CN: Angedeutetes Mobbing
Irgendetwas stimmte nicht mit Sean. Es war, als würde ihn ein elektrisches Feld umgeben, das die Haare auf meinen Armen zu Berge stehen ließ.
Er starrte Mickey an, mit einer Wut in den Augen, die ich so noch nie gesehen hatte. Etwas blitzte in seinen Augen. Etwas Wildes. Was passierte hier? Ich war nicht sicher, ob es eine gute Idee war, es abzuwarten.
„Ich habe gehört“, begann Mickey in einem schnarrenden Tonfall, als ich vor Sean trat.
„Halt die Klappe.“ Damit schnappte ich mir Seans Hand und zerrte ihn in Richtung der Tür. Er schien nicht wirklich zu begreifen, was vor sich ging, doch noch immer umgab ihn diese Aura.
„Willst du wirklich mit unserem Kleinkriminellen abhängen, Sarah?“, rief Kimberly mir hinterher, doch ich ignorierte sie.
Da. Die Tür zum Klassenraum.
Es war als würde ich eine Schaufensterpuppe hinter mir herziehen, so steif war Seans Körper. Ich konnte nur froh sein, dass er überhaupt seine Füße bewegte.
Natürlich standen auch im Flur Leute rum. Wohin?
Am Ende des Gangs war der Putzraum. Das war wohl die beste Option. Also zerrte ich Sean in die Richtung, während ein seltsames Geräusch über seine Lippen kam. Plötzlich riss er sich von mir aus.
„Ich werde es ihm zeigen“, knurrte er und wollte wieder zum Klassenraum zurückkehren.
Nein. Das würde er definitiv nicht! Ich stellte mich vor ihn. „Du kommst mit mir mit!“, sagte ich im selben Tonfall, den ich für meinen Kater Kass nutzte.
Selbst als er versuchte, sich an mir vorbei zu drängeln, hielt ich dagegen. Das würde ich jetzt nicht zulassen. Etwas sagte mir, dass ich es nicht durfte. „Sean, du riesiger Trottel, komm mit mir mit!“ Ich stemmte beide Hände gegen seine Brust, drückte ihn wieder in Richtung des Putzraums.
„Hey, Sarah, hast du nicht besseres zu tun, als dich mit dem Arsch abzugeben?“, rief jemand.
„Halt die Klappe“, schnauzte ich zurück, ohne überhaupt zu schauen, wer es war.
Ich hielt Seans Arm fest, während ich die Tür aufschlug. Dann schubste ich ihn in den kleinen Raum, ungeachtet des Johlens, dass jemand hinter mir ausstieß. Mir egal, was sie dachten. Aber wenn ich Sean allein ließ, würde irgendetwas passieren.
Als wollte er meinen Gedanken bestätigen sprang er zur Tür, als ich diese hinter mir schloss. „Lass mich daraus!“, schnaufte er in einem ungewöhnlich tiefen Tonfall. „Lass mich …“
Ich sah in seine Augen, die von einem seltsam unmenschlichen Blick erfüllt waren. Seine Pupillen waren breit geworden, als wäre er kurz davor irgendeinen Anfall zu haben. „Nein!“
„Lass mich da raus!“, knurrte er und schlug gegen die Tür. „Lass mich …“
„Nein!“, meine Stimme war fester, lauter. Da war Angst in meiner Brust, doch ich wusste, dass er mir nichts tun würde.
Er zitterte am ganzen Körper, als er auf einmal auf die Knie fiel. Sein Oberkörper verkrampfte sich. Sein Gesicht war in einen stummen Schrei verzerrt. Doch was als nächstes geschah, konnte mein Hirn im ersten Moment nicht verarbeiten.
Es war, als würde er schmelzen. Das meine ich nicht mal metaphorisch. Es sah echt aus, als würde er schmelzen, als wäre er aus Wachs, wäre erwärmt worden und würde neu geformt. Seine Arme wuchsen an, sein Kopf verformte sich und so auch der Rest seines Körpers. Was nun vor mir saß, sah aus, als wäre es einem Horrorfilm entlaufen. Es hatte den Kopf eines Wolfes, aber einen haarigen, seltsam proportionierten Menschenkörper. Nur dass die Beine verform waren und der Schwanz eines Wolfes aus dem Hintern wuchs. Okay, vielleicht war es weniger einem Horrorfilm, als einer Furry-Convention entlaufen.
Das Wesen gab einen seltsamen Laut zwischen Knurren und Jaulen von sich, während ich es anstarrte.
Während ich es anstarrte, begannen meine Gedanken sich wieder zu ordnen. Drei Dinge wurden mir klar.
Erstens: Das hier war noch immer Sean.
Zweitens: Sean war ein Werwolf.
Drittens: Werwölfe waren real.