Uff, in der Südsee war es warm und angenehm, aber hier nun? New York begrüsst mich zwar mit Sonnenschein, aber die Temperaturen sind ziemlich niedrig. Man merkt, wir haben Herbst.
Da Jess nicht weiß, dass ich kommen, nehme ich mir ein Taxi und lasse mich zu meiner Wohnung fahren. Logisch hab ich auch keine Ahnung, ob sie da sein wird, oder am Set. Je nachdem werde ich die nächsten Stunden gestalten. Am liebsten würde ich ja schlafen, aber dann werde ich morgen den Tag nicht genießen können und da dann Wochenende ist, hoffe ich doch, dass ich meine Freundin ganz für mich habe.
Als ich die Wohnungstüre aufschließe habe ich direkt ein komisches Gefühl. Alles ist dunkel. Wir haben 14 Uhr am Nachmittag und draußen ist herrlicher Sonnenschein. Warum also sind alle Jallousien unten?
Meinem Instinkt folgend gehe ich ins Schlafzimmer. Was ich dort sehe, zieht mir mein Herz zusammen. Jess liegt auf dem Bett. Zusammengekauert wie ein Embryo und hält sich an einem meiner Hoodies fest. Sicher riecht er nach mir.
Noch hat sie nicht bemerkt, dass ich da bin, deshalb nähere ich mich ihr vorsichtig.
„Hey, Kleines.“ spreche ich sie leise an, während ich mich zu ihr aufs Bett setze. Als ich ihr gerade eine Haarsträhne hinters Ohr stecken will, damit ich sie besser küssen kann, erschrickt sie.
„Mein Gott De, musst Du mich so erschrecken.“ Mit großen Augen sieht sie mich an.
„Na das ist mal ne Begrüßung.“ Ich tue beleidigt und will aufstehen.
„Hey, so war das doch nicht gemeint. Ich bin so froh, dass Du hier bist.“ Sie sieht mich aus ihren verschlafenen Augen an und ich bin verloren. Diese Frau schafft mich einfach. Ohne abzuwarten was ich zu sagen habe, fällt sie regelrecht über mich her. Und ich ergebe mich einfach. Soll sie mit mir machen, wo nach ihr ist. Reden können wir später. Mir ist auch gerade egal, dass ich ewig im Flieger saß und gut eine Dusche vertragen könnte, aber wenn es sie nicht stört.
Eng aneinander gekuschelt liegen wir auf dem Bett nachdem wir uns ausgiebig geliebt haben. Und ausnahmsweise mal nur im Bett. Das hat echt Seltenheitswert.
„Was machst Du eigentlich hier?“ höre ich plötzlich ihre leise Stimme.
„Ich kann auch gerne wieder gehen.“ antworte ich ihr.
„De, bitte.“ fährt sie mich an. „So war das nicht gemeint und das weißt Du ganz genau. Aber ich darf doch wohl mal nachfragen, warum Du schon da bist. Deine Reise sollte doch noch andauern und wir wollten uns eigentlich in Hamburg treffen.“
„Richtig. Aber…“ Soll ich ihr sagen, was ich…. NEIN.
„Aber was?“
„Ich hatte Sehnsucht nach Dir.“
„Ah ja…und es kann nicht sein, dass meine Mum Dich angerufen hat?“
Aus einem Impuls heraus will ich diese Vermutung von mir weisen, aber das lass ich besser.
„Erwischt. Sie hat sich Sorgen gemacht.“
„Ah, und weil Mum mal wieder überbesorgt ist, brichst Du sofort Deine Reise ab und kommst nach Hause.“
„Das tut man doch so, als Freund, als Partner, oder nicht?“
„Oder hat Sie Dir auch diesen Floh ins Ohr gesetzt?“ Sie hockt neben mir auf dem Bett und sieht mich mit großen Augen an.
„Welchen Floh?“ tue ich ganz unschuldig und noch während ich es sage steigt eine Vermutung in mir auf, die mir nicht gefällt.
„Das ich schwanger sein könnte.“ Sie presst die Augen zusammen.
„Und bist Du?“ Ich ahne schon was kommt und ehrlich: Ich bin enttäuscht.
„Nein!“ Das klang sehr hart. Sie scheint froh darüber zu sein. Und das enttäuscht mich noch mehr. Ich entferne mich ein klein wenig von ihr, drehe meinen Kopf um.
„Wenn es so gewesen wäre, hätte ich mich gefreut De, ganz ehrlich. Aber ich bin auch froh, dass es nicht so ist. Der Zeitpunkt ist nicht gerade günstig. Außerdem fühle ich mich noch nicht vorbereitet auf so eine große Aufgabe. Ich…ich dachte wir könnten damit noch etwas warten. Bist Du….enttäuscht?“
Was soll ich ihr darauf antworten.
„Ja, irgendwie schon. Aber wahrscheinlich habe ich mich auch einfach nur in diesen schönen Gedanken hineingesteigert. Übrigens hat Maggie nichts gesagt, aber sie hat mir einen Denkanstoß gegeben und ich hab dann Tante Google befragt und dann stand da dieses Wort und je öfter ich es laß um so….schöner wurde der Gedanke. Aber davor….ich …ich dachte auch immer wir warten noch ein bisschen damit. Du bist so jung, wir haben alle Zeit der Welt. Und ….“
„Was und?“
„Ich habe Kinder immer in einer Ehe gesehen.“
Jess sieht mich mit großen Augen an. Sie kennt mich einfach zu gut.
„Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“
„Was denn?“
Sie kniet neben mir auf dem Bett.
„Du….Du….“
„Jaaaaa?“ Ihre Augen werden immer größer.
Plötzlich springt sie auf. Es scheint ihr auf jeden Fall gut zu gehen. Meine Befürchtung, vorhin als ich das Zimmer betrat, scheinen wie weg gewischt.
Sie rennt wie ein HB Männchen durch das Zimmer. Mein Gott ist sie aufgeregt.
„Das ist verrückt De. Du musst das nicht tun.“
„Wenn ich es aber möchte?“ Ich stehe auf und gehe ins Wohnzimmer. Krame aus meiner Jackentasche die kleine Schatulle und gehe zurück zu Jess ins Schlafzimmer. Dort sitzt sie auf dem Bett und schaut auf ihre Hände, die in ihrem Schoß liegen.
„Bitte De, nicht. Wir…wir sind doch noch gar nicht so lange zusammen.“
Ich geh in die Knie vor ihr.
„Weißt Du, dass mir das shit egal ist. Und mir ist auch egal ob Du schwanger bist oder nicht. Letztlich hat dieser Gedanke nur einen Gedanken schneller reifen lassen. Jess, ich liebe Dich. Mehr als alles andere auf dieser Welt liebe ich Dich. Und ich will, dass Du meine Frau wirst. Alle Welt soll wissen, wem mein Herz gehört.“
Jess Augen strahlen und es glitzern ein paar Tränchen darin. Als sie den Ring sieht, hält sie sich die Hand vor den Mund. Und dann laufen auch schon die Tränen.
„Willst Du meine Frau werden Jess?“
„Natürlich will ich das. JA!“ Nachdem ich ihr den Ring angesteckt habe, fällt sie mir in die Arme und wie zu erwarten bleibt es nicht dabei. Unser Kuss wird immer leidenschaftlicher und da wir eh nackt sind, dauert es nicht lange, bis ich sie wieder ganz in Beschlag genommen habe. Wir lieben uns erneut und am Ende schlafen wir glücklich zusammen ein.
Wegen meines Jetlacks werde ich mitten in der Nacht wach. Auch Jess rührt sich neben mir.
„Kannst Du nicht schlafen?“
„Mhh. Ich geh ins Wohnzimmer. Schlaf noch ein bisschen mein Engel.“
„Weck mich bitte, wenn die Sonne wieder aufgeht.“
„Mach ich.“
Die Sonne ist schon mehr als eine Stunde hell am Himmel, als ich mit dem Tablett voller Köstlichkeiten zu Jess ins Schlafzimmer komme.
„Hey, Engel. Aufwachen.“ flüstere ich ihr ins Ohr und verteile Küsse auf ihrer nackten Haut.
„Mhhhh.“ gibt sie von sich und räkelt sich. Die Arme über dem Kopf, das Laken nur knapp über der Hüfte liegt sie vor mir wie ein wahr gewordener Männertraum. Aber Maggie hat Recht, sie hat abgenommen. Ihre Rippen habe ich noch nie so deutlich gesehen, wie gerade.
Jess scheint meinen Blick zu erkennen.
„Schau nicht so finster. Ich werde die Kilos schon wieder drauf bekommen.“
„Weshalb sind sie denn weg?“
„Ich hatte einen hartnäckigen Magen- und Darminfekt.“
„Und die Müdigkeit?“
„Vitamin B12 Mangel, sagt der Arzt. Er hat mir eine Spritzenkur verschrieben. Die erste habe ich schon bekommen, die nächste dann in einer Woche.“
„Und ich dachte…“
Während sie in ihr Croissant beißt, schaut sie mich von der Seite an.
„Bist Du sehr enttäuscht?“
Einen Moment überlege ich, wie ich es formulieren kann.
„Ja, irgendwie schon. Aber auf der anderen Seite auch nicht. Der Gedanke hat mir gefallen.“
Sie scheint einen Moment zu überlegen.
„Was hälst du davon, wenn wir erstmal heiraten und dann es einfach drauf ankommen lassen. Ich lass mir keine Spritze mehr geben und wir sehen, was passiert.“
„Du musst das nicht tun, weil ich diesen Gedanken schön finde. Du bist noch jung, damit hast Du Recht. Wir haben alle Zeit der Welt.“
„Gut. Wir schauen. Erst mal suchen wir einen Termin für die Hochzeit.“
„Deine Eltern werden ganz schön schauen.“
„Jepp. Und sich voll in die Planungen stürzen. Wir können froh sein, wenn wir irgendwas selbst entscheiden können.“
Ich küsse sie kurz und nehme mir auch eines der köstlichen, noch leicht warmen Croissants.
„Aber erstmal machen wir unsere Reise. Norwegen ist so wunderschön. Es wird Dir gefallen.“
„Apropos. Wirst Du zurück fliegen?“
„Ich denke nicht.“
„Nein?“
„In der Südsee hab ich viel nachgedacht. Die Schauspielerei gefällt mir. Das Modeln auch irgendwie, aber was mir wirklich glaube ich Spaß machen würde ist Location Scout. Ich könnte für eines der großen Studios arbeiten und mich umsehen nach geeigneten Drehorten. Dann kann ich das Reisen mit der Arbeit verbinden. Aber das muss auch nichts sein, was ich in nächster Zeit mache. Vielleicht später. Ich werde Deine Mum bitten, wieder nach Angeboten für mich zu suchen.“
„Ich glaub da brauch sie nicht lange suchen. Deine letzten beiden Filme sind super angekommen. Unser Film wird bald in die Kinos kommen. Jamie ist ganz begeistert. Vielleicht wird er bei dem ein oder anderen Festival an den Start gehen. Er hat gesagt, du hast Phil ganz herausragend gespielt.“
„Aber er will mich nicht wirklich ins Rennen um eine Trophäe schicken?“
„Warum nicht? Unsere beiden Charactere scheinen einige Menschen anzusprechen. Eine junge Frau, die versucht das beste aus einem vorbestimmten Leben zu machen, ein Mann der zerrissen ist zwischen dem, was er in der Vergangenheit getan hat und der Liebe, die er empfindet.“
„Ernsthaft? Ich hab mich nie mit ….Das war irgendwie immer so weit weg.“
„Du bist gut. Richtig gut. Und das scheinen einige andere auch so zu sehen. Aber frag Mum, sie hat da ein paar Sachen erwähnt.“
„Aber warum hat sie mir nichts gesagt?“
„Sie wollte Dich nicht unter Druck setzen. Du musstest entscheiden, und das hast Du nun.“
Ja das habe ich wohl.