Ich glaube, ich bin für kurze Texte nicht geeignet, statt 300 Worte bei diesem Text aus der Gruppe "Fingerübungen" sind es über 600 geworden. Aber egal: Hier gibt es jetzt einen Internetausfall...
Gregor scheute sich vor dem Abend auf der Hütte oberhalb der Stadt. Sebastian, ein Arbeitskollege, feierte seinen dreißigsten Geburtstag dort und hat ihn tatsächlich eingeladen. Warum war ihm irgendwie schleierhaft. Gregor war einfach ein verschlossener Typ, korrekt in seiner Arbeit, hilfsbereit, aber weder gesprächig noch ein Mensch, der sich gerne auf Partys herumtrieb. Quasi das Gegenteil aller anderen. Außerdem verzichtete er auf Alkohol, es war ihm jedesmal ein Graus, wenn er mit Besoffenen zusammen war. Deren Reaktionen waren einfach überhaupt nicht vorhersehbar.
Sebastian legte seinen Arm um Gregors Schultern, der kurz vor Schreck zuckte, doch Sebastian merkte es nicht oder verstand es, es nicht zu zeigen. „Na, Gregor, gefällt dir die Party?“
Gregor sah ihn durchdringend an: „Naja, ich bin jetzt nicht so der Partytyp, aber das wusstest du doch, oder?“
„Naja“, antwortete Sebastian, „du bist ein Kollege, den ich sehr schätze und ich freue mich, dass du da bist. Nachher haben wir dann noch etwas Musik und wir tanzen, vielleicht kannst du dann ja ein wenig loslassen.“
„Was soll ich denn loslassen?“ Was bitte wollte Sebastian von ihm?
Beinahe hätte Sebastian geantwortet, er solle seinen Stock im Arsch loslassen. Doch er entschied sich für: „Mache einfach das, was dich lächeln lässt, ok?“
Tatsächlich lächelte Gregor kurz und sagte: „OK“.
„Na, geht doch.“ Sebastian ging zum nächsten Gratulanten.
Der Abend nahm seinen Lauf und tatsächlich gelang es Gregor mit dem ein oder anderen Kollegen Smalltalk zu halten. Nichts, was für ihn eine gute Unterhaltung ausmachen würde, aber immerhin. Schließlich ging die Musik an und nach und nach versammelten sich die Leute zum Tanzen auf der provisorisch eingerichteten Tanzfläche. Alle, bis auf Gregor. Der bevorzugte seine kleine Welt, die er in der Hosentasche dabei hatte, und stöberte durch Twitter. Da in seinem Handy, da konnte er sich wirklich daheim fühlen. Er merkte gar nicht, wie Sebastian ihn immer wieder ansah und hoffte, dass er auch auf die Tanzfläche kommen würde.
Gregors Lächeln erstarb jedoch plötzlich. Er hatte hier keinen Empfang und irgendwie wollte das WLAN plötzlich auch nicht mehr. Verdammt, abgeschnitten vom Glück. Verärgert tippte er auf dem Handy herum, doch es blieb dabei: Das WLAN war aus und er steckte das nutzlos gewordene Handy wieder in die Hosentasche. Was nun? Was konnte er machen, um zu lächeln, wie es Sebastian ihm gewünscht hatte? Um sich zu beruhigen, verließ er für einen Moment die Hütte. Der Blick runter in die Stadt war grandios und der Blick zum Himmeln noch mehr. Hier auf dem kleinen Berg konnte man viel mehr Sterne sehen als unten in der Stadt. Ein Gefühl von Romantik erwärmte sein Herz. Er hörte Schritte hinter sich: „Gregor?“ Sebastian kam zu ihm. „Was ist los?“
„WLAN ist kaputt.“
„Du sollst ja auch feiern.“
„Ich fühle mich aber mit dem tanzenden Volk echt nicht wohl, Sebastian!“
„Und hier draußen?“
„Hier geht es. Ich brauche einfach…“ er stockte. Ja, was war es denn, was er so brauchte? „Es ist mir zu wuselig, ich brauche da irgendwie Ordnung drin.“ Er sah zu Boden, weil er sich für seine Worte schämte.
Sebastian hob mit der Hand Gregors Kinn nach oben: „Entschuldige, dass ich dich so verlegen gemacht habe mit meiner Einladung hierher. Ich hatte gehofft, dass ich dich etwas besser kennenlernen kann. Du bist ein so toller Kollege und ich fühle mich in deiner Gegenwart immer gut.“
Gregor versuchte, die Worte zu verstehen. Was wollte Sebastian damit sagen? Ok, er verstand sehr gut, dass es ihm auch immer gut in Sebastians Gegenwart ging, sehr gut sogar. Doch dass Sebastian ihm jetzt ganz nah kam und ihm einen Kuss auf die Lippen gab, ganz zart wie eine Feder, konnte er nicht mehr verstehen, nur sein Herz war damit einverstanden.