Frank zittert immer noch. Aber ich kann auch ein wenig Hoffnung in seinen Augen erkennen. Schließlich habe ich ihm nicht sofort geantwortet und er hat mein Zögern dahingehend gedeutet, dass ich über seine Bitte nachdenke.
Und er liegt ja darin nicht falsch.
Abschätzend mustere ich ihn. Ob er wohl ahnt, dass ich im Gegensatz zu ihm alles genau erkennen kann, seine Mimik und das Innere des Laderaums? Den Boden so wie auch die Farbe der Decke, auf der er liegt? Auch wenn es mir eigentlich egal ist, ob es meine Opfer bequem haben oder nicht, hat mich irgendetwas bewogen, meinem alten Freund wenigstens ein Minimum an Komfort zu bieten.
Ich schüttle unwillig den Kopf und hebe ihn leicht an. Bedauernd betrachte ich seinen schönen Hals, als ich von ihm ablasse und in das Ohr des Sterblichen flüstere: „Du bist dir schon sicher, was du mir da anbietest… alter… Freund?“
Eigentlich sollte ich seine Bitte abschlagen. Um seiner selbst Willen. Sein Tod wäre weit gnädiger als das, was mit ihm passieren wird, wenn ich ihn unterwerfe. Denn dann wird es den alten Frank nicht mehr geben, er wird durch meinen Eingriff, die Manipulation seiner Selbst ein komplett anderer sein – er wird wiedergeboren werden als eine neue Person, die so ist, wie ich sie haben will.
Sterben wird er also auf jeden Fall.
Ärgerlich verdränge ich diese Zweifel. Vielmehr sollte ich das annehmen, was dieser Dummkopf mir anbieten.
Frank jedoch scheint sich über die möglichen Folgen keine Gedanken machen zu wollen, noch hört er auf meine Warnung. „Ja, nur bitte Da… Alessandro, verschone mich. Ich kann dir eine große Hilfe sein, wenn du mich nur verschonst. Bitte, sei gnädig.“
Ich verkneife mir ein höhnisches Lachen. Das wäre vermutlich kontraproduktiv. Nur in Einem irrt sich Frank – mit Gnade hat das alles rein gar nichts zu tun.
Stattdessen hauche ich ihm ins Ohr: „Du bist also bereit, mir zu dienen?“
Nach wie vor fixiere ich den Menschen mit meinem Körper, löse meine Hände jedoch von seinem Kopf. Sofort nickt er. „Ja, wie gesagt, ich mache alles, was du willst. Nur bitte…“
Das Stammeln und Betteln gehen mir echt so langsam auf den Geist.
„Nun gut. Ich bin bereit, auf dein Angebot einzugehen“, erkläre ich ihm mit emotionsloser Stimme, unterbinde jedoch den Redeschwall, zu dem er ansetzt. „Aber nur, wenn du jetzt still bist.“
Erschrocken klappt sein Mund wieder zu. Sehr schön.
„Du hälst ruhig in der Position, in der ich dich gleich halte, verstanden!“, knurre ich ihn an.
Frank schaut verwirrt, flüstert aber nach wenigen Sekunden „Ja, das mache ich, ich schwör es“ hinterher.
So ein Jammerlappen. Aber nun gut, das lässt sich ja ändern.
Ich umfasse seinen Kopf links und rechts mit beiden Händen und drehe ihn gerade. So, dass ich direkt in seine Augen blicke.
„Lass die Augen offen“, befehle ich.
Ich bekomme keine Antwort, aber auch keinen Widerstand. Nur sein hektischer Atem ist zu hören.
Schon längst mache ich mir keine Gedanken mehr, woher ich dieses Wissen habe. Stattdessen sammle ich all meine Konzentration, um in seinen Geist einzudringen und ihn dauerhaft umzuformen.
Kurze Befehle sind einfacher und werden von uns Vampiren häufig angewandt, um unsere Beute gefügig zu machen. Die meisten unserer Art besitzen diese Fähigkeit, in unterschiedlicher Ausprägung. Ich selbst weiß, dass ich darin sehr gut bin. Undeutliche Bilder und Erinnerungen sind in meinem Kopf, die mir zeigen, dass ich diese Form von Gedankenmanipulation schon oft erfolgreich angewandt habe, bei Männer und Frauen, meist während eines heimlichen Stelldicheins. Erfreulicherweise werden diese Gedankenfetzen immer deutlicher und ich begreife immer mehr, wer ich in Wirklichkeit bin.
Hier handelt es sich jedoch um mehr. Eine gezielte Gehirnwäsche mit dem Ziel, den Sterblichen zu formen – seine Wünsche und Träume, Überzeugungen und Moralvorstellungen in meinem Sinne zu verändern. Und dazu bedarf es der Kooperation.
Genau deshalb sind Unterworfene so selten. Denn dafür muss er mir freiwillig Einlass gewähren. Während ich ihm kurze Verhaltensänderungen und entsprechende Handlungen aufzwingen kann, geht das hier nur, wenn er sich nicht wehrt. Menschen spüren diese Form der Manipulation und können sie erfolgreich abwehren.
Langsam, fast behutsam und zärtlich beginne ich, mich seinem mentalen Geist zu nähern. Möglichst unschuldig und harmlos schleiche ich mich heran in der Hoffnung, leichtes Spiel zu haben. Es ist eine Art der Verführung, während ich fest auf sein Gesicht blicke.
Zu Anfang scheint mein Plan aufzugehen. Ich bin schon ein wenig in seinen Kopf eingedrungen und beginne möglichst unauffällig, Einfluss auf seine Gedankengänge zu nehmen.
„Nein! Nicht“. Erschrocken und panisch schreit Frank auf und wirft mich von einer Sekunde auf die andere aus seinem Kopf.