Wie schon von mir vermutet habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen.
Nach meinem Auftritt in dieser Talk Show habe ich noch ein bisschen mit Peter und Maggie zusammen gesessen. Wir sind die Möglichkeiten durchgegangen die wir noch haben und meine Mutter in Schach zu halten. Zum Schluss sind wir über ein gekommen, dass wir unabhängig von einander einen Anwalt einschalten werden. Die Art der Klage sollen sich die Anwälte ausdenken. Davon hab ich keine Ahnung. Ich weiß nur nach gestern eines ganz sicher: Ich will nichts mehr zu tun haben mit dieser Frau, die mich vielleicht zur Welt gebracht hat und mir auch jahrelang ein zu Hause gegeben hat, aber mit dem was ich heute weiß, muss ich einfach so handeln.
Mir tut es so unendlich leid, dass Jess wegen mir so gelitten hat. Und ich mache mir Vorwürfe. Wenn ich nur ein bisschen mehr nachgedacht hätte, dann wäre ich vielleicht von selbst drauf gekommen. Aber mein anfänglich großer Erfolg hat mir wohl die Sinne vernebelt. Andere Kinderstars fangen an zu trinken oder nehmen Drogen, ich hab von all dem nichts getan, aber ich habe die Menschen, die mich von Herzen lieben einfach aus meinem Leben gestrichen. Mir war damals klar, dass ich mit Maggie nie so früh zum Film gekommen wäre und das Modeln hätte sie wohl auch nie gut geheißen. Ich bin echt ein Idiot. Aber nun versuche ich es besser zu machen und auf mein Gefühl zu hören und das sagt mir eindeutig, dass meine Mum eine Bitch ist und die Flyns meine Familie.
Für die nächsten Wochen werde ich mich jetzt auf Jess und dann auf unserer Dreharbeiten konzentrieren. Das wird eine ganz besondere Zeit für uns Beide.
Erst eine Woche mit Jess in Berlin, dann Dubai und dann ein Dreh, der mir sehr wichtig ist. Und das in vielerlei Hinsicht. Zum einen ist da Jess, mit der ich sehr spezielle Szenen drehen werde und zum anderen ist da Jamie. Ihn möchte ich nicht enttäuschen. Er setzt viel Hoffnung in diesen Film. Wird er erfolgreich, dann wird es in Zukunft einfacher für ihn und seine Produktionsfirma Investoren zu finden. Je erfolgreicher um so einfacher lassen sich Gelder akquirieren.
Für den Flug nach Europa habe ich mich für eine Route über London entschieden, bzw. musste ich. Während eines knapp 20 Stündigen Aufenthaltes werde ich ein Gespräch haben, das Maggie und Jamie für mich angeleiert haben. Ich bin im Gespräch für den dritten Downton Abbey Film. Man sucht einen Amerikaner, der den Cousin der Crawley Schwestern spielen soll. Eine historische Rolle hab ich noch nie gespielt. Daher würde es mich freuen, wenn das funktioniert. Zumal Jess zum gleichen Zeitpunkt in Berlin dreht. Dann sind wir nur knappe zwei Stunden voneinander getrennt.
Nachdem ich mein Gepäck schon für den nächsten Tag weiter eingecheckt habe, hole ich mein Handy raus und lese mir nochmal Jamies Nachricht durch. Seinen Anweisungen folgend finde ich schon nach kurzer Zeit den netten Herrn mit dem Schild „Focus Features.“
Er fährt mich in die Innenstadt zur Adresse von Focus Features. Dort werde ich sehr nett begrüßt und in einen Besprechungsraum geführt.
Zwei Stunden später bin ich auf dem Weg zum Hotel. Das Gespräch war mehr als erfolgreich. Ich hab den Job. Maggie und Jamie habe ich bereits informiert. Je näher mir die Rolle vorgestellt wurde, um so mehr wollte ich sie haben. So einen Charakter habe ich noch nie gespielt. Mal nicht den Guten und Netten zu spielen, ist natürlich immer ein Risiko, aber, auch da ist Jamie ein hervorragendes Vorbild, immer nur einen Typ zu spielen, kann auf die Dauer langweilig werden.
Heute habe ich zudem Dinge erfahren, die mich noch mehr in meiner Entscheidung bestärken, meine Mutter als Agentin los zu werden. Offensichtlich hat sie immer Rollen abgelehnt, die nicht dem Typ entsprachen, den sie gerne in mir sah. Und ich dachte schon, es sei mein Schicksal nur den smarten Verführer zu spielen, gepaart mit Action und Crime.
Glücklich und auch aufgeregt lege ich mich ins Bett. Ein bisschen schlafen und dann…werde ich Jess überraschen. Morgen hat sie ihren letzten Drehtag.
Am Flughafen in München führt mich mein erster Weg nach der Gepäckausgabe zum Schalter der Autovermietung. Maggie hat mir einen Van reserviert. Normal mag ich diese Autos ja nicht, aber wir müssen sicher einige Kartons nach Berlin transportieren. Ihre Möbel bleiben ja alle in der Wohnung. Für den Transport kann es nicht schlecht sein, ein großes und vor allem starkes Auto zu haben.
Mit jedem Meter, den ich mich den Filmstudios nähere werde ich nervöser. Was, wenn sie sich nicht freut mich zu sehen?
Wie schon im Sommer komme ich ohne Probleme zum Set. Diesmal hat Maggie alles für mich arrangiert. Das rote Licht signalisiert mir, dass gedreht wird. Also halte ich mich erstmal im Catering auf. Eine nette Mitarbeiterin, die mich mit ihren großen braunen Augen abscannt, bietet mir ein Sandwich an. Dazu bitte ich sie um eine Cola.
„Sie sind doch…Dean Harper.“
„Jepp.“ antworte ich kurz und knapp.
„Was verschlägt Sie denn an dieses Set? Verlaufen?“
„Nein, ich bin ganz richtig hier.“
„Wen haben wir denn da?“ höre ich sogleich eine Stimme. Der entsprechende Mann dazu steht in der Türe und lächelt mich an. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber da ich in den letzten Wochen viel über Jess und ihre Arbeit recherchiert habe, habe ich sein Gesicht auf einem Foto in Erinnerung. Er ist einer der Regisseure der Serie.
Ich stehe kurz auf und gehe auf ihn zu. „Schön Sie kennenzulernen Herr Buschmann.“
„Ganz meinerseits, Mr. Harper.“
Er setzt sich zu mir an den Tisch und läßt sich von unserer netten Servicekraft auch ein Sandwich und eine Cola bringen.
„Im Moment sind alle in der Maske. In etwa 10 Minuten wollen wir mit dem Dreh fortfahren. Lust mit mir hinter die Kamera zu kommen?“
„Gerne, wenn ich darf.“ Jess beim Drehen zuzusehen ist mal was neues.
„Sicher. Die Schlussszene wird nochmal ganz schön emotional.“ Davon ist auszugehen.
„Schade, ich dachte, ich würde mehr mitbekommen.“
„Wir haben heute sehr früh angefangen. Ein paar Nachdrehs. Es ging alles schneller, als ich vermutet hatte.“
„Sie arbeiten offensichtlich mit Profis zusammen.“
„Ich habe gehört, sie werden mit Jessica einen Film drehen. Hier in Deutschland.“
„Ja, wir haben uns für Baden-Baden als Drehort entschieden. In den Staaten findet man solche Kulissen ja leider nicht.“
„Ein historischer Stoff?“
„Nein, eher ein Märchen. Ein Fiktiver Kleinstaat.“
„Ah, verstehe. Sie beide als Paar?“
„Ja.“
„Das wird sicher nicht leicht.“ Wem sagt er das.
„Das ist uns bewusst. Aber wir stellen uns dieser Herausforderung.“
„Jess ist eine außergewöhnliche junge Frau. Ich bedaure es sehr, dass man ihre Rolle aus dem Drehbuch geschrieben hat. Sie ist durch und durch professionell und sie hat unglaubliches Talent.“
„Ihr Vater hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen.“
„Ganz sicher.“ Er grinst mir zu und wirft einen Blick auf seine Uhr. „Wir sollten los.“
Als ich mit Ulrich das Set betrete bin ich ehrlich gesagt ziemlich nervös. Ich möchte ungern, dass Jess mich entdeckt. Nicht, dass sie die Szene versaut.
„Kommen Sie näher, Dean.“
„Ich bleibe lieber ein Stück zurück. Jess weiß nicht, dass ich hier bin.“
„Gut, wie Sie wollen. Setzen Sie sich da hinten hin. Über Monitor können Sie die Szene verfolgen.“
Kurze Zeit später gibt er Anweisung, das alle an ihren Platz sollen. 5 Minuten bis Drehbeginn. Vorne rechts erkenne ich Jess. Sie kniet auf dem Boden. Ein Mann tritt an ihre Seite. Er hat eine Deutsche Polizeiuniform an und auch er geht auf den Boden. Er setzt sich hin und Jess legt sich in seine Arme. Sie trägt eine weiße Bluse, die vorne einen riesigen roten Fleck hat. Es sieht so aus, als sei sie verletzt, bzw. angeschossen.
„Bitte Ruhe. 1 Minute.“
Ich spüre die Anspannung. Alle sind fokussiert.
Dann ertönt das Zauberwort: „Action.“ und die Klappe ist zu hören.
„Isi, mach keinen Scheiß. Bleib bei mir.“ ruft der Mann, der Jess in den Armen hält. Es streicht ihr zärtlich über die Wange. Auf dem Monitor vor mir kann ich sehen, dass zwei Kameras laufen. Eine auf Jess gerichtet, eine auf ihren Partner.
„Ben,“ haucht Jess. „Halt mich.“ Ihre Augen flattern. Sie verzieht ihr Gesicht, als hätte sie Schmerzen.
„Du darfst nicht aufgeben. Hörst Du. Isi bitte, lass mich nicht alleine. Du weißt, dass wir noch so viel vor haben.“
Er küsst sie ganz zart. „Ich liebe Dich.“ wieder ist Jess Stimme ganz leise und schwach.
„Und ich liebe Dich.“ Noch ein Kuss. Irgendwie gefällt mir das nicht. Natürlich ich weiß, dass alles ist Teil dieses Spiel. Aber…irgendwie gefällt es mir nicht. Und das sie einem anderen sagt, dass sie ihn liebt, irgendwie auch nicht.
„Mir ist so kalt.“ höre ich sie.
„Halt durch Isi. Gleich wird Dir geholfen.“
„Furchtbar kalt.“ Ihre Augen verdrehen sich und ….sie wirkt wirklich so, als sei alles Leben aus ihr gewichen.
Ein markerschütternder Schrei von Jess Partner ertönt und dann: „Cut“
„Leute, ich schau mir kurz das Material an.“ höre ich Ulrich sagen. Alle verharren auf ihren Plätzen. Keiner wagt sich zu bewegen.
Es dauert keine 5 Minuten, da gibt Ulrich das erlösende Signal. Die Szene ist im Kasten und Drehschluss für heute.
Langsam begebe ich mich aus der Dunkelheit des Sets nach vorne. Ich bin so gespannt, wie Jess reagiert, wenn sie mich sieht.
Aber es dauert eine ganze Weile, bis sie endlich einmal ihren Blick in meine Richtung lenkt. Jeder aus dem Team hat sie in der Zwischenzeit umarmt und neben mir steht eine junge Frau mit einem Geschenk in der Hand. Sicher ist das von der Produktionsleitung. Sie geht ein paar Schritte auf die Gruppe zu, in deren Mitte Jess steht. Ich folge ihr.
„Jessica.“ Mit lauter Stimme versucht die Junge Dame vor mir sich Gehör zu verschaffen. Direkt dreht die angesprochene ihren Kopf der Stimme entgegen. Und dann…sie sieht mich und strahlt. Mein Herz macht einen richtigen Purzelbaum. Ab heute nehme ich mir vor, ihr jeden Tag ein solches Strahlen ins Gesicht zu zaubern. Ich nicke kurz und sie konzentriert sich auf die Geschenkeübergabe. Denn irgendwoher sind noch andere Personen gekommen. Der eine hat Blumen in der Hand, der andere einen Korb mit lauter feinen Delikatessen.
Jess ist völlig gerührt. Ich hab sowas noch nie erlebt. Als ich damals Serien fürs Fernsehen drehte, da blieb ich bis zu letzten Klappe und dann gab es eine riesige Party.
Nach gefühlt unendlich vielen Minuten schaffe ich es endlich zu Jess durchzudringen. Sie hat leider keine Hand frei, daher umarme ich sie und drücke ihr einen Kuss auf die Schläfe.
„Hallo Kleines.“ Sie erschrickt kurz, doch dann entspannt sie sich. Ich kann es deutlich spüren.
„Was machst Du hier?“
„Dich abholen.“ Ich muss lachen. Sie macht ein Gesicht, das ist zum Hinknien.
„Abholen? Du fliegst von Kalifornien hierher um mir beim Umzug zu helfen?“
„Yep. Tut man doch als Freund, oder?“
„Freund?“
„Jepp.“ Mehr sage ich erstmal nicht.
Sie ist sichtlich irritiert. „Willst Du mich nicht mal vorstellen.“ Werden wir von der Seite angequatscht.
„Sorry, Jasha. Darf ich Dir vorstellen: Dean Harper. Mein bester Freund und sowas wie mein großer Bruder.“ Scheiße, schon wieder dieses Wort. Ich dachte eigentlich, nach den letzten Wochen, hätte wir das hinter uns. Bester Freund ist auch nicht besser, so mal ganz nebenbei.
Ich lächle gequält und reiche dem Mann, den ich auf Anfang, Mitte Dreißig schätze meine Hand
„Jasha Rust.“ stellt er sich vor.
„Hab ich schon mal gelesen. Sie…Sie werden eine Rolle in unserem Film übernehmen.“
„Richtig. Ich darf einen ihrer Armee-Kollegen spielen. Nichts bedeutendes.“
„Sagen Sie das nicht. Der Oscar-Preisträger mit der geringsten Auftrittszeit liegt bei unter 6 Minuten. Also auch da kann man Eindruck schinden.“
„Wenn Sie das sagen.“
Jess drängelt etwas. „Dean, ich würde gerne diese Klamotten los werden. Kommst Du mit in meinen Trailer oder willst Du Dich noch länger unterhalten?“
„Bin schon unterwegs. Komm ich helfe Dir tragen.“ Ich schnappe mir den Präsentkorb und folge ihr.
Ihr Trailer ist für amerikanische Verhältnisse klein. Aber sie hat ihn sich gemütlich eingerichtet.
Ich hatte gerade beide Hände freigemacht und das Geschenk abgestellt, als Jess mir um den Hals fiel. Sie küsste mich und dann schaute sie mich mit große Augen an.
„Warum bist Du wirklich hier?“
„Meine… und übrigens auch Deine…Agentin meinte, es würde Dir gefallen, wenn ich Dir beim Umzug helfen.“
„So… meinte sie.“
„Ja.“ ich grinse sie an. „Ich helfe Dir und bringe Dich noch zum Flughafen.“
„Und Du?“
„Ich werde dann für eine Woche nach Dubai fliegen. Du weißt schon, wegen der Gespräche.“
„Dann lass uns mal losfahren. Hast Du einen Wagen mitgebracht?“
„Ja einen Van. Deine Mum meint wohl, das noch einiges zu transportieren ist.“
„Dann mal los. Jetzt versteh ich auch, warum Mum darauf bestanden hat, dass sie den Wagen reserviert.“ Sie lächelt so schön. „Fahren wir heute Abend noch los?“
„Nein. Deine Mum hat uns eine Suite im Bayerischen Hof gebucht für heute Nacht.“
„Wieviel Uhr haben wir?“
Ein Blick auf die Uhr läßt mich locker werden. „Wir haben 16.25.“
„Puh, gut. Dann lass uns mal zusammen packen.“
„Wo ist eigentlich Dein Wagen?“ frage ich sie.
„Mein Wagen ist schon in Berlin. Ich hab letztes Wochenende schon ein paar Sachen dorthin gebracht und die Wohnung von meiner Kollegin übernommen. Da hab ich ihn dagelassen und bin mit dem Zug zurück.“
„Musst Du noch viel machen in der alten Wohnung?“
„Nein, die Wohnung ist besenrein. Alles erledigt. Muss alles nur noch in ein Auto und die Schlüssel muss ich an Saskia übergeben. Sie kommt um 17 Uhr.“
„Mein fleißiges Bienchen.“ ich nehme sie in den Arm und drücke sie an mich. Es fühlt sich so gut an! Ich hab sie 10 Tage nicht gesehen und scheine regelrecht ausgehungert. Wie ein Junkie auf Entzug fühle ich mich. Und jetzt hab ich meine Droge wieder. Und mein nächster Tripp wird eine Woche anhalten.
Gemeinsam packen wir mein Auto mit ihren Geschenken und einer kleinen Kiste, in der sie ihre privaten Habseligkeiten aus dem Trailer verstaut hat.
„Traurig?“ frage ich sie, als wir endlich in den Wagen eingestiegen sind.
„Ein bisschen. Das alles ist irgendwie wie Familie.“
„Freust Du Dich auf all das Neue, was auf Dich wartet?“
„Ja, sehr.“ sie lächelt mich an.
Drei Stunden später checken wir im Bayerischen Hof ein. Sie hat ihrer Nachmieterin die Wohnungsschlüssel übergeben und von ihr ein kleine Ablöse für ein paar Möbel bekommen, die sie dort gelassen hat. Die Wohnung in Berlin ist viel kleiner und hat schon eine Küche.
Als wir gerade auf den Fahrstuhl im Hotel warten, wird es hinter uns hektisch. Scheiß Paparazzi muss ich denken. Ich zieh mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf. Wie ich das ganze hasse. Mein Kinn auf meiner Brust, hoffe ich, dass sie vielleicht doch nicht mich meinen. Ich kann mir schon die Schlagzeilen vorstellen. Besonders, wenn sie erkennen, wer neben mir steht. Und dann fehlt nur noch, dass sie heraus bekommen, dass wir nur ein Zimmer haben. Es ist zwar eine Suite mit zwei Schlafzimmern, aber das interessiert die ja nicht.
„Du kannst wieder rauf schauen.“ höre ich Jess Stimme. „Die haben uns gar nicht bemerkt. Der Trubel galt nicht Dir.“
„Ich hab diesen Scheiß so dermaßen satt. In LA haben sie mein Haus belagert. Und bei Euch ist es derzeit auch ziemlich ungemütlich.“
„Hast Du mit Deiner Mum sprechen können?“
„Kein Interesse!“
Sie lässt es dabei. Das ist etwas, was ich schon ein paar Mal festgestellt habe. Sie weiß, wann sie aufhören muss jemanden zu bedrängen.
„Du warst unglaublich bei Kimmel. Danke!“
„Danke. Aber ich hätte es nicht länger ausgehalten. Dein Dad tat mir nur leid. Ich hoffe, sie lassen ihn in Ruhe.“
„Meinst Du, sie werden jemanden ausgraben, der …“
„Man weiß nie.“
„Hat er Dir gesagt, dass die Produktion ihm gedroht hat?“
Ich schaue sie ganz ungläubig an.
„Das kann doch nicht deren Ernst sein. Sie wissen es seit 20 Jahren. Er hat zwei Serien groß gemacht. Ich nenn das undankbar.“
„Mum und er überlegen in die Offensive zu gehen.“
„Echt?“
„Mum will auf jeden Fall verhindern, dass sie anfangen im Leben Deines Vaters rumzuwühlen. Aus ihrer Sicht ist es einfacher sich eine langjährige Dreiecksgeschichte vorhalten zu lassen, als dass sie den ganzen Dreck rund um Deinen Vater herausfinden.“
„Ich bin nicht ihrer Meinung. Mir wäre es lieber, sie würden sich einfach bedeckt halten. Wenn man ihnen eine kleine Wahrheit vorsetzt, sie suchen immer weiter.“
„Ich bin da Deiner Meinung. Wir sollten nochmal mir ihr reden.“
„Lass uns die beiden nachher anrufen.“
„Einverstanden.“
Wir beziehen unsere Suite und beschließen später Essen zu gehen und danach mit LA zu telefonieren.
Während ich unter der Dusche stehe, muss ich automatisch lächeln. Jess Strahlen, als sie mich entdeckte zieht mir nochmal die Beine weg. Diese Frau macht mich wahnsinnig. Immer, wenn ich sie in den Arm nehme habe ich das Gefühl, das meine Körpertemperatur um einige Grad steigt. Jedes Mal glaube ich, dass sie eine Art Allheilmittel für mich ist. In ihrer Nähe habe ich das Gefühl, ich kann alles schaffen, nichts kann mir passieren.
Und…und das ist ganz untypisch ist: Ich will ihr gefallen. Sonst mache ich mir selten Gedanken, ob mein Outfit ankommt. Bei öffentlichen Veranstaltungen, wie beim Globe, wird einem die Garderobe oft gestellt. Da hab ich dann die Wahl zwischen drei, manchmal vier Outfits und ich schaue mit einem Stylisten, was mir am besten steht und was auf Bildern am Besten rüberkommt. Privat ist mir das nicht so wichtig. Ich ziehe mich dem Anlass gemäß an wie ich will. Was andere darüber denken könnten, war mir nie wichtig. Aber auf Jess Meinung lege ich großen Wert. Entsprechend lange brauche ich heute Abend. Wir wollen nachher in ein Brauhaus gehen. Also rustikales Ambiente, deutsche Küche. Ich greife zu Blue Jeans, weißem Hemd mit blauen Knöpfen und meiner Lederjacke. Das müsste passen.
Als ich ins Wohnzimmer komme, steht Jess schon da. Ich lasse meinen Blick über sie gleiten. Sie ist in eine Zeitschrift vertieft und bemerkt mich nicht.
Sie trägt einen kurzen Wollrock in einem angedeuteten Schottenkaro. Darüber eine weiße Bluse und einen Pullover in dunklem blau mit V-Ausschnitt. Ihre Beine stecken in einer dicken, dunkelblauen Strumpfhose und in blauen Stiefeletten mit kleinem Absatz. Ich muss wohl nicht sagen, wie sehr ich ihr Aussehen genieße.
Auf dem Stuhl erkenne ich eine ziemlich warm aussehende Teddyjacke in einem schönen Weinrot. Da fällt mir auf, dass es wohl nicht schlecht wäre, wenn ich zumindest einen Schal mitnehme. Also geh ich nochmal kurz zurück und greife mir diesen aus meiner Tasche.
Es dauert drei Stunden, bis wir die Türe der Suite wieder von innen verschließen. Drei Stunden, in denen wir über alles mögliche gesprochen haben, viel gelacht haben und erste Pläne für den Dreh geschmiedet haben. In der letzten Woche haben wir die Drehbücher erhalten und die komplette Besetzungsliste. Sind einige interessante Leute dabei. Kleine Rollen wurden auch mit vielen deutschen Schauspielern besetzt. Das ist immer gut, wenn man auf Erfolg in diesen Ländern aus ist.
Eine weitere Stunde später haben wir das Telefonat mit Jess Eltern hinter uns. Wir haben uns geeinigt, die Füße still zu halten. Wir können immer noch reagieren, wenn irgendwer was ausgräbt. Und soll ich was sagen: Das Andenken an einen Toten zu ehren ist das eine, aber sollte irgendwas ans Licht kommen, dann liegt mein persönliches Augenmerk auf Jess und meiner Person. Wir haben mit Allem, was damals passiert ist, nichts zu tun. Wir waren Kinder. Sie sollen uns einfach in Ruhe lassen. Vielleicht, nein wahrscheinlich, ist es gut, dass wir die nächsten Wochen hier in Europa auf einem geschlossenen Set leben.
„Lass uns ins Bett gehen. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich geschafft.“ Sie sieht niedlich aus. Keine Ahnung wie sie ihre Haare so hinbekommen hat, sie sehen ziemlich wild aus. Oder war ich das? Ich mag es mit ihren Haaren zu spielen. Das war früher schon so.
„Ja, ich auch. Im Flieger hab ich wenig geschlafen.“ gebe ich zu. Ich stehe auf vom Sofa, wo wir gesessen und telefoniert haben und ziehe sie mit auf.
Schnell gebe ich ihr noch einen Kuss und wünsche ihr eine gute Nacht.
Als ich am Morgen wieder aufwache, spüre ich sofort, dass ich nicht alleine in meinem Bett bin. Ein warmer Körper hat sich an meinen Rücken gekuschelt und ihre Hand liegt auf meinem Bauch. Ich muss sagen, dass könnte ich jeden Morgen haben. Und das denke ich zum ersten Mal in meinem Leben. Bisher hab ich immer das Bett, in dem ich im Laufe einer Nacht gelandet war, noch vor dem Morgengrauen verlassen und bei meinen Set-Affairen hab ich es auch so gehalten. Jeder in seinem Bett, bevor der Tag wieder beginnt. Mit Jess wach ich nun schon das dritte mal in einem Bett auf.
Ich genieße das Gefühl für eine Weile. Doch dann muss ich raus. Vorsichtig löse ich mich von Jess.
Nachdem ich mich im Badezimmer erleichtert habe gehe ich in den Wohnraum und ordere uns ein Frühstück. Es ist bereits 9 Uhr und irgendwann müssen wir nach Berlin aufbrechen.
Vorsichtig gehe ich zurück ins Schlafzimmer. Heilige Scheiße. Jess liegt auf meinem Bett. Ihr Shirt ist hochgerutscht bis kurz unter ihre Brüste. Ihre Körpermitte steckt in einem schwarzen Spitzenslip, der jedes Männerherz höher schlagen läßt. Mir wird heiß und ich gehe langsam vor zum Bett. Mein Atem geht schneller. Ich halte es nicht aus. Wie soll man das auch, wenn eine solche Hammerfrau vor einem liegt. Kurz halte ich an. Sie bewegt sich. Was macht sie da? Ein leichtes Stöhnen entweicht ihrem Mund. OH MEIN GOTT. Sie dreht sich um und streckt mir ihren süßen Hintern entgegen. Das ist zuviel.
Wie von der Tarantel gestochen laufe ich ins Badezimmer. Zeit für eine Dusche.
Jess ist immer noch nicht wach, als ich aus dem Bad komme und das Frühstück serviert wird. Dann werde ich Miss wohl wecken müssen.
„Hey, Kleines.“ hauche ich ihr ins Ohr. Sie liegt wieder auf dem Bauch und die Versuchung ist riesig meine Hände über ihre zarte Haut nach oben zu führen. Bis dahin, wo ihre Brüste beginnen. Mein Kopfkino läuft gerade und ist alles andere als jugendfrei.
„Aufstehen, Miss Flynn.“ versuche ich es nochmal.
„Och nööö.“
„Es ist schon 10 Uhr und wir haben heute noch was vor.“
Sie öffnet ihre Augen und ich hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. „Los. Die Fahrt dauert einige Stunden und ich will nicht zu lange im Dunkeln fahren.“
„Sklaventreiber.“ beschwert sich Jess.
Ich schaue sie an und deute ihr an, endlich aufzustehen. Nachdem ich die Schlafzimmertüre hinter mir geschlossen habe, setzte ich mich auf das große Sofa und schließe erstmal meine Augen. Die Idee mit dem gemeinsamen Urlaub war vielleicht doch nicht so gut. Wie soll ich das aushalten? Bei jeder anderen Frau wäre ich längst meinem Begehren nachgegangen. Hätte sie genommen und gevögelt. Aber alleine dieser Begriff und Jess sind in meinem Kopf nicht zusammen zu bringen. Da passt eigentlich nur …Nein, nicht daran denken.
„Was hast du uns denn schönes bestellt.“ holt Jess mich aus meinen Gedanken.
„Nimm Platz und schau einfach.“
Es war bereits 18 Uhr und dunkel, als wir in Berlin ankamen. Eine weitere halbe Stunde brauchten wir um den Wagen auszuräumen und nochmal eine weitere um einen Parkplatz für den Wagen zu finden.
Wir waren beide ziemlich fertig, als alles erledigt war und wir hatten Hunger.
Während Jess duschen geht, suche ich per App nach einem Lieferdienst. Heute muss es was sein, dass uns richtig satt macht. Also italienisch. Pasta.
Ich finde ein Restaurant nicht weit weg von Jess Wohnung, die auch liefern. Die Bestellung ist schnell gemacht und ich bekomme eine Nachricht, dass wir in 30 Minuten mit der Zustellung rechnen können.
Da kommt Jess aus der Dusche. Sie hat nur ein Badetuch umgelegt und ihre Haare unter einem Handtuch versteckt.
„Der Lieferdienst kommt in 30 Minuten. Ich geh dann auch mal unter die Dusche.“
Unter der Dusche kommen wieder die alten Gedanken hoch. Sie, ich, Plaza Hotel. Bett. Ob sie mir je außerhalb eines Drehs erlauben wird sie so zu berühren? Ich schließe die Augen. Das muss ich irgendwie doch mal aus meinem Kopf bekommen. Aber es fällt mir so schwer. Besonders wenn sie so ist wie gerade.
Eine halbe Stunde klingelt es pünktlich an der Türe. Wir stürzen uns auf das Essen, als hätten wir mehrere Tage nichts bekommen. Ich liebe es, Jess so zu sehen. Das ist nicht immer so. In den Tagen nach Weihnachten durfte ich es einige Male beobachten. Sobald sie anfängt zu grübeln stellt sie fast die Nahrungsaufnahme ein. Maggie und ich mussten sie einige Male fast schon zwingen.
„Jess. Sei nicht böse, aber ich bin ziemlich kaputt. Würde es Dir was ausmachen, wenn ich schon mal ins Bett gehe?“
„Nein, ich räume nur kurz auf und dann komme ich auch.“ Nach der Dusche haben wir uns beide nicht mehr richtig angezogen. Bis auf Socken können wir so ins Bett steigen.
Seit langer Zeit schlafe ich mal sofort ein.