Heute nun stehen die Golden Globes an. Ich bin gerade in Jess Zimmer und ziehe mich an. Sie selbst hat gerade angerufen und wir haben gesprochen über ihren Tag. Noch eine Woche wird sie drehen und dann wird sie erschossen. Was sie noch nicht weiß, ich werde an ihrem letzten Drehtag bei ihr sein. Und dann werde ich ihr bei ihrem Umzug nach Berlin behilflich sein. Danach fliege ich für eine Woche nach Dubai und Jess macht Urlaub mit ihren Freundinnen in Südfrankreich. Anfang Februar treffen wir uns dann in Baden-Baden wieder. Dann endlich beginnt der Dreh für unseren gemeinsamen Film.
„Dean, kommst Du, der Wagen ist da.“ ruft Maggie von unten. Ich bin mal gespannt, was sie trägt. Sie hat eine super Figur mit ihren 52 Jahren und auch sonst macht sie ganz schön was her. Das Peter sich in sie verliebt hat, dass kann ich voll verstehen.
Meine Gefühle für Jess sind mir noch immer nicht ganz klar. Die Tage nach Weihnachten haben Jess und ich zusammen verbracht. Manchmal nur am Tag, aber sie hat auch zwei Nächte bei mir in Venice geschlafen und ich habe Silvester mit ihr, ihren Eltern und ein paar Freunden in der Villa gefeiert. Klar bin ich wieder in ihrem Bett aufgewacht.
Jeder einzelne Tag mit ihr war sehr schön. Wir haben viel geredet, gelacht und uns auch das ein oder andere Mal geküsst. Sie in meinen Armen zu halten ist fast schon normal geworden. Aber trotzdem genieße ich es jedes Mal und auch das Kribbeln im Bauch wird nicht weniger. Doch wie sie zu mir steht, damit bin ich keinen Schritt weiter. Alleine ihre Küsse lassen mich hoffen.
So, jetzt muss ich aber mal. Mal sehen, was der Abend so bringt.
Wie wenig ich diesen Teil meines Jobs mag. Ich wünschte Jess wäre hier. Dann müsste ich jetzt nich alleine daraus. Peter und Maggie gehen vor auf den roten Teppich. Ich folge ihnen in einigen Metern Abstand. Peters Serie ist mal wieder nominiert als beste TV-Serie, daher werden wir gleich ziemlich weit vorne sitzen. Von Jamie weiß ich, dass auch er hier sein wird. Seine Serie „The Tourist“ ist weltweit ein absoluter Quotenhit. Er wurde als bester Hauptdarsteller in einer TV Serie nominiert. Ich wünsche ihm wirklich, dass er gewinnt. Er hat das verdient. Nach seinem Erfolg in „Belfast“ ist er endlich mal dran.
Dieses Geschrei am roten Teppich nervt mich am aller meisten. Ich tue dass, was man uns allen beigebracht hat: Lächeln und Posen. Gesicht nach rechts, Gesicht nach links. Wieder 5 Meter weiter und von neuem. Körper straffen, Lächeln aufsetzen, Gesicht in die Kamera. Nach den Kameras kommen die TV-Stationen mit ihren Reportern die einfach nur lästige Fragen stellen.
Nach wie vor folge ich Maggie und Peter. Sie halten bei einem der großen Sender und plötzlich höre ich Maggie rufen: „Dean komm kurz her.“ Sie wedelt mit ihrer Hand und ich greife danach. Peter hält sie fest im Arm.
„Peter, Maggie, Dean schön sie heute Abend so einträchtig nebeneinander zu sehen. Fehlt nur noch ein Familienmitglied. Seit wann wissen Sie es Dean? Wie haben Sie von der Affäre erfahren?“ Wir drei schauen uns an und die Fragezeichen sind wahrscheinlich so groß wie wir selbst. Maggie fängt sich als erstes. „Welche Affäre meinen Sie?“ „Offensichtlich kennen Sie die neusten Schlagzeilen noch gar nicht. Und Sie Dean. Sie werden schließlich als Quelle genannt. „Ich habe keine Ahnung, von was sie reden.“ Der Reporter zückt sein Tablett und öffnet eine Seite der LA Times. <Sie ist meine Schwester> steht da. Scheiße! Ich reiße ihm das Ding aus der Hand und lese mir den Artikel durch. Von Wort zu Wort empöre ich mich mehr. Da steckt doch meine Mutter dahinter. Sie hat den perfekten Zeitpunkt abgepasst.
„Das hier, ist alles völliger Bullshit. Ich habe keine Ahnung, wer das in die Presse gesetzt hat. Aber ich ganz gewiss nicht. Nichts von dem was da steht ist wahr. Ich kenne die Wahrheit und diese hat hier und heute nichts zu suchen. Die geht nur mich und die Beteiligten etwas an. Maggie, Peter, Jessica und ich verstehen uns bestens. Wir haben viel über die letzten 15 Jahre gesprochen. Zwischen uns ist alles gut. Insbesondere zwischen Jessica und mir. Wir werden ab Februar einen gemeinsamen Film drehen.“
„Was glauben Sie Dean, wer hat diesen Artikel lanciert und warum?“
„Dazu sage ich nichts. Das werden wir klären. Jetzt erstmal werden wir diesen Abend genießen.“
Ich ziehe Maggie und Peter von den Reportern weg. „Mum zieht wieder irgendeine Scheiße ab. Hast Du Dein Handy dabei Maggie?“
„Ja, aber warum?“ „Ruf Jess an. Ich will nicht, dass Sie davon überrascht wird.“ „Du hast Recht.“ pflichtet Maggie mir bei.
Peter und ich gehen Richtung Eingang, als Jamie mich abfängt. Er hat Amelia an der Hand. „Hey Dean, darf ich Dir meine Frau vorstellen? Amelia, das ist Dean Harper. Ich hab Dir ja von ihm erzählt.“ „Schön Dich persönlich kennen zu lernen.“ „Ganz meinerseits. Was machen Eure Girls?“
„Wir sind erst ein paar Tage hier und sie haben noch ein bisschen mit dem Jet Lag zu kämpfen.“ „Ihr müsst mal raus kommen nach Venice. Die Mädchen werden es lieben. Ich flieg Montag nach Deutschland. Aber ihr könnt jederzeit da rein. Ich geb Maggie die Schlüssel. Diese tippt mich gerade von hinten an.
„Ja, Schatz, ich geb ihn Dir.“ Sie reicht mir ihr Handy.
„Hey, Jess.“
„De, ich hab es mir gerade angesehen. Warum macht sie das?“
„Wenn ich das nur wüsste. Jess. Schlaf. Du hast morgen einen anstrengenden Tag vor Dir. Ich melde mich. Träum süß.“
„Wir reden morgen. Ich ruf Dich an.“
„Tu das. Kuss.“
„Kuss.“
Ich gebe Maggie das Handy zurück und wir gehen gemeinsam in den riesigen Saal.
Am nächsten Morgen weckt mich mein Handy. „Ja.“ hauche ich. Vielleicht drei Stunden habe ich geschlafen. Nachdem Jamie den Globe gewonnen hat, haben wir noch ewig gefeiert. Es hat Spaß gemacht mal wieder ein wenig alles zu vergessen, was so passiert. Maggie und Peter sind früh gegangen aber ich wollte nicht gehen und Jamie und seine Freunde sind einfach alles nette Leute. Gott haben wir viel gelacht. Schön, den ganzen anderen Scheiß mal zu vergessen. Eddie und Andrew waren auch beide nominiert, wurden aber nicht ausgezeichnet.
„Hey, Großer, ich bin’s.“ Shit. Jess.
„Hallo Jess. Hast Du Pause?“. Murmel ich.
„Ich bin schon durch. Hast Du mal auf die Uhr gesehen?“ Oh, Mist. Schon 12 Uhr. Dann war es heute morgen wohl doch sehr früh.
„Sorry, Kleines. Ich hab gestern noch mit Jamie und seinen Freunden gefeiert.“
„Ist schon ok. Werd erstmal wach. Geh duschen. Dann kannst Du mich ja nochmal anrufen.“
„Mach ich. Nicht böse sein, bitte.“
„Bin ich nicht.“ und schon ist sie weg. Verdammt! Sie fehlt mir.
Oh je, was für eine Nacht. Mein Kopf dröhnt. Irgendwer hat da oben den Schlagbohrer angestellt. Dagegen muss ich erstmal was tun bevor ich mit Jess spreche. Außerdem muss ich noch packen. Schließlich will ich morgen früh zu ihr fliegen.
Nach einem großen Glas Orangensaft, zwei Aspirin und einer ewig langen Dusche fühl ich mich endlich wieder wie ein Mensch. Erstmal durchforste ich die Presse und das Internet nach dieser blöden Geschichte die Mum verbrochen hat. Überall finde ich sie. Das ist so ein Mist. Was mache ich denn nun? Sie zieht die Flynn‘s in den Dreck und stellt mich auch noch als Quelle dieser Scheiße da. Das geht echt zu weit, Jetzt wird sie mich mal kennenlernen.
Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich kurz aus dem Haus und klingle bei meinem Nachbarn. Er ist Anwalt. Jetzt ist wirklich das Faß übergelaufen.
Als ich wieder zu Hause bin, fällt mir ein, dass ich Jess zurückrufen sollte. Aber die schläft jetzt bestimmt. Ich schreibe ihr kurz eine Entschuldigung und dann rufe ich Maggie an.
„Hallo Dean, noch schön gefeiert?“
„Ja, aber deswegen rufe ich nicht an. Diese Scheiße ist überall im Netz. Wir müssen was dagegen tun.“
„Ich hab schon eine Unterlassungsklage laufen. Außerdem werden wir Gegendarstellungen verlangen.“
„Maggie, das alles ist nicht genug. Ich will heute Abend ins Fernsehen. Egal wo. Ich werde das richtig stellen.“ Sie ist einen Moment still. Wahrscheinlich ist ihr das sehr recht, aber sie selbst hätte mich nie darum gebeten.
„Danke Dean. Dass Du dazu bereit bist, das bedeutet mir sehr viel.“
„Maggie, diese Anschuldigungen sind so abstrus. Das das überhaupt jemand glaubt.“
„Leider ist die Welt da draußen so. Peter wurde schon von seiner Produktionsfirma angerufen.“ Wie bitte? Die können das doch nicht ernsthaft glauben.
„Das ist so ein Mist.“ Am liebsten würde ich gerade auf etwas einschlagen.
„Ich melde mich bei Dir, sobald ich etwas habe.“
Nach dem Gespräch mit Maggie hat das Telefon geklingelt und Jess war dran. Obwohl es mitten in der Nacht in Deutschland ist. Es war ihr wichtig mit mir zu sprechen. Das ist etwas, was ich so sehr an ihr liebe. Eines der vielen Sachen.
Gestern Nacht habe ich lange mit Amelia gesprochen. Sie ist ein tolle Frau. Und eine so wundervolle Mutter. Jamie hat ihr gestern eine wunderschöne Liebeserklärung gemacht. Er hat Everlasting Love für sie gesungen. Es war so schön. Sie hatten beide Tränen in den Augen.
Amelia meint auch, ich solle was Jess angeht auf mein Gefühl vertrauen. Aber dabei immer ehrlich sein. Das werde ich schaffen.
Ich hab gerade meinen Koffer gepackt, als mein Telefon klingelt.
„Maggie.“
„Du könntest heute Abend kurzfristig bei Jimmy Kimmel rein.“
„Wow, wie hast Du das geschafft?“
„Frag nicht. Kann ich zusagen?“
„Ja, sicher. Und mir wäre es lieb, wenn Du dabei bist.“
„Das werde ich. Peter wird auch da sein. Er muss heute nicht mehr drehen.“
„Ich hab mit Jess gesprochen. Sie ist eigentlich nicht begeistert von der Idee.“
„Das kann ich mir vorstellen. Meine Tochter hat aber leider auch keine bessere Idee.“
„Begrüßen Sie mit mir: Dean Harper.“
Der Applaus ist unglaublich. Und einige Damen kreischen regelrecht, als ich nach draußen ins Rampenlicht gehe. Jimmy kommt mir entgegen und klopft mir auf die Schulter. Wir haben kurz hinter der Bühne besprochen, was zur Sprache kommen wird.
„Party gefeiert, Dean? Ich hab Dich bei den Globes gesehen mit Jamie.“
„Ja, wir haben seinen Globe gefeiert. Ging ein bisschen lang.“ Ich senke ein bisschen den Blick, als sei es mir peinlich. Das kommt immer gut an. Obwohl ich in Wahrheit jede Sekunde genossen habe.
„Ja und außerdem musstest Du ja auf Deine neue Schwester anstoßen. Ich hab gehört ihr beiden dreht zusammen einen Film. Mit ziemlich heißen Liebesszenen. Wird das nicht komisch sein?“
„Weißt Du Jimmy, mit einer tollen Frau wie Jess zu spielen, das wird wunderbar, da bin ich mir sicher. Aber….sie ist nicht meine Schwester. Wer auch immer diesen Artikel geschrieben hat, der hält nicht viel von der Wahrheit.
Maggie Flynn hatte nie was mit meinem Vater. Sie war mein Kindermädchen. Sie hat mich großgezogen. Und irgendwann hat sie sich in Peter verliebt. Jess wurde geboren. Und Paul Harper ist mit Sicherheit nicht Jess Vater.“
„Du scheinst Dir da sehr sicher zu sein.“
„Ja.Weil ich die Wahrheit kenne und außerdem etwas weiß, was bisher in der Öffentlichkeit unbekannt war.“ Ich hole tief Luft und suche die Kamera. Schaue direkt rein. Das kommt immer besonders wahrhaftig rum. „Mein Vater war schwul. Er hat sich sehr früh geoutet gegenüber Peter. Aber damals war Hollywood noch nicht soweit. Er musste sich verstecken. Peter hat ihn immer beschützt. Ihm ermöglicht hinter verschlossenen Türen seine Sexualität zu leben.“
„Aber da gibt es Dich?“
„Richtig. Meine Mutter traf meinen Vater als sie mal gerade 18 war. Sie sah aber viel Älter aus. Sie wurde ihm in einem Club vorgestellt. Auf Geheiß seines Managers war er am Wochenende oft unterwegs und hat sich dann mit Frauen ablichten lassen. Wie es dazu kam, dass er und meine Mutter im Bett landeten, keine Ahnung. Ist mir auch nicht wichtig. Ich bin hier auf dieser Welt, weil es offensichtlich diese eine Nacht gab. So what. Danach hatte er nie wieder etwas mit einer Frau. Wer etwas anderes behauptet, der lügt.“
„Sind sie erleichtert, dass Jess nicht ihre Schwester ist?“
Ich muss einfach breit grinsen. Im Moment wäre es das schlimmste, was mir passieren könnte. „Ja, ziemlich. Wenn sie es wäre, dann würde ich mit Sicherheit nicht diesen Film mit ihr drehen. Egal wie professionell ich sein kann, aber das mit meiner Schwester drehen? Ich denke, dass wäre dann doch zu viel des Guten.“
„Wohl wahr. Kannst Du uns was über den Film sagen?“
„Leider nein. Es wird eine Lovestory werden.“
„Ach… wie steht es eigentlich mit Der anderen Frau in Deinem Leben: Claire?“
„Und wieder sind wir beim Thema. Da will die Produktionsfirma, dass wir zusammen Promotion für unseren Film machen und schon wird uns eine Affäre angedichtet. Daran ist nichts.“
„Sie hat aber erst letzte Woche hier an dieser Stelle etwas anderes behauptet. Und wenn ich mich recht erinnere, zeigte sie uns einen ziemlich fetten Klunker.“
Ich verdrehe die Augen. Setze mich gerade hin. „Claire besitzt genug Geld um sich den Ring selbst gekauft zu haben. Ich jedenfalls hab es nicht und damit ist dieses Thema auch erledigt. Ich bin Single, im Moment und kann ganz gut damit leben. Und wenn sich daran etwas ändern sollte, dann werde ich es zu gegebener Zeit bekannt geben.“
Gott wie ich diese Shows hasse. Aber ich war los geworden, was ich wollte. Jetzt musste Mum doch Ruhe geben.
„Das hast Du gut gemacht.“ kommt Peter hinter der Bühne zu mir.
„Ich hoffe, sie fangen nun nicht an in Eurem Leben zu wühlen. Das wäre mir unangenehm.“
„Ach was, das halten wir aus. Ich habe nichts zu verbergen.“
„Danke Peter.“
„So aber jetzt auf. Du musst morgen früh raus.“
„Ich freu mich so auf Jess.“