Du bist Arthrax Sundergeer.
Allmählich reicht es dir mit dem Aberglauben der Seefahrer. Du legst die Hand auf den Dolch in deinem Gürtel und siehst Siwa vielsagend an. „Lass die Segel setzen – oder ich muss dir ein paar gute Gründe zeigen!“
„Kommt schon!“, fleht er. „Die Nächte dort draußen sind gefährlich!“
„Das sind die Klippen dort auch.“ Vermutlich sind es sogar solche Klippen, die für die Gerüchte verantwortlich sind. Dicht unter der Oberfläche liegende Steinzähne, die zu spät gesehen werden, sodass die Schiffe nachts häufiger sinken. Keine Gespenster oder Klabautermänner.
Siwa sieht unglücklich zwischen euch hin und her.
„Du fährst weiter“, sagt Allyster schließlich drohend, „oder ich versenke das Schiff!“
Die Blitze, die dabei aus den Fäusten des Magiers zucken, machen deutlich, dass er seine Drohung ernst machen kann.
Siwa schluckt. „Ich hoffe, Ihr könnt auch die Kreaturen der Nacht zurückschlagen, Herr Zauberer!“
„Noch ist es nicht dunkel“, versuchst du es ermutigend. „Vielleicht schaffen wir es ja auch.“
„Ich hoffe es“, murmelt Siwa. „Betet für günstigen Wind, meine Herren!“
Dann gibt der Kapitän den Befehl zur Weiterfahrt. Die Mannschaft protestiert. Doch obwohl er selbst keine Lust auf diese Fahrt hat, überzeugt Siwa sie mit fester Stimme, ihre Arbeit zu tun. Er ist ein guter Kapitän, der seine Seeleute im Griff hat. Sobald alle an Bord ihre Arbeit tun und er das Steuer wieder übernimmt, trittst du neben ihn.
„Tut mir leid. Wir haben es sehr eilig.“ Es gefällt dir wirklich nicht, den Kapitän zu bedrohen.
„Ich hoffe nur, dass eure Eile nicht unser Tod sein wird, mein Freund.“ Siwa sieht dich mit einem geradezu unnatürlich ruhigen Blick an, der dich an Todgeweihte erinnert, die am nächsten Tag an den Galgen kommen sollen und keinen Ausweg mehr sehen. Oder verletzte Krieger im Angesicht einer Übermacht. ‚Flieht, ich halte sie auf‘.
Hoffentlich ist es wirklich nur Aberglauben, der die Seeleute so verängstigt!
°°°
Euer Ziel ist die Insel Hallon. Sie erreicht ihr kurz vor Einbruch der Nacht. Die Sonne steht bereits sehr tief, es wird bereits kalt. Die Wellen werden stürmischer und höher, das Meer scheint dunkler zu werden. Nur wage erkennst du die schiefen Stege der Siedlung.
Je dunkler es wird, desto gespensterhafter wird die Atmosphäre an Deck. Die Seeleute flüstern nur noch, sie huschen wie auf Zehenspitzen über das Schiff, die Laternen wirken immer dunkler. Dichter Nebel hat sich über den Ozean gesenkt, in dem du Lichter zu erkennen glaubst. Ferne Laternen, als würden dort andere Schiffe fahren. Farbige Nebel, die wie mythische Wesen über den Wogen tanzen.
Es ist unheimlich. Die merkwürdigen Visionen vergehen nicht, selbst dann nicht, wenn du dir die Augen reibst. Zwar sind die Nebel auch sehr schön, aber du kannst dir nicht erklären, was sie erzeugt.
Dann wird es noch merkwürdiger, denn du hörst eine ferne Stimme um Hilfe rufen. Keiner der Seeleute reagiert, sodass du nicht sicher bist, ob du dir das nicht einbildest. Aber dann läuft Aji zur Reling.
„Hallo? Wer ist da?“
„Hilfe! Wir sind gestrandet!“
Vor der Insel Hallon gibt es einige kleinere Inseln, die du nur schemenhaft erkennen kannst. Dort könnte jemand festsitzen, und die Strecke dazwischen wäre zu weit, um sie zu schwimmen.
Du eilst zu Siwa. „Hört ihr das denn nicht?“
„Schon“, gibt der Kapitän zu. „Aber wenn die Nacht hereinbricht, ist hier jeder auf sich gestellt.“
Du starrst den Graumeerer fassungslos an. „Aber … wenn ihr solche Angst vor der Nacht habt, wollt ihr dann jemanden alleine der Dunkelheit aussetzen? Das klingt nach einem Kind!“
Die Vorstellung, alleine auf einer Insel festzusitzen, gerade bei den Geschichten über nächtliche Monster, macht selbst dir Angst. Und du bist erwachsen und glaubst die Geschichten nicht!
„Wir müssen helfen“, sagt auch Aji entschlossen. „Da sind mehrere Kinder in Gefahr.“
Siwa beißt sich auf die Unterlippe. „Meine Mannschaft wird da bestimmt nicht mitmachen … Und Kinder müssten es eigentlich besser wissen, als so spät noch auf einem Ausflug zu bleiben.“
„Dann haben sie eben einen Fehler gemacht. Sollen sie dafür leiden?“, fragst du entgeistert.
Siwa schüttelt langsam den Kopf. „Ich wollte eher sagen: Eigentlich gibt es hier keine Kinder, die in der Nacht stranden würden. Versteht ihr?“
Du bist dir da nicht sicher. Wieder lauschst du auf die fernen Hilferufe. Dann siehst du zu Allyster und Aji. Während der Junge verzweifelt wirkt und definitiv helfen will, zuckt Allyster mit den Schultern. Ihm sind die Kinder offenbar egal.
Du entscheidest dich, …
- … den Kindern zu helfen. Lies weiter in Kapitel 14.
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- … die Kinder zu ignorieren. Lies weiter in Kapitel 15.