Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 3 – Kapitel 3
Lucius strafte sie mit Schweigen. So, wie sie es vorgehabt hatte zu tun, war es nun er, der sie mied. Molly hatte alle Mühe, mit ihm Schritt zuhalten, sei es beim Aufbrauch und dem Verlassen der Bibliothek, oder beim Abendessen. Nicht einmal Miles konnte mit seinen Witzen etwas bewirken, denn Molly schien genauso trübsinnig zu sein, wie Lucius. Auch wenn dieser seine Demütigung hinter einer frostigen, hartherzigen Maske verbarg, Molly waren solch Aktionen verhasst.
“Prewett, was ist los? War es gestern doch zu viel?”, wollte Miles wissen, grinste und gönnte sich einen Schluck Kürbissaft.
Kaum merklich blickte Molly neben sich und wusste, dass Lucius jedes ihrer Worte mitanhören würde. Mit gespielter Freundlichkeit schwieg sie ihre Antwort aus, auch wenn der Drang nach Neuigkeiten des Abends bezüglich, mehr in ihre aufwallte, als ihr lieb war.
“Eigentlich weiß ich gar nichts mehr.”, gestand sie kleinlaut und im selben Augenblick scholt sie sich dafür, vor dem kleinen Giftgnom klein bei zugeben.
“Echt nicht? Ist ja witzig. Dann hast du also gar keine Ahnung was...”, wollte Miles beginnen, wurde aber jäh von Lucius unterbrochen.
“Miles!”, mit erhobener Stimme verbot er dem Älteren seine Ausführung zu vollenden.
“Komm schon, Malfoy, das war doch lustig!”, wollte Miles erneut den Stein ins Rollen bringen, doch der junge Mann warf ihm nur einen drohenden Blick zu. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich von seinem Platz und rauschte davon.
“Na toll!”, knurrte Molly und warf dem Jungen zu ihrer Linken einen vorwurfsvollen Blick zu.
“Tut mir leid, Molly!”, meinte Miles kleinlaut.
“Und wo soll ich jetzt hin?”, beinahe verzweifelt krochen die Worte aus ihrem Mund.
“Du kannst bei mir bleiben, wenn du willst!”, bot Miles an, doch Molly schüttelte den Kopf und machte ebenso Anstalten, den Tisch zu verlassen, wie Lucius es getan hatte.
Zu Mollys Erleichterung wartete Lucius bereits vor dem Eingang zu den Kerkern auf sie.
“Was sollte diese Szene?”, aus der vorherrschenden Verzweiflung wurden augenblicklich Zorn und Unverständnis.
Lucius lehnte mit dem Rücken an der Wand und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre Worte ließen ihn kalt, schienen nicht einmal zu ihm durchzudringen. Starr war sein Blick auf das gegenüberliegende Gemäuer gerichtet. Molly stützte ihre Hände in die Hüften und suchte sich einen losen Punkt an der Decke, den sie anstarren konnte.
“Dass ich deinen halbherzigen Versuch, mir ein Kompliment zu machen, so abgeschmettert habe, tut mir leid.”, zähneknirschend brachte sie die Entschuldigung hervor, die ihr eigentlich zuwider war. Molly hatte ihren Soll erfüllt, auch wenn ebenjene Worte nur schwer über ihre Lippen kamen und der Aufwand an ihrer Stärke genagt hatte.
Lucius schwieg noch immer und doch betrachtete er die junge Frau aus dem Augenwinkel heraus prüfend. Abermals richtete er seinen Blick auf die Wand gegenüber aus, ehe er die Arme sinken ließ und den Kopf schüttelte.
“Es mag sein, dass wir nicht immer ehrlich sind und gern dem entsprechen, was man uns nachsagt. Wir seien hinterlistig, verlogen und nur auf unseren Vorteil aus und manchmal entspricht das auch der Wahrheit, Molly Prewett. Aber auch, wenn man uns als Lügner und Betrüger an den Pranger stellt, muss es zwangsweise nicht den Tatsachen entsprechen.”, noch immer sah er nur den nackten, kahlen Stein, fuhr mit den Augen langsam die Fugen nach und schien ganz gebannt zu sein, ehe er kaum merklich den Blick abwandte und ihr ins Gesicht sah.
“Das, was ich dir vorhin gesagt habe, war weder gelogen, noch geschmeichelt. Ich habe nur festgestellt und beurteilt. Und wie ich bereits gesagt habe, kenne ich nur wenige Leute, die jene Fähigkeit haben, mit solch einer Leidenschaft Dinge anzugehen, sich darin zu verlieren und dem Resultat, ob nun gut oder schlecht, so stark gegenüber zu treten. Das, Molly Prewett, hat mich fasziniert, mich begeistert, mir imponiert, weil ich selbst dazu nicht in der Lage bin. Ich denke und handle rational, ohne Gefühl, wie du es jetzt wahrscheinlich am liebsten ausdrücken würdest. Ich denke gradlinig, klar und strukturiert. Ich bin dennoch weder herz- noch gefühllos, auch wenn du mir diese Empfindungen nicht zugestehst.”, mit diesen Worten schritt er auf sie zu, doch Molly blieb regungslos.
Noch immer galt ihr Interesse der Gewölbedecke. Kurz fuhr sie vor Schreck zusammen, als sie ihren Blick wieder nach vorn ausrichtete und sich seine Statur vor ihr aufbaute. Ihr Gesicht zierte Trotz, obwohl sie seine Worte gehört und als ihre Genugtuung abgetan hatte. Doch etwas erschreckte sie in diesem Moment mehr, als sie für möglich gehalten hätte. Vor ihr ragte Lucius in seiner ganzen Größe auf und blickte zu ihr herunter.
Ein erschreckender Gedanke, der ihr dennoch nicht fremd war, regte sich plötzlich erneut und schien alles durcheinander zu bringen. Es war nicht die Art, wie er zu ihr gesprochen hatte, es waren nicht die Worte, die von seinen Lippen herrührten. Es war der Blick, sein Blick, der noch immer auf sie gerichtet war.
Auf sie, auf Molly.
Sie war Molly.
Ein Gedanke, der sich mehr und mehr in ihrem Kopf zu manifestieren begann um dann, ganz plötzlich, zu zerbrechen, in tauschend Stücke, in tausend Scherben, in tausend Farben und abertausenden Formen:
Ein Kind, ein kleiner Junge, dem seine Hormone einen Streich spielten und der sich einbildete, der Herr der Schlangen zu sein! Anziehend? Er? Lucius Malfoy?Lächerlich!
Doch war es denn so abwegig, wenn man gegen seine eignen Prinzipien anzukämpfen versuchte?
Wenn man der Versuchung erlag und dem Begehrten, dem so sehr Gewollten, dem Verzehrenden, nachgab?
Ihr Atem ging schwer, Molly bemühte sich um innere Ruhe und Gefasstheit. Plötzlich schien das Mädchen nicht mehr fähig, einen vernünftigen Gedanken zu spinnen. All jene Versuche, all die Optionen, die ihre blieben, waren fort.Es war nicht mehr da, nichts Greifbares, für das es lohnte, zu kämpfen.Das Einzige, was in ihrer Nähe war, war so absurd, wie verwirrend.
“Tu das nicht!”, warnte sie, doch die Drohung verlor sich, ebenso wie sie, in den grauen Augen des Jungen. “Komm mir nicht zu nahe!”
Doch ihre gedrohte Warnung kam zu spät, denn ein höhnisches Lächeln umspielte seine Lippen.
“Ich bin dir schon so nah, Molly Prewtt, zu nah.”, betonte er ihre Lage.
“Du bist gefährlich!”, knurrte sie, doch klang es eher nach einem mädchenhaften Gurren. Er stimmte ihren Worten mit einem brummenden Knurren zu, ehe er ihr Gesicht in seine Hände nahm.
“Mag sein, aber ich spiele gern mit dem Feuer.”, mehr brauchte er nicht zu sagen, mehr hätte ihr magerer, mickeriger Verstand sowieso nicht aufnehmen, geschweige denn verarbeiten können.
Seine Worte zurrten und zerrten an ihrem Herzen, trübten ihr Urteilsvermögen und errangen letztendlich die Oberhand. Der Mund, der stets Hohn und Spott für andere übrig hatte, der so viele Gemeinheiten, Intrigen und so viel Boshaftes ausspie, der Mund, der eine andere geküsst und weiß Gott noch andere Dinge getan hatte, lag nun weich und warm auf ihren Lippen.
“Bei allen Zauberern und Hexen, wie konnte ich nur!”, sich selbst verurteilend stapfte Molly in dem Zimmer auf und ab, während Lucius auf der Bettkante verharrte, die Hände unter dem Kinn faltete und die Ellenbogen auf die Knie stützte.
Das amüsierte Lächeln auf seinen Lippen galt nicht dem Triumph, den er errungen hatte, auch wenn dies bis vor einigen Stunden noch sein innigstes Begehren gewesen sein mochte. Ihn erfreute auch nicht, dass sich das Mädchen grämte, scholt, rügte und verurteilte. Diesen Wesenszug ihrerseits begegnete er mit Unverständnis und einer gewissen Abscheu.
Er hatte sie geküsst, weil er es wollte.
Hätte sie ihn zurückgestoßen, ihn, womöglich, geschlagen, dann hätte er sich mit einer fadenscheinigen Ausrede herausreden können. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sie wieder milde zustimmen, auch wenn Molly Prewett sich nicht so leicht hätte täuschen lassen. Doch er hatte sie geküsst, weil er dem Drang nicht hatte widerstehen wollen. Nicht, weil es ein Sieg für ihn bedeutet hätte. Nicht, weil es ihn reizte, von anderen Lippen zu kosten, obwohl letzterer Gedanke nicht gänzlich der Unwahrheit gleichkam. Er küsste sie aus freien Stücken und ebenjene Sehnsucht würde nicht den Worten gerecht werden können. Sie würde ihn missverstehen, ihn von sich stoßen, ihm mehr Falschheit vorwerfen, als sie es ohnehin schon tat. Das gekränkte Mädchen, die traurige Gryffindor, das sture Fräulein.
“Hasst du mich jetzt? Ja, das tust du, ich sehe es dir doch an. Du brauchst dich nicht zu verurteilen. Du nicht, aber ich weiß, dass du mich verurteilst, weil du der Meinung bist, dass ich das von langer Hand geplant hätte, nicht wahr?”, noch immer verharrte Lucius in der sitzenden Position, schien mit den Gedanken aber weit abzuschweifen. Molly hielt in ihren Bewegungen inne. Kurz leistete er sich einen Blick und sah seine Worte bestätigt.
“Also schön, Molly Prewett. Ja, du hast Recht.”, warum sollte er dem Versuch erliegen, sich zu rechtfertigen oder zu verteidigen? Beides schien ihm sinnlos.
“Womit? Ich habe nichts gesagt!”, schoss sie in bissigem Ton zurück.
“Wie wahr, Molly Prewett, wie wahr. Und doch hat dich dein Blick verraten. Molly, wir beide wissen, wie man von mir denkt, was du von mir denkst.”, wieder blickte er sie an und für einen kurzen Augenblick, schien sie seine Worte anzuzweifeln, in Frage zu stellen.
“Es war doch nur ein Kuss.”, sagte er leise. Molly schwieg, wandte den Kopf von links nach rechts und begutachtete abermals die Einrichtung des Zimmers.
“Was ist mit Bereits vergebene Schlangen beschmutzen ihr eigenes Nest nicht?”, bei ihren Worten blickte Lucius auf.
“Ist auch so!”, beharrte er und ein gerechtfertigtes Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. “Nur dass dieses Nest noch nicht befleckt worden ist.”
“Ich verkaufe nicht mein Seele!”, konterte Molly und schien für einen flüchtigen Augenblick verwirrt und verstört.
“Oh Liebes, das sollst du auch gar nicht! Aber es könnte ja sein, dass du die eine, wichtige Chance verpasst.”, riet er ihr und betrachtete das Mienenspiel auf ihrem Gesicht.
“Die da wäre?”, wollte sie wissen und wägte im Geheimen ab, ob sie seine Antwort wirklich hören wollte, oder lieber der Taubheit den Vorzug gab.
“Willst du wirklich den Rest deines Lebens mit nur einem Kerl schlafen?”, Lucius hatte sich erhoben und trat einen Schritt auf sie zu.
Beinahe hielt er ihr schon seine Wange hin, da in ihm der Verdacht keimte, sie würde sich abermals wie eine Furie auf ihn stürzen. Dieser Gedanke und die Hoffnung, dass Molly dem womöglich nachging, ließen bereits leichte Schauer über seinen Rücken kriechen.
“Sagte der vierzehnjährige Junge, der noch grün hinter den Ohren ist!”, fauchte das Kätzchen, das beinahe schon eine stolze Löwin war, ganz nach seinen Erwartungen.
Lucius schwieg seine Erwiderung aus. Sollte dieses Mädchen doch denken, was es wollte! Sollte sie sich doch weiterhin selbst nur Närrin machen und einem Jungen den Vorzug geben, der sie so tief ins Unglück gestürzt hatte. Sollte sie doch lieben, wen sie wollte.
“Dein eigenes Glück hängt also vom Alter des Mannes ab, ja? Wie erbärmlich.”, der Liebreiz in der Stimme, wich abrupt einer eisigen Kälte. Ein enttäuschter Seufzer entkam seinen Lippen, ehe Lucius den Kopf schüttelte und Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen.
“Was bringt es dir, wenn wir miteinander schlafen, Lucius Malfoy?”, drohend und angespannt richtete sie die Frage an ihn. “Was bringt dir der Sex mit einer Frau, die du nicht liebst, lieben kannst oder willst? Welchen Sinn soll das alles haben? Sex nur der Befriedigung wegen? Wegen dem erhabenen, aufsteigenden Gefühl?”
“Was hat dir der Sex gebracht, Molly Prewett. Was hat es dir gebracht, mit einem Jungen zu schlafen, der dich so behandelt? Der dich einfach so versetzt? So leicht ersetzt und dich so sehr verletzt, dass du aus lauter Gram und Kummer weder ein, noch aus weißt? Was bringt dir deine Sturheit, dein Trotz, wenn du austauschbar bist? Wenn all deine Liebe, deine Empfindungen nicht mehr gebraucht werden?”, Schweigen trat auf seine Worte hin ein. Der verbale Hieb in ihre Magenrube saß tief. Molly schien so überrumpelt von seiner Erzählung, dass ihr der Mund offenstehen blieb. Doch auch Lucius hielt in seinem Tun, das Zimmer zu verlassen, inne.
“Dass du der Auffassung bist, ich wäre nicht fähig, jemanden zu lieben, enttäuscht mich.”, sein Blick war kalt und starr auf sie geheftet. Molly schluckte schwer und fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
“Ich frage dich noch ein Mal: Was nützt es dir, wenn du mit mir schläfst, außer einem weiteren Sieg, einem Triumph, wenn nicht für dein Haus, dann für dich selbst? Hast du nicht jemanden? Jemanden, den du respektierst und vielleicht sogar liebst?”, eher schwach brachen die Worte aus ihrem Mund hervor.
“Wem ich Respekt zolle, ist das eine. Wann ich einen Sieg oder einen Triumph auskoste ebenso. Doch wen ich liebe, und das ist das andere, darüber entscheide ich noch immer allein!”, stellte Lucius klar.
“Aber traue dir nicht über den Weg! Was gibt mir Sicherheit und das Versprechen, dass, wenn ich es auch nur in Betracht ziehen würde, nicht Morgen bereits ganz Hogwarts Bescheid weiß? Kannst du mir versprechen, mir die Sicherheit und Zustimmung geben, dass alles, was in diesem Zimmer vor sich geht, auch hier bleibt? Wie soll ich dir glauben können, dass nicht irgendein Zauber hier in diesem Raum umherschwirrt und sich die Schule...”, mehr Gedanken rasten durch ihren kleinen, kümmerlichen Kopf, überstiegen ihren sonst so gelobten, messerscharfen Verstand. Dass er das weißblonde Haupt schüttelte, registrierte sie kaum.
“Wie konnte ich nur so leichtgläubig sein?”, in Mollys Schädel schwirrte und hämmerte es unaufhörlich. “Du bist ein Lügner und Heuchler und diesen Titel hast du dir und deinen Aktionen zu verdanken, Lucius Malfoy!”
“Silencio”, mit diesem Wort tauchte er den Raum in Stille.
“Colloportus”, damit verschloss er die Zimmertür, sodass nicht einmal ein “Alohomora” das Schloß entriegeln konnte.
“Incendio minimar lunaris”, kleine Lichter, die aussahen wie winzige Halbmonde, sprangen aus dem zur Decke gerichteten Zauberstab, und erleuchteten hier und da den Raum, sodass dieser in schummeriges Glühen getaucht wurde.
“Muffliato”, ein jedes Gehör, das außerhalb dieser Zimmerwände an der Tür vorüberging, erfasste ein merkwürdiges, undefinierbares Brummen.
“Beweis genug?”, sein Blick war erhaben und schien vor Aufregung zu knistern. Molly holte unter einem schweren Seufzer Luft, schloss für einen flüchtigen Moment die Augen und schien ihre Tat und resultierenden Folgen bereits zu bereuen.
“Keine schwülstige Musik! Und bitte, kein Brunftgeschrei und kein “Wie war ich?”!”, knurrte sie.
Lucius´ Lippen zierte ein schiefes Grinsen, ehe er die Augen niederschlug und in geschmeidigen, ruhigen und beherrschten Bewegungen auf sie zu schritt.