Danke für das Angebot.“ Franks Stimme klingt leicht verunsichert. „Aber du weißt ja, wie unehrlich die Leute heutzutage sind. Da wird keiner etwas zahlen, wenn ich nicht hier stehe.“
Ich starre schon wieder auf seinen Hals. Daher entgeht mir auch Franks unbehagliches Schlucken nicht.
Aus irgendeinem Grund scheint mich diese Stelle magisch anzuziehen. Ich stehe nicht auf Männer, ich bin der klassische Hetero, aber ich fühle eine freudige Erwartung in mir hochsteigen und spüre ein seltsames Kribbeln in der Magengegend.
„Das verstehst du doch, oder?“ Mein Freund wirkt nun mehr als nur verunsichert.
Ich scheine ihn wirklich zu verängstigen.
Das ist nicht gut.
Ich zwinge mich, diese seltsamen Empfindungen zu ignorieren und bemühe mich stattdessen, ein freundliches Gesicht zu machen. Gleichzeitig löse ich meinen Blick von seinem Hals und wende mich stattdessen seinem Gesicht zu, so schwer es mir auch fällt.
„Wie du willst.“, entgegne ich möglichst ruhig.
Erleichtert bemerke ich, dass sich Frank entspannt. Fast könnte es wie früher sein, da ich die vertrauten Schwingungen der Freundschaft fühle, die uns schon so lange verbindet. Allerdings ist noch etwas anderes. Ein Störfaktor- etwas in mir, der mein Gegenüber verachtet, ihn belächelt für das, was er ist.
Ich ahne, dass ich mich damit noch auseinandersetzen muss.
„Und ich gebe dir recht, die Menschen sind nicht besonders ehrlich.“, höre ich mich nun sagen. Fast ohne mein Zutun, als wäre eine andere Kraft in mir, kommt dieser Satz über meine Lippen.
Frank räuspert sich. „Ja, da hast du wohl recht, Daniel.“
„Alessandro“, widerspreche ich ihm automatisch.
„Alessandro, ja natürlich.“
Wir starren uns nun beide gegenseitig in die Augen. Dabei verspüre ich den seltsamen Impuls, etwas Bestimmtes zu tun. Ich kann jedoch nicht fassen, was es genau ist und wehre mich instinktiv dagegen. Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Frank werden wach, und ich benutze sie als eine Art Schutzschild gegenüber diesem seltsamen inneren Drang, mit Frank zu spielen und sich an seiner Angst zu weiden.
Aber da ist noch mehr. Mein alter Freund ist in Gefahr und ich muss ihn schützen.
Ich darf dem allen nicht nachgehen. Woher auch immer diese bösen Gedanken kommen, ich bin stärker.
Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass meine Beine einen eigenen Willen zu haben scheinen. Ich nähere mich ihm und wir stehen uns nun viel zu nahe gegenüber. Ich kann sogar seinen hektischen warmen Atem spüren, der meine Wangen streift.
Wir halten weiter Blickkontakt. Ich weiß, dass sich mein Gesprächspartner nun wieder sehr unwohl fühlt, sich gerne davon lösen und auf Abstand gehen möchte, es aber nicht kann.
Nicht kann, da ich es ihm mit meinem Willen verbiete. Ein Willen, der sich in Franks Kopf eingenistet hat und ihn beherrscht.
Verdammt, wie kann das sein? Was mache ich?
Erschrocken über mich selbst, geradezu geschockt wende ich mich ab und gebe ihn frei.
Was ist mit mir geschehen?
Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen schießen – etwas, was mir schon seit Ewigkeiten nicht mehr geschehen ist. Große Scham und Entsetzen angesichts dieser Abgründe in mir erfassen mich.
Aber ich kann dem jetzt nicht nachgehen, da Frank den Augenblick meiner Schwäche nutzt und flieht. Ganz deutlich höre ich die Geräusche seiner Schuhe aus dem Asphalt, obwohl er bereits aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.
Er darf auf keinen Fall entkommen. Was ist, wenn er jemand anderem erzählt, was er gerade hier erlebt hat? Sicher, es wird ihm keiner glauben, aber die Menschen dürfen auf keinen Fall auf meine Spur kommen.
Eine plötzliche Wut erfasst mich und verdrängt die Sympathien, die ich gerade noch für ihn hatte. Elender Wurm! Glaubt er tatsächlich, er kann mir entkommen?
Ich spüre plötzlich keine Zweifel nicht mehr und setze ihm nach.
Und ich kann ihm mühelos folgen. Ich muss mich nicht mal besonders anstrengen. Zu deutlich höre und rieche ich ihn.
Wie ein Hund nehme ich die Fährte auf. Ich kenne seinen Duft, scheine ihn während unseres Gesprächs hier draußen abgespeichert zu haben. Diese Mischung zwischen Frank und seiner Angst schreckt mich nicht zurück, ganz im Gegenteil, sie macht mich geradezu an. Mit Leichtigkeit folge ich ihm und halte sogar bewusst etwas Abstand.
Ja, ich spiele mit ihm wie die Katze mit der Maus.
Nicht lange, und ich höre ihn mit etwas klimpern. Seinen Autoschlüssel.
Ganz klar, er will sich im Lkw aus dem Staub machen. Nun wird eine Autotür aufgerissen, dann wieder heftig zugeschlagen. Schon höre ich das Starten des Motors.
Nun ist also doch Eile geboten. Schluss mit dem Versteckspiel.
Also beginne ich zu rennen.
Die Umgebung verschmilzt mit mir, wird seltsam unscharf und fliegt an mir vorbei.
Frank hat gerade den ersten Gang eingelegt, da habe ich auch schon den Lastwagen erreicht und auf dem Nebensitz Platz genommen.
„DU!“ Mein Freund starrt mich mit weit aufgerissenen Augen panisch an.
„Wo willst du denn so plötzlich hin?“, frage ich mit sanfter Stimme und lächele ihn freundlich an.
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Dass Daniel nun doch plötzlich zeitweise etwas Skrupel hat, obwohl er zuvor so einfach vom Bösen überwältigt werden konnte, wird später erklärt.
Ich muss gestehen, ich tue mich gerade mit der Geschichte etwas schwer und bin mit dem Kapitel auch nicht ganz zufrieden. Vielleicht kann mir jemand helfen?
Auch überlege ich die ganze Zeit, ob ich Frank (scheint irgendwie mein Lieblingsname zu sein) am Leben lassen soll oder nicht (Alessandro würde sicherstellen, dass Frank ihn nicht verrät). Wie ist denn eure Meinung dazu?