Raoul bemühte sich, möglichst nichts an sich herankommen zu lassen. Eine Art mentales Schutzschild, welches ihm schon in mancher Schlacht geholfen hatte.
Man verschloss das Herz und funktionierte – als sei man selbst ein Kriegsfürst.
Mit dem Unterschied, dass er seine Gefühle nicht dauerhaft unterdrücken konnte. Später würden sie mit umso größerer Wucht auf ihn einbrechen.
Die Offiziere wechselten hin und wieder ein Wort mit dem Soldaten, waren aber ansonsten untereinander in Gespräche vertieft. Auch Damian ignorierte ihn weitgehend – trotzdem betrachtete er Raoul von Zeit zu Zeit nachdenklich, was nicht gerade zu dessen Beruhigung beitrug. Wenigstens verzichtete der Kriegsfürst auf eine weitere Konversation und wandte sich stattdessen den Offizieren zu. Zu Raouls Überraschung erkundigte sich Damian auch nach deren Familien – zwar ohne offene Herzlichkeit, aber der Soldat hatte den Eindruck, dass sein ehemaliger Freund tatsächlich daran interessiert war.
Ohne dass er es bewusst steuern konnte, schweiften seine Gedanken erneut ab …
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„Lass uns zu deinem Vater gehen, Damian! Vielleicht lässt er sich erweichen. Es kann doch auch nicht in seinem Sinne sein, wenn sein Sohn zu etwas wird, das er gar nicht werden will.“
Sein Gegenüber schüttelte heftig den Kopf und schob sich eine Haarstränge hinter sein Ohr. Obwohl er sie kurz trug, pflegten sie störrisch nach vorne zu fallen und ihn zu nerven.
Raoul wäre am liebsten vorgesprungen und hätte sie ihm liebevoll aus dem Gesicht gestrichen. Nur schwer unterdrückte er den Impuls.
Sein anschließendes Seufzen war beidem geschuldet – der ausweglosen Situation und der Unfähigkeit, Damian seine Zuneigung zu offenbaren.
Es war der falsche Zeitpunkt und hätte es dem Freund noch schwerer gemacht. Wenn sie scheitern sollten, war es besser, der Andere wusste nichts über Raouls wahren Gefühle.
„Weshalb glaubst du nicht, dass er dir helfen wird? Wenn wir zusammen gehen …“, begann er, stoppte jedoch, da Damians Handbewegung ihm bedeutete, nicht weiterzusprechen.
„Ich weiß deine Fürsprache zu schätzen, Raoul. Aber mit meinem Vater zu sprechen, wird nichts ändern. Er weiß, dass ich es nicht will – ich durfte mir schon allerlei Vorträge anhören. Von Verantwortung, Ehre und solche Dinge. Er versteht es einfach nicht!“
Der Freund starrte ihn fassungslos an. „Er ist dein Vater!“
„Er ist ein Krieger!“ Damians Stimme drohte zu brechen. „Er selbst hat Pflichterfüllung immer über alles gestellt, auch über das persönliche Glück. Und von mir erwartet er das auch.“
Der Sohn einer Köchin rieb sich über die Stirn, während er die Augen schloss. „Bist du sicher, dass er sich nicht überzeugen lässt?“
„Glaub mir, ich kenne meinen Vater. Ich habe es versucht, mit allem, was mir zur Verfügung steht. Wir können von ihm kein Verständnis und auch keine Hilfe erwarten.“
„Dann lass uns etwas anderes versuchen. Die Magier, Damian. Möglicherweise lassen ja sie mit sich reden.“
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„Raoul?“
Erschrocken zucke er zusammen. Es war der Kriegsfürst, der sein Gesicht zu ihm gedreht hatte und ihn musterte. Wieder war dessen Mimik eine einzige Maske, die die wahren Gedanken nicht zeigte.
„Ich habe dich lange genug ohne ein wirkliches Gespräch hier rumsitzen lassen.“ Täuschte er sich, oder schwang tatsächlich so etwas wie Bedauern in der Stimme mit? „Wir sollten meine Privaträume aufsuchen, damit ich dir deine zukünftigen Aufgaben genauer erläutern kann.“