassen wir nicht enden. Wir werden immer lockerer und so zieh ich ihr übermütig die Mütze über die Augen. Sie quittiert das mit einem ihrer feurigen Blicke, die ich so gerne habe. Sie versucht mich in den Bauch zu boxen, aber ich weiche ihr aus. Auf dem Weg zur Eisbahn erkennen wir den zweiten Kameramann. Wir laufen auf ihn zu. Und wir laufen wirklich. Jess ist mir entwischt und ich versuche sie wieder einzuholen. Natürlich schaffe ich es genau vor der Bahn. Sie strahlt und ich muss mich echt zusammenreißen sie nicht zu küssen. Das hier macht gerade richtig Spaß. Selten, dass mir ein Dreh soviel Spaß gemacht hat. Außerdem denke ich, dass es wirklich sehr gut in die Story einfügt.
Da wir uns ja an der Eisbahn nicht aufhalten sollen, ziehe ich Jess aus dem Park. Wir gehen eine der großen Straßen raus, Richtung Manhatten. Plötzlich stehen wir vor einem Juwelierladen. Hier habe ich schon mal eine Uhr gekauft. Das Geschäft gehört einem deutschen Unternehmen und die produzieren sehr teure Luxusuhren und Uhren sind mein Untergang, ich kann nicht genug davon haben. Am Fenster finde ich das Objekt meiner gegenwärtigen Begierde und zeige es Jess. „Warte kurz, ich bin gleich wieder da.“ sagt sie und noch ehe ich etwas sagen kann ist Jess im Laden verschwunden. Eine Viertelstunde später ist Jess wieder da. Sie drückt mir die kleine Tasche in die Hand und mit einem Lächeln auf dem Gesicht sagt sie: „Frohe Weihnachten De.“
„Was hast Du gemacht?“ frage ich sie und weiß jetzt schon, dass Sam uns für diese Aktion einen Einlauf verpassen wird. Wir verlieren gerade wertvolle Zeit.
„Keine Panik. Deine Lieblingsuhr übersteigt mein Budget etwas, aber ich habe Dir was passendes dazu gekauft.“ Ihr Lächeln ist einfach umwerfend. Ich kann nicht anders und ziehe sie an mich, umarme sie.
„Du bist total durchgeknallt.“ flüstere ich ihr ins Ohr.
Sie schaut auf. Ihr Blick ist Ernst. „Nein De, ich will Dir nur eine Freude machen. Lass mich bitte. Ich konnte das jahrelang nicht.“ Ich muss schlucken. So hab ich das noch gar nicht gesehen.
„Einverstanden, aber ich werde mich revanchieren.“ Und ich weiß auch schon wie. Ein paar Meter weiter in der nächsten Straße ist ein Geschäft von Tiffany‘s. Dort schauen wir wieder in die Fenster und ich hab schnell raus, was ihr gefällt. Diesmal lasse ich sie stehen und gehe in den Laden. Mir ist gerade eine Idee gekommen. Ich kaufe ein Charm-Armband und einen Anhänger. Die Freiheitsstatue als Symbol für unsere Tage hier.
„Das wäre nicht nötig gewesen.“ sagt sie mir, als ich wieder bei ihr bin. Mittlerweile ist Sam richtig sauer. Wir bringen ihren ganzen Drehplan durcheinander. „Ich kann ja schlecht ein Geschenk annehmen und ich habe nichts für Dich.“ entschuldige ich mich.
Ich stecke beide Tüten weg und nehme wieder Jess bei der Hand. Wir gehen rüber zum Timessquare und am Empire State Building vorbei. Auch dort halten wir uns nicht länger auf. Sam treibt uns an. Weiter nach Süden laufend kommen wir irgendwann am 9/11 Memorial an. Hier bleiben wir einen Moment stehen und versuchen die Stimmung dort auf uns wirken zu lassen. Unsere Finger sind miteinander verschränkt und ich kann nicht anders als immer wieder zärtlich mit meinem Daumen über ihren Handrücken zu streichen.
Durch den Battery Park gehen wir zur Pier und nehmen die Fähre rüber nach Brooklyn. Auf der Fähre bleiben wir an der Reling stehen. Von hinten ziehe ich sie an mich und küsse sie auf die Stirn. Sie quittiert das ganze mit einem Lächeln.
Auf der anderen Seite angekommen gehen wir zum Brooklyn Bridge Park. Dort machen wir ein Selfie und schicken es an Maggie. Dann schlendern wir über die Brücke zurück nach Manhattan. Um langsam wieder zum Hotel zurück zu finden, gehen wir über den Broadway. In China Town gönnen wir uns ein leckeres Nudelgericht. Das ganze hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Und…Sam hat sich seltener gemeldet als ich dachte.
Zurück im Hotel teilt sie uns dann auch mit, dass sie sehr zufrieden ist. Sie bittet uns in den Konferenzraum, wenn wir umgezogen sind.
Als ich den eine halbe Stunde später betrete, ist Jess schon da und auch Jamie. Die beide befinden sich in einem sehr angeregten Gespräch und lachen dabei viel. Ich geselle mich zu den beiden. Dabei kann ich es wieder nicht lassen und nehme Jess wieder in den Arm. Es ist wie ein Zwang. Ihre Nähe genieße ich so sehr, wie ich es gar nicht sagen kann. Und irgendwie macht es es mir auch ein wenig Angst. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Normal bin ich nicht so der Typ, der mit jedem direkt auf Tuchfühlung geht. Aber bei Jess muss es einfach sein.
Jess drückt mich fest an sich. „War schön, Großer.“
„Ja, sehr. Hat Spaß gemacht.“ sage ich ihr. Jamie schaut uns irgendwie komisch an. Dann ertönt Sam`s Stimme. Alle Anwesenden werden ruhig. Unsere ganze Aufmerksamkeit liegt nun bei der blonden Frau die vorne im Raum steht und auf deren Kommando wir alle in der nächsten Zeit hören sollten.
„Erst mal Danke an Alle. Der Dreh heute war genau, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Das hat super funktioniert. Mal abgesehen von Eurer Shoppingtour. Aber letztlich werden wir das wohl auch einbauen. Es passt. So aber nun zu heute Abend.“
Ach ja, der Dreh im Club.
„Wir werden mit den Van`s gleich von hier in den Club fahren. Dort werden 40 Statisten sein. Wir haben eines der Separeés für die Garderobe und Make up belegt. Wir haben einen DJ engagiert und die Türsteher des Clubs sind heute Abend extra für uns da. Der Dreh beginnt für Euch, Dean und Jess in der Limousine. Deshalb werdet ihr hier auch Haare und Make up bekommen, sowie die erste Kleidung. Ihr steigt aus und geht auf den Türsteher zu. Dean, Du kennst den Typ und er läßt Euch rein. Die anstehende Menge wird das entsprechend quittieren mit Rufen.
Danach geht es in die Garderobe. Neue Kleider, Make up. Dann….
Zweite Szene dann an der Bar. Euren kleinen Dialog habt Ihr?“
„Ja“ sagen wir im Duett und müssen lachen.
„Gut, dritte Szene dann auf der Tanzfläche. Lasst Euch Zeit. Wir wollen im Endprodukt ca. 2 Minuten haben. Es wird unterschiedliche Musik gespielt. Es muss knistern und am Ende sollte dieser Kuss stehen. Ihr kennt das Skript. Ihr verlasst die Tanzfläche und dann den Club.“
Drei Stunden später haben wir die ersten Szenen abgedreht. Szene eins, von der Limousine in den Club ist uns auf anhieb gelungen. Keine Wiederholung. Unser Dialog am Tresen allerdings ist uns dagegen komplett misslungen. Jess und ich haben bestimmt ne halbe Stunde gebraucht, bis wir den nötigen Ernst wieder gefunden hatte. Keine Ahnung, was mit uns los war. Jess war vom Barhocker gefallen und danach konnten wir nur noch mit Mühe ein Lachen verkneifen. Dieses Bild, wie Jess auf dem Boden vor mit sitzt, werde ich wohl so schnell nicht vergessen.
Ja, Jess. Sie sieht einfach verboten gut aus. Die Garderobiere hat ihr ein Outfit verpasst, dass mir beim ersten Anblick den Schweiß auf die Stirn trieb. Sie hat einen kurzen, schwarzen Lederrock an, der ihren Hintern betonte. Darüber ein Shirt in einem glitzernden goldenen Stoff, dass ihre rechte Schulter freilegt. Es sitzt locker über ihren hochgepushten Brüsten. Die extrem hohen Heels komplettieren ihren Look. Und dieser verbotene Rock, der war das Problem beim Sitzen auf dem Barhocker.
Nun stehen wir vor der Tanzszene und ich gebe zu, ich bin aufgeregt. Einen ersten Probelauf ohne Statisten und Musik haben wir schon hinter uns. Das Licht wurde entsprechend eingestellt und nun warten wir auf Sams Aufforderung.
Wir beginnen die Szene wieder auf dem Barhocker. Diesmal packe ich Jess an ihrer Hüfte und setze sie auf die gepolsterte Fläche. Nicht das sie mir wieder runterfällt. Sie hält mich an den Oberarmen und schaut mir in die Augen. Ihr Blick signalisiert mit keinerlei Unsicherheit. Das ist schon den ganzen Dreh über so. Sie ist selbstbewusst und weiß genau was sie tut. Und sie kann auch improvisieren. Nichts anderes war der ganze Tag. Wir hatten kaum Text und nur wenige Vorgaben, was Sam sehen wollte. So läßt sich einfach drehen. Ich bin sehr gespannt auf das Endergebnis.
Um uns herum wuseln jede Menge Leute. Gerade werden Jess und ich nochmal abgepudert und das Kamerateam und Licht justieren ihren Geräte. Wir müssen einfach nur sitzen. Mir entgeht nicht, dass wir uns die ganze Zeit an den Händen halten. Immer wieder spüre ich, wie Jess mir über den Handrücken streicht. Das gefällt mir außerordentlich und deswegen tue ich es ihr gleich. Immer wieder bleiben meine Augen an ihren hängen. Für den Dreh jetzt ist sie wesentlich aufwendiger geschminkt. Smoky Eys betonen ihre Augen und ein dunkelroter Lippenstift ihren Mund. Im Moment würde ich sie am liebsten küssen. Aber dann bekomme ich Ärger und außerdem muss ich mich ja nur etwas gedulden.
Sam will eine zweite Stellprobe und informiert uns, dass wir in zwei Takes drehen. Einmal Bar bis Tanzfläche, einmal nur Tanzfläche.
Dann folgt die Aufforderung von Sam, so daß alle auf ihre Plätze huschen. Die Tanzfläche ist voll, der DJ an seinem Pult und wir bekommen zwei neue Drinks.
Dann heißt es „Action.“ Und ich mache kurz die Augen zu und konzentriere mich auf meine Aufgabe. Ein kleiner Schluck aus meinen Glas. Dann kann es los gehen. Noch immer halten ich Jess Hand. Sie nimmt mit der anderen ihren Drink und steckt den Strohhalm in den Mund. Verfluchte Scheiße. Wie sinnlich sich ihre Lippen um dieses verdammte Teil legen. Das ist heiß. Höllisch heiß. Ich muss schlucken. Atme tief ein.
„Komm.“ sage ich zu ihr und hebe sie von ihrem Hocker. Dann ziehe ich sie zur Tanzfläche.
„Cut“ höre ich Sam und atme nochmal tief durch. Jess sieht mich an, als würde es ihr auch nicht gut gehen. Irgendwas passiert hier gerade und ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
Wir wiederholen die Szene noch drei mal. Immer mit etwas verändertem Licht und Ton. Aber nun sind wir durch. Nun also noch die Tanzszene. Wir beginnen vor der Bar. Aber im Stehen. Ich lege Jess meine Hände auf die Hüfte, so als hätte ich sie gerade vom Hocker gehoben. Sie streicht mir kurz durch die Haare. Himmel, was tut sie da? Ich schaue ihr in die Augen. Sie scheinen zu glühen. Da liegt etwas in ihnen, was ich so noch nicht gesehen habe.
Plötzlich ertönt wieder „Action“. Ich lächle sie kurz an und dann nehme ich wieder ihre Hand und ziehe sie zur Tanzfläche bis zu unserem vereinbarten Standort.
Gerade wird Beyonce gespielt. Wir bewegen uns beide im Takt der Musik. Ich muss an unsere Kindheit denken. Manchmal haben wir beide unser Wohnzimmer oder die Terrasse zur Tanzfläche verwandelt. Dann haben wir die Musik hochgedreht und getanzt bis wir vor Erschöpfung umgefallen sind. Schon damals haben wir einfach toll harmoniert.
Die Musik wechselt zu einem langsamen Titel. Ich ziehe Jess in meine Arme. Wie schon am Samstag-Abend legt sie ihre Arme um meinen Nacken. Und wieder verhaken sich unsere Augen. Es knistert zwischen uns. Ohne das ich es wirklich beeinflussen kann geht eine meiner Hände zu Jess Hintern. Ich drücke sie näher an mich. Längst hab ich die Kamera vergessen.
Jess schließt ihre Augen. Ich spüre, dass ihr Herz ziemlich heftig schlägt. Dann tue ich das, was im Drehbuch steht, ich senke meinen Kopf und lege ganz vorsichtig meine Lippen auf ihre. Unser erster Kuss. Das er weit weg von einem klassischen Filmkuss ist, muss ich wohl nicht erwähnen. Es ist ein richtiger Kuss, der dann auch noch von Jess vertieft wird. Es kostet mich alle Kraft nicht meine Zunge einzusetzen. Gott, was tue ich hier? Ich muss das abbrechen. Vorsichtig löse ich den Kuss. Meine Stirn lege ich wieder an ihre und streiche zärtlich mit einer Hand über ihre Wange. Ihre Augen strahlen. Und ich lächle sie an. Dann nehme ich ihre Hand und drehe mich zum Ausgang. In dem Moment kommt das „Cut.“
„Wunderbar. Ich schau mir das gerade an.“ höre ich Sam sagen. „Wenn alles ok ist, dann können wir aufhören.“
5 Minuten später werden wir erlöst. In dieser Zeit haben Jess und ich am Rande des Raums gestanden. Sie liegt in meinem Arm, ihr Kopf auf meiner Brust. Es fühlt sich verdammt gut an.
„Leute, das war richtig gut. Wir lassen alles, wie es ist.“ Alle klatschen. Das hat besser und schneller funktioniert, als wir dachten.
„Zu morgen gibt es eine Änderung. Es soll morgen den ganzen Tag schneien, daher werden wir den Dreh in der Suite vorziehen. Dazu würde ich gerne noch mit Jess und Dean sprechen.“
Alle anderen machen sich auf den Weg ihre Sachen zu packen. Sam bittet uns beide nochmal an die Bar. Während wir dort hingehen, halten wir uns an den Händen. Ich kann und will sie einfach nicht loslassen. Es fühlt sich so gut an. Wieder hebe ich Jess auf einen der Barhocker und stelle mich an ihre Seite. Halte sie fest im Griff. Nicht das sie nochmal runter fällt. Ihre Hand legt sie wieder über meine. Ich mag dieses Gefühl!
Sam gesellt sich zu uns. „Also, wir drehen morgen die Szene im Hotel. Wir beginnen bei Eurem Eintritt ins Hotel nach dem Spaziergang. Wir drehen in der Lobby. Mit dem Hotel ist abgemacht, dass wir ab 11 Uhr drehen können. Dann geht es in den Lift. Drin können wir nicht drehen, das werden wir in Deutschland zwischendurch machen. Dort haben wir Platz einen Fake-Fahrstuhl aufzubauen.
Dann drehen wir auf dem Flur und dann in der Suite. Nach den Erfahrungen heute habe ich dafür einen Vorschlag.“
Sie schaut uns mit großen Augen an. Jetzt bin ich mal gespannt.
„Wir werden mit zwei Kameras drehen und wenn alles gut läuft nur in einem Durchlauf. Das sollte es Euch beiden einfacher machen. In dem Moment, in dem ihr die Suite betreten werdet laufen die Kameras. Eine im Weitwinkel, die andere wird Details aufnehmen. Meine Frage an Euch: Ich habe eine Choreografin an der Hand. Sie könnte mit Euch am Vormittag den Ablauf proben. Euch Tipps geben, was wie aussieht und so, was ihr tun und lassen solltet. Auf der anderen Seite: Heute hat alles so gut funktioniert, ihr funktioniert miteinander, ihr wisst was im Buch steht. Traut ihr Euch zu, das ohne Choreografie hinzubekommen?“
Ich bin noch beim Nachdenken, als Jess beginnt zu reden: „Ich hab ehrlich gesagt keine gute Erfahrung mit einer Choreo gemacht. Alles war total verkrampft. Und am Ende haben wir es fünfmal gedreht. Ob das Sinn macht, mag ich mal bezweifeln.“
„Du hast also eine solche Szene schon mal gespielt?“ frage ich.
„Ja, zweimal.“
„Zweimal?“ Warum interessiert mich das? Wir alle haben so was schon mal gedreht. Das ist doch normal.
„Und noch einmal im Pool, im Wald, am Strand, ach ja und im Büro, im Spielzimmer, im Auto und….“
„Stopp. Du verarschst mich doch gerade.“
„Gott Dean, mach Dich mal locker. Na klar. Zweimal und beide Male mit dem gleichen Partner. Das ist aber auch überhaupt nicht wichtig. Wie stehst Du zu einer Choreografin?“
„Ich brauch so nen Firlefanz nicht.“
„Dann lassen wir das. Aber wir reden morgen nochmal. Sagen wir mal um 9 Uhr in der Suite.“ beschließt Sam unser Gespräch. Ich schaue Jess an.
„Sollen wir noch etwas Essen gehen?“ frage ich sie. Ich will mich noch nicht von ihr trennen.
„Das hört sich gut an. Ich hätte Lust auf Sushi.“ Japanisch? Ja, warum nicht.
„Also gut. Dann schlage ich vor, wir gehen zu mir und ich bestelle etwas. Bei mir um die Ecke ist ein Japaner der super Sushi macht.“
In der improvisierten Garderobe ziehen Jess und ich uns noch kurz um und dann gehen wir gemeinsam nach draußen. Die Produktion hat uns ein Taxi bestellt, weil wir nicht zurück ins Hotel wollen. Es steht schon vor der Tür, als wir hinaustreten.
Ich gebe dem Fahrer kurz meine Adresse und er fährt uns zu mir.
Oben im Penthouse angekommen gebe ich Jess die Karte vom Japaner. „Such Du aus. Ich geh kurz unter die Dusche.“
Als ich nach 20 Minuten wieder ins Wohnzimmer komme, ist von Jess weit und breit nichts zu sehen. Wo ist sie denn nun hin? Ich rufe nach ihr, aber kann keine Antwort hören. Das darf doch jetzt nicht wahr sein. Ich will gerade zu meinem Handy greifen, als die Wohnungstüre aufgeht.
„Ah, Du bist schon fertig. Und hier….ist unser Essen.“ Stolz hält sie die Tüte hoch.
„Warum hast Du es geholt? Die liefern doch auch.“
„Die Lieferung hätte eine Stunde gedauert. Bei Abholung 15 Minuten.“
„Du scheinst Kohldampf zu haben.“
„Und ob. Ich hatte nur ein kleines Frühstück.“