„Was…“, höre ich Frank unsicher und leise fragen, bevor er verstummt.
Er ist verwirrt und wirkt erschöpft. Vermutlich normal nach einer solchen Gehirnwäsche.
Hoffe ich zumindest. Ich werde bald merken, ob ich erfolgreich war. Wenn nicht habe ich immer noch die Option, zu meinen ursprünglichen Plan zurückzukehren und den Mann leerzutrinken.
Wobei mir die Aussicht auf einen unterworfenen Frank viel besser gefällt.
Ich hatte mir vorgenommen, ein klein wenig von ihm zu naschen, als Entschädigung für die anstrengende Gehirnwäsche meinerseits, sozusagen. Angesichts seines Zustandes verzichte ich aber lieber darauf.
„Wie geht es dir?“, frage ich ihn mit sanfter Stimme. Dabei kann ich nicht vermeiden, dass ich besorgt klinge. Ja, ich hoffe wirklich, dass er es gut überstanden hat.
In diesem Moment fühle ich mich diesem Mann freundschaftlich verbunden, obwohl wir durch meine Verwandlung so wenig gemeinsam noch haben. Ich kenne das – es sind die Empfindungen von Daniel, die er immer hatte, wenn er mit seinem Freund zusammen war. Obwohl ich nun einen anderen Namen trage, scheint er immer noch da zu sein – irgendwie. Auch wenn mein neues Ich wesentlich stärker ist, schimmert er in kurzen Momenten immer wieder mal durch und meldet sich zu Wort.
Alessandro hat damit nicht gerechnet. Als er anfing, die Kontrolle zu übernehmen war seine Erwartung, dass ich völlig zu ihm werden würde, dass Daniel komplett verschwinden würde. Doch er irrte.
Sicher, er ist stärker und der alte Mensch nur eine Nuance, wie eine kleine Verzierung auf einem Kuchenguss. Aber der Urvampir hat auch nicht wirklich etwas dagegen – durch diese Mischung scheint die neue Kreatur in sich ausgewogener, stabiler und zufriedener zu sein. Der alte Alessandro war sehr schwieriger und launisch – der neue geht wesentlich überlegter und weniger impulsiv vor.
Ich lache kurz auf als mir klar wird, dass Franks Situation der meinem gar nicht so unähnlich ist.
„Ist etwas nicht in Ordnung, Daniel?“, stammelt mein Diener.
Hm – das wollte ich doch von ihm wissen, oder?
Und der Name – schon der erste Punkt, den ich vergessen habe. Hoffentlich kommen da nicht allzu viele noch nach.
„Ich hatte dich das doch gefragt, oder?“, knurre ich, ganz in der Rolle des strengen Herrn. „Und du kennst meinen neuen Namen doch, oder?“
„Verzeih bitte, natürlich Alessandro“, reagiert er zerknirscht. „Ich fühle mich so durcheinander und bin erschöpft. Aber das geht schon, so lange ich nur in deiner Nähe sein darf.“ Ein sehnsüchtiger Glanz erscheint in seinen Augen, der mir eine große Genugtuung verschafft.
„Versuch mal, ob du aufstehen kannst“, fordere ich ihn auf. „Aber mache langsam“.
Noch während ich dies sage, löse ich meinen Körper von ihm und umfasse seine rechte Hand, um ihm aufzuhelfen. Befriedigt bemerke ich, wie ihn kurz ein freudiges leichtes Zittern erfasst.
Obwohl Frank nach wie vor ziemlich geschwächt ist, ist ihm seine Verliebtheit deutlich anzumerken.
„Ich danke dir“, murmelt er verlegen.
„Hast du etwas zum Trinken da?“, erkundige ich mich. Hier in Laderaum kann ich nichts Entsprechendes entdecken, es sei denn es ist etwas in diesen Kisten, die ich links neben uns am Rand entdecken kann.
„Zum… Trinken?“, wiederholt er verwundert und schüttelt den Kopf.
Was ist an dieser Frage bitte so seltsam?
„Es tut mir leid, Alessandro, nein. Ich wusste bis vor Kurzem nicht, dass wir so etwas brauchen würden oder wie ich darankommen soll.“
Wie bitte?
Dann begreife ich und schüttle nun meinerseits den Kopf, während ich kurz auflache. „Nicht Blut, mein Lieber. Du brauchst etwas, du bist ja völlig erledigt.“
„Ich? Ach so, nein, oder besser gesagt ja, vorne in der Fahrerkabine, da müsste eigentlich noch eine Flasche Cola liegen.“
„Sehr schön.“
Zucker ist in diesem Falle sicher gut überlege ich, während ich ihn aus den Laderaum führe. Das Getränk hatte ich vorhin doch glatt übersehen. Nun ja, ich hatte ja auch andere Dinge im Sinn gehabt, als auf so etwas zu achten.
„Du trinkst das jetzt erst mal, damit es dir wieder besser geht.“
Ich passe auf, dass er beim Verlassen des Laderaums nicht stolpert und bugsiere ihn behutsam nach vorne.
Mein alter Kumpel hatte recht – hier steht tatsächlich das bekannte koffeinhaltige Zuckerwasser in einem Getränkehalter.
Nachdem ich sichergestellt habe, dass er unversehrt auf dem Sitz landet gehe ich rasch um das Fahrzeug herum und öffne die Beifahrertüre.
Der Mensch starrt verliebt auf mein Gesicht, als die Innenbeleuchtung aktiviert wird. Es ist das erste Mal seit seiner Umformung, dass er es deutlich sehen kann.
„Du bist so schön“, flüstert er bewundernd.
Später ja, aber im Moment steht mir nicht der Sinn nach so etwas.
Ich werde noch einige Minuten abwarten, dann werde ich auf die Party gehen und mir mein Opfer aussuchen. Gleichzeitig werde ich Frank anweisen, zu seiner Kasse zurückzukehren, das bisher eingenommene Geld hierherzubringen und im Lkw auf mich zu warten.
Mein großzügiges Geschenk an alle neuankommenden Gäste; sie müssen keinen Eintritt zahlen, sondern dürfen umsonst auf die Party.
Im Gegenzug verlange ich nur eine Kleinigkeit. Eine großzügige Blutspende ist nicht zu viel verlangt, oder?