Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 3 – Kapitel 4
Der Kuss, den er ihr vor den Kerkern gab, war nichts im Vergleich zu dem, was er in diesem Augenblick zuteilwerden ließ. Das Flüchtige Zusammentreffen zweier Menschen, die nichts miteinander verband und doch hatte es dieser Bengel verstanden, ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen. Es war ein jämmerlicher Vorgeschmack auf das, was noch folgte und die Verlockung, die er versprach.
Schande über sie, dass sie sich so bereitwillig dem hingab, was zuvor nur einer je hatte berühren dürfen. Nur einem Mann hatte sie erlaubt, sie auf und in dieser Art und Weise zu halten, zu spüren und den Tönen zu lauschen, die von ihren Lippen herrührten. Von jenen Lippen zu kosten, die nun so herrlich prickelten, und so nach dem gierten, was sie so lang schon vermisst hatten.
So, wie ihre Lippen unter seinen Berührungen erschauderten, so zitterte auch ihr Körper bereits unter seinem Mund, seinen Händen und den gierigen, verschlingenden Blicken.
“Schlaf´ nur ein Mal mit mir. Verbring´ nur eine Nacht mit mir zusammen.”, murmelte er an ihrem Hals. Mollys Atem ging schwer, doch ihr Herz schlug und hämmerte wild in ihrer Brust. Hitze war ihr in die Wangen gekrochen, züngelte sich verlangend über Hals, Nacken, Schultern, Arme. Lucius hielt sie mit einer Hand an den Hüften in festem Griff, während die andere Hand über ihren Rücken strich und das Mädchen so fordernd gegen ihn presste.
“Ich bin seit drei Nächten hier.”, presste sie unter zusammengebissenen Zähnen hervor, während sich Molly bemühte, ihm nicht den Erfolg zu gönnen und preiszugeben, wie schwach und doch wohl sie sich fühlte. Erneut verteilte er zarte, flüchtige Küsse auf ihrer warmen Haut, während er sich an der Säule ihres Halses empor schob, um sich abermals dem Geschmack ihrer Lippen zu vergewissern.
“Siehst du, wie viel Zeit wir verschwendet haben?”, knurrte Lucius und nagte zaghaft an ihrer Unterlippe.
“Oh, verdammt!”, entfloh es Molly plötzlich und sie löste sich den wohlig-weichen Lippen und dem Gefühl von Genuss, das sie hatte erschaudern lassen.
“Was? Machst du jetzt einen Rückzieher?”, der perplexe Ausdruck auf seinem Gesicht, wollte nicht so recht zu seinem forschen Ton passen.
“Was? Nein! Nein, ich... ich...”, Mollys Blick huschte von einer Ecke des Zimmers, zur anderen. Sie biss sich auf rot-leuchtenden, feuchten, geschwollenen Lippen und vermied es, in Lucius´ Richtung zu sehen. Auf ihre Stammelei hin gelang es ihm nicht, einen Laut von sich zu geben, stattdessen schüttelte er fahrig den Kopf und gestikulierte Unverständnis mit beiden Händen.
“Das ist doch Irrsinn!”, Mollys Gesicht zierten Qual und Gewissensbisse.
“Ja, allerdings!”, stimmte Lucius mit Trotz und verletztem Stolz in der Stimme zu.
“Ich kann das nicht! Nicht so.”, versuchte Molly zu erklären und erntete nur eine erhobene Augenbraue als Antwort.
“Seltsam, bis eben sah das aber noch ganz anders aus!”, sein Blick glitt über ihr Gesicht und suchte in ihren Worten nach einer Regung, die ihn auf einen Fehler aufmerksam machte.
“Das ist es ja. Es dauert mir zu lange.”, erklärte Molly und die Röte, die nun ihre Wangen umspielte, hatte nichts mit dem zutun, was beide zuvor veranstaltet hatten.
“Zu lange?”, hakte er nach, als könne er sich keinen Reim auf ihre Worte machen.
“Ja.”, bestätigte sie mit einem Schulterzucken. “Es liegt an mir, ich bin zu impulsiv, zu hitzig. Und Arthur, er...”
“War zu langsam?”, versuchte er ihren Satz zu beenden.
“Er hat ewig gebraucht, wenn wir dann... nun.”, trotz ihre selbstsicheren Auftretens schien dieses Thema für Molly von eher heikler Natur zu sein.
“Liebes, tu dir selbst etwas Gutes, und erwähne diesen Namen nicht in meiner Gegenwart! Denk nicht einmal daran, weder an ihn, noch an das, was auch immer ihr hattet.” so beruhigend er auch klingen wollte, es kam eher einem Befehl gleich. “Schließ einfach die Augen und lass mich nur machen.”
Auf seine Worte hin, schlich sich ein vorsichtiges, aber dennoch bejahendes Lächeln auf ihre Lippen.
Es war alles andere als leicht für Molly, so einfach von dem zulassen, das ihr bekannt war und nun so plötzlich dem zu begegnen, das ihr Neues eröffnete. Die wenigen Nächte, die sie mit Arthur verbracht hatte, erschienen ihr eher umständlich als erfreulich. Doch was sie durch ihn erfuhr, hatte ihm offenbar genügt. Während Arthur meist selig schlafend neben ihr ruhte, lag Molly meist noch wach und zerbrach sich den Kopf darüber, was sie falsch gemacht hatte und ob es für den Rest ihres Lebens nun so ein sollte.
Wie konnte man von Erfüllung sprechen, wenn sie dieser nie begegnet war? Was sollte Lust bedeuten, wenn einem ebenjenes Gefühl so eiskalt vorenthalten wurde? Warum sollte man die Umarmung des anderen als schön und vertraulich empfinden, wenn man nur knappe Berührungen und kurze Küsse als befriedigend kennen gelernt hatte?
Umso mehr erschauderte Molly, als es Lucius erneut verstand, sie mit seinen Küssen zum Schweben zubringen. Hitze und Feuer strömten durch ihre Adern, schienen sie zu versengen. Sie lechzte nach seinen Händen auf ihrer Haut. Willkommene Kühle, die dem Brennen jedoch nie würde Einhalt gebieten können. Die störenden Stoffreste verschwanden und es war Molly egal, auf welche Art und Weise dies geschehen war. Was sie wollte, war Linderung für die Schmerzen, das Stillen der Ängste in ihrem Inneren und das Gefühl, auszubrechen und sich gehen zu lassen.
Versengende Küsse, verbrennende Berührungen, zarte Schmelze und tosende Orkane jagten durch ihren Körper. Er hatte ihr die Wahl gelassen, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien und doch schien er Meister der Schlüssel zu sein, die ihre Ketten verschlossen hielten. Sie hatte die Chance zu gehen, hatte ebenjene vertan, mehrmals bereits und doch lag sie nun in seinem Bett.
All die Abscheu schien wie weggewischt. All der Gram schien weggeküsst. All der Zorn, die Wut, der Schmerz gingen mit ihr, mit den zarten Tönen, herrührend von ihren Lippen und der Hitze ihrer selbst unwillkürlich unter. Lucius hielt sie, verankerte das Geschöpf unter sich in Laken und Kissen. Genoss ihren Duft, ihren Geschmack, ihr Feuer und die Laute, die einzig und allein für ihn bestimmt waren. Fast traute er sich nicht, sie zu berühren. Er haderte mit sich und schien sein Vorhaben in Zweifel zu ziehen. Doch noch ehe er einen Gedanken an solch Absurditäten verschwenden konnte, holte sie ihn zu sich und zerstreute seine Bedenken, scheuchte diese hässlichen Ängste davon und bewies ihm, dass das, was sie taten, richtig war, so verwerflich es auch sein mochte.
Der Morgen graute bereits, als Lucius die Zauber aufhob. Das schwache, grünliche Licht der Sonne, das getrübt wurde durch den schwarzen See, schob dem Vergangenen und dem Vergehen der letzten Nacht einen Riegel vor. Als Molly ermattet in die Kissen zurücksank, verwies der auf dem Beistelltisch liegende Zeitmesser auf kurz vor halb elf Uhr und nun mahnte die große Pendeluhr im Slytherin-Gemeinschaftsraum, zum baldigen Aufstehen.
Ein letztes Mal noch, legte er sich zu ihr, fuhr mit seiner Hand über die kühle, mit Sommersprossen bedeckte Haut ihres Rückens und die schmalen Schulter. Rückte zum letzten Male zu ihr auf, glitt mit Nase und Lippen über ihren halbbedeckten Körper. Atmete und kostete ein letztes Mal von ihr, ehe sie sich murrend die Bettdecke über die Schulter zog.
Er ließ sie gewähren, würde sie nicht zwingen, aus ihren Gewohnheiten oder jeweiligem Drang auszubrechen. Sollte sie schlafen, wenigstens die letzten Stunden, ehe sie womöglich nur noch ein letztes Mal zurückkommen würde.
Als Molly die Augen aufschlug, stand Lucius mit dem Rücken zu ihr und band sich die Krawatte.
Sie biss sich auf die Lippen. Ein wohliges Kribbeln setzte ein und erneute Röte schossen ihr in die Wangen. Sie verhüllte ihren entblößten Körper mit der Decke und griff nach der Armbanduhr.
„Es ist erst kurz nach sechs.“, eher verständnislos und fragend entkamen die Worte ihrem Mund, denn Molly schien wenig angetan von der Idee, so zeitig aufstehen zu müssen.
„Es ist Montag, Liebes. Und so sehr du das Wochenende auch genossen hast, wenn die Pflicht ruft dann... hey!“, Lucius hatte sich zu ihr umgedreht und mit seiner plumpen Erklärung begonnen, als Molly nach einem der Kopfkissen griff und es ihm entgegen schleuderte, woraufhin ihm ein protestierender Laut entfloh.
„So läuft das also, ja? Erst vögeln und dann machst du dich aus dem Staub?“, mit einer hochgezogenen Augenbraue trug sie ihre Anklage vor.
„Es ist Montag, Liebes. Unterricht. Außerdem, hast du mir aufgetragen, weder Musik zu spielen, noch herumzubrüllen wie ein Berserker oder zu fragen, ob ich gut war. Nun, ich habe nichts der Gleichen getan und nun kommt meine Regelung ins Spiel. Ich halte nichts von Kuscheln, von Liebesschwüren und dergleichen.“, erklärte er und pfefferte das Kissen zurück in ihre Richtung.
„Oh, toll. Rein, raus und weg?“, fauchte sie und aus der Schamesröte auf ihren Wangen wurde beißender Zorn.
„Nicht unbedingt, nur dieses ewige aneinander-Geklammere nervt mich.“, stellte Lucius klar. „Wir sehen uns beim Frühstück.“
„Wo willst du hin?“, verlangte Molly zu wissen und schien überrascht, dass er sich in Aufbruchstimmung befand und Anstalten machte, sie allein zu lassen.
„An deiner Stelle, würde ich mich beeilen, denn die Mädchen hier sind schon früh genug auf, um ihrem Äußeren den letzten Schliff zu geben. Wenn du also Gedränge vermeiden willst, würde ich langsam mal aus dem Bett steigen!“, riet er ihr und seinem Rat kam sie unter murrenden Lauten nach.
Sowie sie das Zimmer erneut betrat, saß Lucius auf dem Bett und machte einen grübelnden Eindruck.
„Gewissensbisse?“, nun war es Molly, die die letzten Knöpfe der Bluse schloss und die rot-goldene Krawatte um ihren Hals schlang.
„Nicht, wenn du auch keine hast.“, gab er zurück und beobachtete sie bei ihrer Tätigkeit. „Nicht mehr lange, Liebes, dann...“
„Sei still!“, forderte sie und schob den Knoten der Krawatte an seinen rechtmäßigen Platz. „Ich will davon nichts wissen!“
Molly selbst schien etwas erschrocken über ihre Reaktion, umso mehr überraschte sie seine Nachsichtigkeit. Lucius antwortete ihr, indem er schwieg.
„Muss ich mich jetzt auf Spott einstellen, wenn ich neben dir herlaufe?“, Nüchternheit schwang in ihren Worten mit.
„Warum solltest du? Ich habe dir das Versprechen gegeben, dass alles, was hier drinnen passiert, auch hier bleibt. Nur die Zauber habe ich, nachdem du selig eingeschlafen bist, von den Wänden genommen.“, damit endete Lucius seine Erklärung. Molly schien verblüfft und biss sich abermals auf die Lippen, deren Schwellung allmählich abgeklungen waren.
„Lass das, Liebes!“, forderte er mit milder Stimme. „Wäre doch schade drum!“
Sein Blick verriet ihr, dass ihm ihre Aktion nicht zusagte.
Nicht nur die Erinnerungen an die letzte Nacht trieben Molly dazu, unruhig auf ihrem Platz herum zu rutschen. Eine gewisse Vorfreude darauf, ihresgleichen wieder zu sehen, jagte ein wohlig-warmes Kribbeln durch ihren Körper. Endlich würde sie für ein paar Stunden ihrem Martyrium entkommen. Und doch, wenn ihr Blick zur Seite huschte, schmerzte etwas in ihr, ein unbekannter Impuls, dessen Ursprung sie nicht bestimmen konnte. Eher mühselig biss von ihrem Brot ab, trank in langsamen Zügen den Kürbissaft und belächelte nur zögernd die Späße, die Miles neben ihr zum besten gab.
„Alles in Ordnung? Du bist heute so komisch, Prewett.“, schloss Miles und beäugte seine Tischnachbarin kritisch. Molly hatte soeben die Tasse an ihre Lippen gehoben, blickte zu dem Jungen neben sich und nickte.
„Alles okay.“, echote sie in den Becher und ihre Stimme klang hohl und dumpf nach.
„Du bist bestimmt froh, uns bald los zu sein, oder?“, wollte Miles wissen und erntete nur ein Schulterzucken.
„Es war eher eine Erfahrung, die mein Leben sehr bereichert hat.“, die gut gewählten Worte ließen selbst Lucius anerkennend eine Augenbraue heben, auch wenn er sein Gesicht hinter dem Tagespropheten verbarg.
Molly bemühte sich, den Fragen, die auf sie nieder prasselten, mit abwehrenden Händen und flüchtigen Antworten beizukommen. Wie oft sie an diesem Vormittag bereits ihre lahmen Erklärungen und Ausflüchte hatte vorbringen müssen, vermochte sie kaum mehr zu zählen.
„Wie ihr seht, lebe ich noch!“, hatte sie mit einem Lächeln auf den Lippen gemeint.
Sie mied Arthur, so gut es ihr möglich war, und das wahr wahrlich nicht leicht, denn abgesehen von ein paar vereinzelten Stunden, hatten beide ein und dieselben Fächer belegt. Wie froh war Molly, als es endlich zum Mittagessen läutete und sie so mit für wenige Minuten den neugierigen Blicken entkam. Sie saß bereits auf ihrem Platz, als Lucius mit seinen Kameraden an den Tisch trat. Sie schwieg und er tat es ihr gleich. Still wurde das Mittagessen eingenommen, ehe sich Molly auf den Nachmittagsunterricht vorbereitete.
Lucius meinte, dass er bis drei Uhr Unterricht habe und Molly hatte es mit einem knappen Schulterzucken quittiert. Ihr erging es jedoch nicht anders. Denn auch ihr Stundenplan quoll wie gewohnt aus allen Nähten, von den Hausaufgaben ganz zu schweigen. Deshalb erklärte sie ihm, dass sie den Nachmittag in der Bibliothek verbringen würde und er sie irgendwann, wenn ihm danach war, abholen könne. Molly wusste nicht, wie lange sie bereits zwischen den Bücherstapeln hockte, als sie Lucius´ genervten Seufzer vernahm.
„Verbarrikadierst du dich mit Absicht?“, fauchte er und ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen.
„Schieb die Bücher einfach beiseite.“, meinte sie, ohne von ihrem Schriftstück aufzusehen.
„Du scheinst gar nicht aufgeregt zu sein.“, stellte Lucius fest, als er den Blick über sie gleiten ließ.
„Warum sollte ich?“, wollte sie wissen und schlug in einem Buch nach der richtigen Antwort, wie er vermutete.
„Nun ja, in nicht einmal weniger als sechs Stunden bist wieder ein freier Mensch.“, entkam es ihm gedehnt und seine Worte ließen den bekannten Ernst vermissen. Molly sah auf, zog es jedoch vor, nicht auf seine Anspielungen anzuspringen. Stattdessen wandte sie sich wieder ihrem Schreiben.
„Arthur hat mich gefragt, wann ich wieder eine Gryffindor sein würde und ob er mich abholen solle.“, entgegnete sie ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme. Nun war es Lucius, der abwartete, schwieg und zur Seite blickte, als wolle er nichts davon hören. Nach einer Weile dann, die ihr unendlich lang vor kam, rang sich Lucius zu einer Frage durch.
„Und?“, es wunderte sie, dass er in Erwägung zog, Atem für dieses mickerige Wort zu verschwenden
„Ich habe ihm gesagt, dass ich seine Hilfe weder brauche, noch will.“, abermals sah sie von dem Pergament auf und legte die Schreibfeder beiseite. Kurz begegnete er ihrem Blick, ehe er die Hände auf die Knie schlug.
„Bist du hier fertig?“, verlangte er zu wissen, wartete geduldig auf ein Nicken ihrerseits, ehe er den ersten der vielen Stapel in die Hände nahm, um nach und nach die Wälzer und Buchbände in die Regale zu verstauen. Sowie er den letzten Stoß davon trug, rollte sie die letzte Pergamentrolle zusammen, schloss das Tintenfass und suchte ihre restlich Schreibutensilien zusammen.