Kann es sein, dass mein Leben nur noch auf Filmsets, in Flugzeugen und an Flughäfen stattfindet? Mal wieder überkommt mich dieses Gefühl, dass da draussen noch mehr sein muss.
Eigentlich sollte ich glücklich sein. Heute kommt Jess nach Hause. Sie hat nun endlich auch ihre Dreharbeiten beendet. Irgendwann muss sie zwar wieder zurück nach Europa, aber erstmal hab ich sie zwei Wochen nur für mich. Sie wird zu mir nach Venice kommen und nicht bei ihren Eltern wohnen, was mich sehr glücklich macht. Damit will ich nicht sagen, dass ich nicht gerne im Haus von Maggie und Peter bin, aber dort haben wir irgendwie keine Privatsphäre. Wenn überhaupt, dann haben wir nur langweilige Blümchensex, der uns beide so überhaupt nichts bringt. Wir lieben es nun mal ein bisschen ausgefallener, härter und auch lauter. Nichts macht mich mehr an, als wenn sie ihre Lust laut herausschreit. Nur alleine bei dem Gedanken werde ich schon hart.
Da ich schon seit 6 Wochen in LA bin, haben Jess und ich uns genau so lange nicht gesehen.
Ich spüre sie, noch ehe ich sie sehe oder höre. Langsam drehe ich mich um und schaue in ihr strahlendes Gesicht und gleich dahinter steht Patrick. Musste das jetzt sein? Der Kerl ist wirklich unausstehlich. Als ich zuletzt bei Jess in Berlin war, hat er sich einfach für den Abend selbst eingeladen und sich regelrecht aufgedrängt. Gut, er hat die Rechnung im Club beglichen, die nicht unerheblich war, aber das hätte es echt nicht gebraucht. Viel lieber wären Jess und ich im Bett geblieben. Wir haben eh schon so wenig Zeit für uns.
„Hey, Kleines.“ Ich geh auf Jess zu und ziehe sie in eine feste Umarmung. Unseren Kuss unterbricht natürlich Patrick. Kann er sich nicht einfach verziehen?
„Schön, dass Du uns abholst Harper.“ He, ich ihn abholen? Seit wann betreibe ich einen Chauffeur-Service?
„Sorry, Pat, aber Jess und ich haben noch was vor. Du musst Dir leider ein Taxi nehmen. Ich greife mir den Koffer meiner Freundin und ziehe sie möglichst schnell weg von diesem Unsympath. Gott sei Dank sind Jess Dreharbeiten mit ihm beendet. Ich werde dafür sorgen, dass sie nicht zu viele Promotiontermine mit ihm machen muss. Da ist mir Henry tausend Mal lieber.
Ich werde ab nächster Woche auch wieder einige solcher Termine hinter mich bringen müssen. Mein Film mit Claire hat bald Premiere und wird auf einigen Festivals gezeigt. Ich rechne mir zwar nichts aus, aber wir hoffen natürlich alle, dass er gut ankommt. Zur Premiere fliege ich wieder nach New York und werde dann auch eine Weile von dort aus meine Termine erledigen.
Erst gestern hat Maggie mir zwei neue Angebote auf den Tisch gelegt. Aber ich hab sie mir noch gar nicht richtig angeschaut. Was ich machen werde, dass es in Deutschland aufgenommen wird und ich dann die Zeit gemeinsam mit Jess habe, ist eine Werbung, die BMW mit mir machen möchte. Das Cabrio sieht aber auch wirklich super aus. Ein Hybrid-Modell. Ich denke, dass werde ich noch in den nächste Tagen zusagen. Aber erstmal schauen, wie Jess Drehpläne für ihre Miniserie sind. Sie ist noch bis zum Frühjahr in Deutschland verplant. Danach hat Maggie bisher noch nichts verlauten lassen.
Mir schwirrt ja immer noch die Idee im Kopf herum ein Jahr OFF zu gehen. Mit Maggie und Peter habe ich darüber gestern gesprochen und sie würden es für eine gute Idee halten. Aber ich muss mir darüber noch Gedanken machen. Im Moment gefällt mir an dieser Idee nur nicht, dass ich eventuell so lange von Jess getrennt bin. Viel mehr: Ich habe Angst, sie bekommt es in den falschen Hals und…. Gott, wenn ich nur wüsste, wie sie darauf reagiert? Wenn ich mir um sie und ihre Gesundheit keine Gedanken machen müsste, wäre die Entscheidung vielleicht einfacher. Peter hat Recht: Ich muss mit ihr reden. Das wird das einzig richtige sein.
Nachdem wir uns geliebt haben, liegen wir unter einer kuscheligen Decke auf meinem Sofa. Ich genieße die Ruhe mit Jess. Sie so nah zu spüren, ist das wundervollste Gefühl der Welt.
„Wann müssen wir bei Mum und Dad sein?“
„Gegen 18 Uhr.“
Kurz dreht sie sich um und schaut auf die große Uhr, die in meiner Küche steht.
„3 Stunden noch.“ murmelt sie und kuschelt sich wieder an meine Brust.
„Sollen wir raus in den Whirlpool gehen?“ frage ich sie.
„Lieber rauf ins Bett. Ich möchte noch einen Moment so mit Dir liegen.“
Oh, je, sie ist ganz schön müde. Langsam stehe ich auf und nehme sie auf den Arm. „Komm Prinzessin.“
Gemeinsam legen wir uns in mein Bett und bevor wir verschlafen stellen ich noch schnell meinen Wecker. Maggie mag es gar nicht, wenn wir zu spät kommen.
Als wir Stunden später bei Maggie und Peter auf der Couch sitzen kuschelt sich Jess wieder eng an mich. Wir haben beschlossen heute doch hier zu bleiben. Peter hatte wieder einen sehr leckeren Rotwein ausgesucht, dazu noch Champagner, den wir auf Jess Wohl getrunken haben, da war einiges zusammen gekommen und da wir alle morgen nicht früh raus müssen, genießen wie es einfach zusammen zu sein. Peter versucht gerade den alten Dia-Projektor ans Laufen zu bringen. Vor ein paar Tagen hat er das Ding und die dazu gehörenden Dias auf dem Dachboden gefunden. Laut Beschriftung müssten sie aus dem Sommer 1980 sein. Da waren Dad und Peter auf Hawaii mit ihren Eltern.
Während Peter sich mit der Technik beschäftigt und meine Hilfe kategorisch abgelehnt hat und Maggie in ihrem Arbeitszimmer verschwunden ist, schenke ich uns allen noch ein Glas Wein ein und setzte mich wieder zu Jess. Sie ist total verschmust heute. Ich küsse sie auf ihre Schläfe, was sie mit einem Brummen quartiert. Das sollte sie lieber sein lassen, denn dieses Geräusch schießt mir sofort in den Schoss. Und das bleibt meinem Schatz nicht verborgen. Sie setzt sich auf und boxt mich auf den Oberarm. Daraufhin ziehe ich sie an mich und küsse sie. Scheiß drauf, wer alles im Raum ist.
„Kinder, ich weiß, ihr seid müde, aber ich muss noch was mit Euch besprechen.“ Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Maggie mal nicht ans Geschäft denkt.
Jess setzt sich wieder gerade auf und lehnt sich an meine Seite.
„Zum Einen wollte ich Euch auf den Neusten Stand im Bezug auf Deine Mutter.“ Da bin ich aber gespannt.
„Dein Nachbar Dean, hat sich der ganzen Sachen angenommen. Er ist wirklich ein sehr angenehmer Typ. Mit einem Mitarbeiter war er bei Deiner Mutter. Sie haben ihr unmissverständlich klar gemacht, dass Sie diesen Vertrag hier unterschreiben soll. Tut sie es nicht, werden wir sie vor Gericht ziehen und wegen Erpressung und Unterschlagung anzeigen. Sie hat uns damals erpresst und wir sind nur auf ihre Bitte eingegangen um Dich zu schützen. Unsere Chancen vor Gericht stehen gut, aber ich denke, sie wird lieber das Geld nehmen, als diesen Schritt zu gehen.“
„Du hast ihr Geld angeboten?“
„Wir haben uns dazu entschieden, damit Sie Dich endlich in Ruhe läßt. Ihr ging es immer nur ums Geld. Sie wird auch diesmal zugreifen.“
„Das Geld werde ich zahlen.“
„Nein, dass ist unsere Sache. Wir machen das. Darüber gibt es keine Diskussion.“
Ihr Blick läßt keinen Zweifel zu. Sie wird keinen Cent von mir nehmen.
„So und nun zum geschäftlichen. Dir Dean hab ich gestern schon die neusten Angebot gegeben. Heute dann kam eine Anfrage herein. Steven Spielberg will das Leben von Estee Lauder verfilmen und will Dich Jess für die Hauptolle.“
„Was?“ Jess strahlt über beide Ohren. Spielberg. Wer würde nicht gerne mit ihm zusammen arbeiten.
„Vom Timing her würde es gerade so gehen. Du drehst bis März in Deutschland. Er will im Mai anfangen und den ganzen Sommer arbeiten.“
Das wars dann wohl mit einem gemeinsamen Jahr OFF. Meine Enttäuschung kann ich nur schwer verbergen. Alle freuen sich für Jess und sie ist plötzlich überhaupt nicht mehr müde. Ich gönne ihr diesen Job, wirklich, aber … was soll ich sagen.
Wir sind kaum auf Jess Zimmer als sie mich fragt: „Was ist los, De?“
Einen Moment denke ich darüber nach, sie mit einem lapidaren ‚nichts‘ abzuspeisen. Aber das wäre nicht fair.
„Als Maggie mir gestern die Angebot gegeben hat, da hab ich die Umschläge einfach auf meinen Schreibtisch gelegt. Es interessiert mich nicht die Bohne.“ Ich setzte mich auf die breite Fensterbank. Die Ellenbogen auf den Knie lege ich meinen Kopf in die Hände. Verzweifelter als gerade war ich noch nie. Ich hab keine Ahnung, was ich tun soll. Was ist das Richtige?
„Lass uns Schlafen gehen. Morgen werden wir darüber sprechen. Ich bin im Moment zu aufgedreht um richtig zu denken.“
Sie steht vor mir und krault mir durch die Haare. Das sind die Berührungen, die mir immer so fehlen, wenn sie nicht bei mir ist. Ich packe sie bei der Hüfte und ziehe sie noch näher an mich heran. Von unten schaue ich in ihre Augen. Diese Frau ist unglaublich. Sie scheint manchmal so zerbrechlich, aber die letzten Jahre haben sie stark gemacht. Und sie kennt mich.
Im Aufstehen gebe ich ihr einen zärtlichen Kuss. 6 Wochen war ich ohne sie. Unvorstellbar, dass ich das länger durchhalte.
„Ich liebe Dich so sehr. Und ich freue mich für Dich. Das ist Deine große Chance.“
„Ich liebe Dich, Dean. Daran wird sich nie was ändern. Und jetzt will ich Dich spüren. Ganz.“
Obwohl ich mit meinen Gedanken ganz wo anders bin, versuche ich mich auf Jess zu konzentrieren. Ich verwöhne sie und irgendwann schaffe ich es, meine Gedanken ganz auf sie zu richten. Sie ist das wichtigste in meinem Leben. Ist sie glücklich, bin ich es auch und wenn dieser Film für sie das Richtige ist, dann werde ich ihr nicht im Wege stehen.
Nachdem wir uns geliebt haben, liege ich noch eine ganze Zeit wach neben Jess. Sie liegt in meinen Armen. Ihre Hand liegt auf meiner Brust und ich genieße die Wärme, die sie ausstrahlt.
Als ich wach werde, ist das Bett neben mir leer. Ein Blick auf die Uhr und ich sehe, dass wir bereits 9 Uhr haben. Jess sitzt bestimmt schon am Frühstückstisch. Ihr Körper hat sicherlich noch Deutschland im Kopf. Da ist es jetzt schon wieder fast Abend.
Schnell springe ich unter die Dusche.
„Mum, was hälst Du von den Angeboten für Dean?“ höre ich Jess aus der Küche.
„Sie sind gut. Interessante Geschichten. Gutes Team.“
„Aber?“
„Jess, Du warst die letzten Wochen nicht da. Sicher versucht er am Telefon normal rüber zu kommen. Aber er ist sehr in sich gekehrt. Die Promotiontermine macht er nur mit Widerwillen, zumal er dort immer auf Claire trifft und er sie sich vom Hals halten muss.“
„Wie kommt der Film an?“
„Sehr gut. Aber nach Snowland war das auch zu erwarten. Ich muss sagen, es ist seine bisher beste Arbeit. Und wenn alles so läuft wie das Studio es hofft, hat er eine Chance auf die ein oder andere Nominierung.“
„Das würde mich sehr freuen für ihn.“
„Er kann es aber im Moment nicht genießen. Ihm scheint alles zu viel.“
„Mum er hat 15 Jahre lang kaum mal Zeit gehabt für sich. Die ganzen Geschichten die seine Mutter verbreitet hat. Das was er über seinen Vater erfahren musste. Die Sache mit uns.“
„Schatz, ich weiß. Ich mache mir nur Sorgen. Spricht er wenigstens mit Dir darüber?“
„Bisher noch nicht. Aber grundsätzlich ja. Wir sprechen über alles. Wahrscheinlich muss er nur erstmal für sich klar machen, was er will. Ich werde ihn diesbezüglich auch nicht drängen.“
Jetzt muss ich glaube ich mal eingreifen.
„Das weiß ich, Kleines. Ich würde mich auch nicht drängen lassen. Das habe ich viel zu lange getan. Meine Mutter war eine Meisterin darin mich so zu manipulieren ohne dass ich es wirklich gemerkt habe.“
Jess kommt auf mich zu. „Lass uns nach Hause fahren. Dann reden wir.“
Nach Hause. Das hört sich wundervoll in meinen Ohren an.
Wir verabschieden uns noch von Maggie und Peter und fahren dann nach Venice. „Lass uns an den Strand gehen. Wir reden und danach mach ich uns was zu essen.“
Während wir uns umziehen, sprechen wir kein Wort miteinander. Jess zieht sich einen Bikini an und darüber ein kurzes Strandkleid. Als sie an mir vorbei geht, riecht sie nach Sonnencreme. Sie hat eine ganz spezielle, da sie immer sehr schnell rot wird. Ich hab eine Longshort an und ein Shirt, dass ich schon ewige Zeiten besitze.
Mit zwei Strandlaken unter dem Arm und Hüten auf dem Kopf laufen wir über die Terrasse zum Strand. Jess hat noch eine Tasche gepackt mit ein bisschen Obst und Wasser.
Wir sitzen gerade mal ein paar Minuten als Jess beginnt zu reden. „Also Dean. Korrigiere mich, aber ich denke, Du überlegst schon seit mehreren Wochen, genauer seit Mum es angesprochen hat, über dieses Jahr Auszeit nach. Einfach mal Dinge machen, die Du schon immer mal tun wolltest. Keine Verpflichtungen. Dich mal gehen lassen. Und das ganze am liebsten Alleine.“
„Nein, am liebsten mit Dir.“ sage ich vielleicht ein bisschen zu laut. „Ich wollte mit Dir reden. Jetzt, wenn Du hier bist. Nach den Oscars, nach Ende Deiner Dreharbeiten.“
„Aber nun hab ich dieses Angebot.“
„Ja, und ich weiß wie sehr Du Spielberg bewunderst. Du liebst seine Filme. Mit ihm zu arbeiten ist ein Traum für Dich. Und eine riesige Chance.“
„Doch Du willst diese Auszeit auf jeden Fall.“
„Ja, ich brauche das. Im Moment habe ich das Gefühl als müsse ich herausfinden, was ich wirklich will. In meinem Leben gibt es nur eines, was ich auf jeden Fall und zu 1000% weiß: Ich will Dich, Jess. Ich liebe Dich. Aber darüber hinaus weiß ich gar nichts mehr. Ist dieser Job wirklich dass, was ich bis ich alt werde, machen möchte? Oder gibt es noch was anderes?“
„Dann musst Du es herausfinden.“
„Aber ich wollte das mit Dir gemeinsam machen.“
„Dean, ich für meinen Teil, weiß was ich will. Ich will Dich und die Schauspielerei. Ich mag es in eine Rolle zu schlüpfen. Erinnerst Du Dich an früher, wenn ich mich verkleidet habe? Schon damals fand ich das toll. Und ich möchte die Chance, die mir Spielberg bietet nutzen.“
„Auch wenn wir uns dafür trennen müssen?“
„Wir müssen uns doch nicht trennen!“ schreit sie mich an.
Sie wird ganz still. Ich nehme sie in den Arm. „So war das doch nicht gemeint.“
„Dean, wenn, wenn ich darauf verzichte, für Dich, für uns, dann werde ich Dir das irgendwann vorwerfen. Und wenn Du für mich auf Deinen Traum, also auf diese Auszeit verzichtest, dann wirst Du mir das vorwerfen. Nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann. Das sollten wir nicht tun. Wir sollten besser überlegen, wie wir diese beiden Träume vereinbaren können.“
Sie ist eine so wundervolle Frau. „Aber ich habe Angst.“
„Wo vor?“ Ich traue mich nicht ihr das zu sagen. Aber ich muss. „Dass Du denken könntest….“
„Halt Dean! Niemals. Ich weiß, dass Du mich liebst. Und ich vertraue Dir. Du wirst zu mir zurück kommen und dann wissen, wie Du Dein weiteres Leben, unser Leben gestalten möchtest. Ich werde nicht in alte Gewohnheiten zurückfallen. Das kann ich Dir versprechen. Vertrau mir, Dean, dass ich auf mich aufpassen werden. Und Du wirst mir versprechen auf Dich aufzupassen und gesund wieder nach Hause zu kommen.“
„Du bist der Wahnsinn und ich hatte solche Angst Dir das vorzuschlagen. Ich weiß doch, wie schwer Dir jetzt schon unsere Trennungen fallen.“
Sie lächelt mich an und setzt sich plötzlich auf meinen Schoß.
„Die meiste Zeit werden wir in New York drehen. Dann wohne ich bei Dir. Bist Du da, gut. Bist Du nicht da, weißt Du wo ich bin. Drehen wir hier, wohne ich hier oder bei Mum und Dad, je nachdem wo Du bist. In Drehpausen können wir uns vielleicht sehen. Irgendwas wird uns einfallen. Bisher hat es doch auch ganz gut funktioniert.“
„So machen wir es.“ Ich küsse sie. „Lass uns rein gehen.“ haucht sie an meinen Lippen.