Nun bin ich ja doch noch pünktlich.
Fast zumindest.
Langsam fahre ich auf den Parkplatz. Nicht wenige Autos stehen hier – aber glücklicherweise finde ich noch eine Lücke. Die Fläche ist ja groß genug.
Ich fühle mich großartig. Eine bisher nicht gekannte Energie ist in mir, so dass ich hellwach und voller Tatendrang bin. Dass meine Haare und Zähne nicht echt sind, spüre ich schon lange nicht mehr. Alles ist perfekt, sieht man von meinem Hungergefühl ab. Aber da es auf der Party ja auch einige Snacks gibt, dürfte das ja kein wirkliches Problem sein.
Gut gelaunt steige ich aus meinem Auto. Komplett in Montur hatte ich mich hinter das Steuer geklemmt. Aber so fühle ich mich einfach am wohlsten. Und die Strecke war ja auch nicht so weit.
Frank mietet jedes Jahr eine leerstehende Fabrikhalle, die man bei der Stadt anfordern kann. Unter dem Jahr finden hier weitere, auch offizielle Veranstaltungen statt. Aber der Halloweentermin steht jedes Jahr fest.
Sicher steht er wieder draußen vor der Halle, um die Eintrittsgelder zu kassieren. Bei besonders kaltem Wetter mit einem großen Heizpilz neben sich.
Musik ist zu hören. Da es sich im eine ehemalige Fabrikhalle handelt, ist die Isolierung und Schalldämpfung natürlich nicht optimal. Dafür liegt sie abseits im Industriegebiet und stört daher auch keinen.
Ich muss grinsen, als ich mich dem Gebäude nähere. Und wie vermutet, steht Frank vor der Türe und wartet auf weitere Gäste.
Im Augenblick ist jedoch alles ruhig und ich bin der einzige Neuankömmling.
„Hallo Frank. Sind sie alle schon drin?“, begrüße ich ihn, als ich schließlich vor ihm stehe.
Statt einer direkten Antwort blickt er mich nur verständnislos an. „Kennen wir uns?“
Nun bin ich derjenige, der verwirrt ist. „Mensch, Frank, ich bin es – Daniel.“
Weshalb geht mir dieser Name so schwer über die Lippen und fühlt sich so falsch an?
„Daniel?“ Seine Augen werden groß und er blickt mich ungläubig an. „Bist du das tatsächlich?“
„Ja, Mann.“ Immer noch falsch.
„Kaum zu glauben. Du bist völlig verändert und wirkst so anders.“ Ein Kopfschütteln. „Du hast ja sogar extra deinen Bart abrasiert.“
Mein Freund wirkt nicht so offen wie sonst. Es scheint sogar so, als sei ihm etwas unbehaglich.
„Das hatte ich eh vor, und heute schien mir ein guter Anlass“, beruhige ich ihn. Dass seine Vermutung richtig war, werde ich ihn nicht verraten.
„Und diese Haare.“ Er starrt mich geradezu an. „Man erkennt dich wirklich kaum, Daniel.“
Schon wieder Daniel. Ich beginne diesen Namen zu hassen.
„Dann macht es dir ja auch sicher nichts aus, mich Alessandro zu nennen, oder?“
„Alessandro?“
„Alessandro Martinelli, um korrekt zu sein. Wie du selbst festgestellt hast, habe ich heute Abend mit Daniel wenig gemeinsam.“
Ich sehe sein unbehagliches Schlucken. „Natürlich. Wie du wünscht.“
Meine Antwort ist ein Nicken und mein Blick fällt auf das Preisschild. „Fünf Euro diesmal?“
„Tut mir leid. Die Miete hat sich leider erhöht.“
Ich sage nichts darauf, sondern greife nach meinem Geldbeutel und gebe ihm nach kurzem Suchen schließlich den Schein. „Weshalb sind alle schon drin?“
Fast ängstlich sucht er meinen Blick. „Die Party findet dieses Jahr eine Stunde früher statt. Ich hatte dir das gesagt, weißt du das nicht mehr?“
Hatte er das? Keine Ahnung. Möglich.
Frank hat einen schönen Hals. Weshalb ist mir das früher nie aufgefallen?
So gesehen ist das gar nicht so schlimm, dass ich zu spät dran bin. Denn bin ich mit ihm hier ganz alleine draußen und kann ihn in Ruhe betrachten.
Weshalb wird dabei mein Mund wässrig und der Hunger nimmt sogar zu?
Ja, Ich möchte mit ihm allein sein. Warum weiß ich selbst nicht genau. Also nicht hier, sondern an einem Ort, wo wir sicher nicht gestört werden.
Mein Blick fällt auf die kleine Spendenkasse, die er ganz links hingestellt hat.
„Das habe ich wohl nicht bekommen, Frank. Bist du wieder mit dem Transporter hier?“
„Ja. Warum willst du das wissen?“
„Weshalb machst du hier nicht Schluss?“, säusle ich nun weich und liebenswürdig und ignoriere seine Frage. Wow, ich wusste gar nicht, dass ich so reden kann. „Viele werden nicht mehr kommen. Lass doch stattdessen die Spendenkasse einfach hier. Die Leute sehen ja, was es kostet, wenn du das Schild dalässt. Am besten trägst du das Geld rüber zu deinem Lastwagen.“
„Ich weiß nicht…“, zögert er.
„Nun komm schon. Du hast genug gearbeitet. Zeit, sich zu entspannen.“, ermutige ich sanft und nagle ihn mit meinem Blick fest. Ein breites Lächeln umspielt nun meine Lippen und vermutlich kann man dabei auch meine spitzen Zähne sehen. „Ich werde dir dabei helfen.“