„Scheiße verdammte!" eigentlich hatte ich vorgehabt leise zu sein, damit meine Eltern und Selina noch schlafen konnten, aber wenn man sich so blöd stellte wie ich war es kein Wunder, dass ich das nicht schaffte.
Während ich immer noch die Augen geschlossen hielt und zehnmal das Wort 'Blumenwiese' vor mich hinmurmelte, lief mir der warme Kaffee um die Zehen. „Was hast du denn diesmal angestellt?" Selina klopfte mir auf die Schulter und hob die Tasse auf, welche in genau drei Teile zerbrochen war.
„Heute ist Mal wieder nicht dein Tag, huh Dennis?" sie gab mir einen Kuss auf die Wange und warf die Scherben in den Müll. „Nein, ich hab auch keine Ahnung, wie ich die nächsten sechs Wochen überleben soll, aber es fühlt sich schon scheiße an, nur an den Urlaub zu denken. Und jetzt noch das!" noch einmal tief durchatmen und ich konnte mich endlich dazu durchringen, mir den Spüllappen zu schnappen und den Kaffee vom Boden zu wischen.
In dem Moment kamen meine Eltern zur Tür herein und schauten uns beide mit verschlafenen Blicken an. „Könnt ihr nicht leise sein, bei was auch immer ihr macht?" bat meine Mutter und stieg dann über die Kaffeepfütze auf dem Boden hinweg, um sich selbst einen zu machen.
„Es tut mir leid Mom, aber Selina hat mich erschrocken, weil sie die Tür zu schnell aufgerissen hat!" log ich schnell und meine Schwester warf mir einen vernichtenden Blick zu. „Dennis! Sei nicht immer so schreckhaft! Du bist ein Mann!" Vater schlug mir so hart auf die Schulter, dass es sich anfühlte, als hätte er mir mein Schlüsselbein gebrochen.
Wie ich diesen Idioten hasse! Kein Wunder das meine Mutter sich von ihm scheiden lassen wollte! „Naja, Scherben bringen Glück, nicht? Also, freuen wir uns auf einen wunderschönen Urlaub in Amerika!" meine Mutter hob ihre Kaffeetasse um mit niemandem anzustoßen.
„Falls es dir nicht aufgefallen ist, kann hier niemand mit dir anstoßen, weil du den Weg zur Kaffeemaschine blockierst, Mom!" Selina dachte genau das selbe wie ich und schob meine Mutter etwas unsanft zur Seite. Die Kaffeemaschine war etwas, worum wir in unserer Familie praktisch kämpften. Jeder wollte sie immer zur selben Zeit benutzen, und deshalb war ich auch heute früher aufgestanden.
Aber meine Tollpatschigkeit hatte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht und mich um meinen Kaffee gebracht! Zum Glück war ich nach dem kleinen Schock wach genug, um den Rest des Tages ohne Koffein überleben zu können. Und wenn nicht, konnte man an diesem blöden Flughafen im blöden Amerika sicher eine blöde Dose blödes Mountain Dew kaufen!
„Du freust dich garnicht auf unseren Urlaub, nicht?" meine Mutter war mir ins Bad gefolgt und sah mir dabei zu, wie ich mir die Zähne putzte. Warum sprach sie mit mir, während ich das tat? Ich konnte doch nicht antworten! Bitte, warum war meine ganze Familie so dumm? „Glaub mir Dennis, es wird dir gefallen! Ich weiß, du hast Angst vor Pferden, aber die Frau sagte, sie hat Kinder in deinem Alter und du wirst dich bestimmt mit einem gut verstehen!" redete sie mir gut zu.
Als ich endlich fertig war, und mich gegen den Wortschwall darüber, wie 'Supi' und 'Toll!' doch alles werden würde, wehren konnte, unterbrach ich die Frau, die sich meine Mutter schimpfte. „Mom, mir ist es egal, ob die Kinder haben. Egal wie alt die sind. Ich werde einfach in meinem Zimmer sitzen und Videospiele spielen, klar?" damit schob ich sie unsanft zur Seite und schob mich an ihr vorbei.
In meinem Zimmer angekommen ließ ich mich aufs Bett fallen. Es war so scheiße! Alles war scheiße! Scheiß Amerika! Scheiß Eltern! Scheiß Ranch! Scheiß Urlaub! Scheiß Leben! Mir liefen Tränen über die Wangen, als ich mein Kissen boxte. Warum zwangen sie mich dazu, mit ihnen zu kommen?
Ich hatte doch auch Pläne für diesen Sommer gehabt! Elias und ich hatten doch ausgemacht, dass wir an unserem Videospiel arbeiten würden! Außerdem hätte ich ins Freibad gehen und Felix dabei zuschauen können, wie er sich mit Sonnencreme einschmierte. Oh man, Felix Schmied! Er war die Verkörperung meines Traummannes!
Manchmal fragte ich mich, wie ein Mann so gut aussehen konnte! Natürlich kannte er mich nicht. Vermutlich hatte er meinen Namen noch nie gehört! Aber alleine das er mich letztens angelächelt hatte, als wir unsere Zeugnisse bekommen haben, war so wundervoll, dass ich den Geruch seines Aftershaves bis heute, zwei Tage später, nicht vergessen hatte.
Naja, die Pläne, die ich für diesen Sommer geschmiedet hatte konnte ich jetzt sowieso vergessen! Es hätte nicht sehr viel schlimmer kommen können! Und dann auch noch Texas! Als würde es sich lohnen, für sechs Wochen von der einen Einöde, Bayern, zur anderen, Texas, zu ziehen und dafür auch noch einen Haufen Kohle zu bezahlen!
Vielleicht lohnten sich die fünfzehn Jahre wegen Mord an meiner Mutter, welche dies blöde Idee in einer Familienzeitschrift gelesen hatte, doch. Jetzt konnte ich aber nichts mehr daran ändern, ich würde sechs Wochen meines Lebens in Texas vergeuden! Hoffentlich war das Essen dort gut, sonst würd eich diesem Urlaub wirklich gar nichts mehr abgewinnen können!
„Komm schon Dennis! Wir sind schon spät dran! Vertrödle nicht noch die letzte Zeit, die uns bleibt!" schimpfte mein Vater und ich musste schon wieder auf die altbewährte Methode der Blumenwiese zurückgreifen, um ihn nicht die Treppe hinunterzustoßen. Ja, ich hatte Aggressionsprobleme, aber da sie mir nichts außer das Zählen in der Therapie beibrachten, war es ja kein Wunder, dass ich sie nicht loswurde, oder?
Es war einfach noch zu früh, um zu rennen! Warum konnte meine Mutter auch nicht rechtzeitig fertig werden? Sogar Selina war zur Abwechslung Mal pünktlich mit ihrem Koffer beim Auto erschienen! „Oh, wir haben es gerade noch geschafft! Seht ihr, ich habe je gesagt die Zeit reicht uns!" belehrte uns meine Mutter und mein Vater sah richtig angepisst aus.
„Es tut mir Leid Rosa, aber wir hätten nicht so rennen müssen, wenn du einmal in deinem Leben pünktlich fertig werden würdest!" mein Vater lächelte ziemlich gezwungen und die Hand, die er meiner Mutter auf die Schulter gelegt hatte, wurde von ebendieser weggeschlagen. „Wenn wir uns schon mit Vornamen ansprechen, Josef, möchte ich bemängeln, dass du auch schneller hättest fahren können!" gab sie beleidigt zurück.
Während sie uns voran zum Boarding lief, fing ich an zu singen: „Jajajaja Mama ziag dei Schürz'n aus..." weiter kam ich nicht, denn die war plötzlich stehengeblieben und stieß mir den Ellenbogen zwischen die Rippen. „Oh Gott, das ist Kindesmisshandlung!" der Schlag hatte richtig gut gesessen und ich musste mir den Brustkorb halten, um nicht vor Schmerzen aufzustöhnen.
„Ich habs dir ja gesagt Josef, eine Schelle hier und da hätte dem Jungen nicht geschadet!" belehrte sie Mal wieder meinen Vater, welcher mir ermutigend auf den Rücken klopfte. Er war so viel netter als Mom. Deshalb mochte ich ihn auch mehr als sie.
Weil wir so spät waren, mussten wir nicht warten, bis wir in das Flugzeug durften. Das einzige Gute an der Verspätung! Und es zeigte sich, dass ich neben meinem Vater sitzen durfte, während Mom und Selina drei Reihen weiter vorne saßen! Was für ein Glück, so musste ich die beiden schlimmsten Menschen in meinem Leben wenigstens nicht die nächsten vierzehn Stunden ertragen!
„Ich liebe dich Papa!"