Gut. Die Hyäne war eine Überraschung. Pakhet hatte von Hyänengestaltwandlern gehört, doch sie waren so weit südlich eher selten. Sie wollte definitiv nicht zwischen den Kiefern des Biestes landen, dass gut eineinhalb Mal so groß wie eine normale Hyäne war.
Sie hielt ihre Pistole vor sich ausgestreckt, bemüht darauf Mr Fourie ebenfalls im Auge zu halten. Der Mann stand hinter seinem Schreibtisch, seine eigene Waffe in der Hand.
Zumindest verriet ihr seine Haltung, dass er nicht viel Erfahrung hatte. Wahrscheinlich hatte er noch nie auf einen anderen Menschen geschossen, nur auf irgendwelche Ziele am Schießstand. Die Hyäne war definitiv ihre größere Sorge.
Verfluchter Michael! Er hätte doch wissen müssen, dass der Bodyguard ein Gestaltwandler war. Wofür arbeitete sie überhaupt für einen Informationsmarkler? Hatte er es ihr wieder absichtlich unterschlagen?
„Sie gehen jetzt zur Wand zurück und lassen ihre Waffe fallen“, sagte Fourie mit leiser, zitternder Stimme.
Pakhet lächelte kalt. „Ja, das glaube ich eher nicht.“
Er hob die Waffe ein Stück, als glaubte er, ihr damit Angst machen zu können. „Ich warne Sie.“
„Sehe ich.“ Sie seufzte. „Schauen sie, ich bin nicht hier, um sie zu töten. Ich bin für den Inhalt ihres Safes hier, für nichts mehr.“ Verdammt, er war Aktionär. Was hatte er überhaupt mit Magie zu tun? Wie war ein Aktionär an eine Werhyäne gekommen?
Die Hyäne machte einen Schritt auf sie zu, die gelben Zähne gut sichtbar. Speichel lief von ihren Lefzen.
Rasch richtete Pakhet die Waffe auf das Tier. Im nächsten Moment knurrte das Tier, sprang und Pakhet schoss. Nicht schnell genug.
Ihr Schuss streifte die Schulter der Hyäne, doch diese prallte mit ihrem gesamten Gewicht gegen Pakhets Hüfte. Klauen gruben sich selbst durch die Lederjacke, durch Haut und Fleisch, entlockte Pakhet ein Keuchen.
Instinktiv brachte sie ihre Prothese zwischen sich und die Kiefer des Ungeheuers. Gerade rechtzeitig. Einen Moment später verkeilten sich die Zähne in dem Metall.
Wieder schoss Pakhet und dieses Mal war die Hyäne zu nah, um dem Schuss zu entgehen. Ein Jaulen erklang, als die Kugel sich in den Bauch des Gestaltwandlers bohrte. Er zog sich zurück - das rechte Hinterbein zitterte.
Rasch krabbelte Pakhet rückwärts um Abstand zwischen sich und das Tier zu bringen, die Waffe weiterhin auf seinen Kopf gerichtet.
Ein weiterer Schuss erklang, dieses Mal jedoch von Fourie. Der Knall ließ Pakhet zusammenzucken, doch verfehlte der Schuss sie um beinahe einen Meter. Sie bemühte sich um Ruhe und sah Fourie an. „Sie sind kein Schütze, Mr Fourie“, sagte sie ruhig.
Die Hyäne fiel zur Seite. Blut benetzte den Boden unter ihr. Ihre Gestalt verlief, als wäre sie aus Wasser, ließ den dunkelhäutigen Mann zurück, der Pakhet vor einigen Minuten in diesem Büro entdeckt hatte. Er drückte die Hände gegen die Wunde in seinem Bauch.
Pakhet atmete tief durch. „Mr Fourie, machen Sie den Safe auf und wir können das ganze schnell beenden. Ihr Bodyguard braucht einen Arzt.“
Das Zittern in Fouries Händen verstärkte sich. „Nein.“
„Mr Fourie, seien Sie vernünftig. Ich will Sie nicht verletzen.“
Fouries Finger auf dem Abzug spannte sich an, drückte jedoch nicht ab. Angst spiegelte sich in seinem Blick wieder. Sein Atem rasselte.
„Mr Fourie!“ Sie versetzte ihrer Stimme Nachdruck, richtete ihre Pistole nun auf ihn.
Ihre Blickte kreuzten sich und die Sekunden verstrichen. Dann aber ließ Fourie seine Waffe sinken. Seine Schultern sackten ein. Er atmete tief durch und wandte sich dem Safe zu.
Pakhets Blick glitt zu dem Mann auf dem Boden. Auch wenn die Krallenspuren auf ihrer eigenen Haut brannten, fühlte sie ein Stechen in ihrem Gewissen. Sie hoffte er überlebte. Sie hasste es zu töten.
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Fingerübung
Stichwort: Verletzt
Sidestory zu Mosaik
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