Die Männer warteten geduldig auf die Bereitschaft des Fürsten, ihnen seine Pläne zu offenbaren.
Gespannt, aber nicht angespannt, wie Raoul überrascht bemerkte. Demnach war es wohl üblich, dass der Anführer seine Offiziere auf diese Weise zu sich zitierte, um ihnen neue Gedanken oder Einfälle mitzuteilen.
Diese Erkenntnis beruhigte Raoul jedoch nur minimal. Als Damian sich nun direkt an ihn wandte, hätte er sich vor Schreck fast verschluckt.
„Sag mir, mein Freund - was dachtest du dir damals, als du aufgrund meiner Fürsprache ins Heer aufgenommen wurdest? Warst du – dankbar?“
Fassungslos starrte der Soldat Damian an. Vermutlich machte er gerade ein recht einfältiges Gesicht, aber das war ihm reichlich egal.
Noch immer konnte er nicht abschätzen, was der Kriegsfürst mit seinem Tun bezweckte. Die Aussage „mein Freund“ fühlte sich durch Damians emotionslose Stimme hohl und falsch an. An die Wörter würde Raoul nicht mehr denken können, ohne genau diese unangenehme Szene vor Augen zu haben.
Aber nicht nur das – nun nötigte Damian ihn auch noch, direkt zu antworten und ihm öffentlich zu danken.
Nie wäre Raoul auf den Gedanken gekommen, dass der Kriegsfürst eines Tages eine Gegenleistung für seine Unterstützung fordern würde. Er hatte dies nicht einmal entfernt geahnt – und wenn, dann jede Hilfe abgelehnt.
Nun aber musste er notgedrungen auf die Frage antworten.
Nur was?
Er könnte ausweichend antworten; allerdings brachte ihn das nicht weiter. Und war er nicht jemand, der der Gefahr mit offenen Augen begegnete?
Der Soldat schluckte, um den unangenehmen Kloß runterzuschlucken, der in seinem Hals steckte, ehe er erwiderte:
„Dankbar? Das war ich durchaus, Herr!“
Nie würde er dieses Monster mit dem alten Namen ansprechen.
Raoul merkte, wie rau sich seine Stimme anhörte.
Dies wurde von den anderen Anwesenden jedoch nicht beachtet, da deren Aufmerksamkeit weiter auf den Fürsten gerichtet war. Der Soldat erkannte manch Erstaunen in den Gesichtern, vielleicht gar einen Hauch einer Missbilligung – ohne dass man sagen konnte, ob diese Raouls Anwesenheit, oder Damians Verhalten geschuldet war.
Dies ließ den Schluss zu, dass diese Situation mittlerweile sogar für die Offiziere ungewöhnlich geworden war.
Der Fürst lächelte ihn dünn an, ehe er fortfuhr: „Nenne mich ruhig Damian, der alten Zeiten willen. Nun, da dir meine Hilfe durchaus bewusst ist, wäre es an der Zeit, mir auch einen kleinen Dienst zu erweisen. Oder wie siehst du das?“
Am liebsten hätte Raoul ihn angeschrien. Das sollte der gerechte Fürst sein, von dem alle sprachen? Berechnend und kalt wohl eher. Für jemanden wie ihn gab es keine Freundschaftsdienste – höchstens Gefälligkeiten, die später eingefordert werden.
„Es käme auf den Dienst an“, antwortete er gezwungenermaßen, während er hilflos auf sein Trinkgefäß starrte.
„Nur eine Kleinigkeit, keine Sorge.“ Damian klang nun tatsächlich freundlich, fast ein wenig warm, was Raoul jedoch nicht dazu bringen konnte, seinen Blick abzuwenden. „Ich besuche übermorgen den Kriegsfürsten Friedrich und werde dort drei Tage bleiben. Deine Aufgabe wird sein, mich dahin zu begleiten und mit mir zurückzukehren.“
Diesmal konnten die Offiziere ein erstauntes Raunen nicht unterdrücken, während der Soldat fast ungläubig den Kopf geschüttelt hätte.
Was hatte das zu bedeuten? Weshalb forderte Damian diesen Dienst?
Wo war der Haken?
Auf den ersten Blick war dieser Handel nicht so schlecht wie befürchtet.
Der Weg zu Friedrich war bequem und mit etwa sieben Tagesritten durchaus im zeitlichen Rahmen. Er führte in eine Gegend, die Ramon nicht kannte, er sie aber schon immer hatte sehen wollen – das wusste Damian übrigens.
Davon abgesehen, erzählte man sich viel über den Wohnsitz dieses Fürsten und der Soldat war neugierig genug, dies mit eigenen Augen sehen zu wollen.
Alles wäre wohl gut machbar, wär da nicht sein Herz, welches sich bei der Vorstellung schmerzhaft zusammenzog. So lange mit diesem Eisklotz unterwegs, das würde mehr als schwer sein.
Aber er wollte die Aufgabe meistern – wenn er auch noch nicht wusste, wie er das anstellen sollte.
Denn danach würde Damian endgültig aus seinem Leben verschwinden.
So drehte er kurz den Kopf und nickte bestätigend. „Ich wäre dazu bereit, wenn das alles ist, was Ihr verlangt.“
„Ich wäre damit zufrieden.“
Damian nahm sich einen großen Schluck seines verdünnten Weins. Raoul Hoffnung, nun das Schlimmste überstanden zu haben, wurde jedoch jäh zerstört, als der Fürst fortfuhr: „Und sollten wir in diesen Tagen gut zusammenarbeiten, wirst du danach mein persönlicher Leibwächter.“