„Also hier schläfst du?“
Wieder einmal überraschte ihn Damian. Dessen Schlafgemach – sagte man dies so bei einem Kriegsfürsten - war überraschend schlicht eingerichtet und wurde von dem großen Doppelbett dominiert.
Ohne Zweifel genug Platz für sie beide.
Raoul schluckte. Wie hatte Damian gesagt – seine Diener hatten um die Schwäche des Kriegsfürsten Bescheid gewusst und ihn entsprechend bewacht? Hatte dies auch bedeutend, nächtlich im gleichen Bett – diesem Bett! – zu schlafen?
Der Soldat unterdrückte nur schwer seine Eifersucht, die in ihm aufzukommen drohte. Sie war alles andere als angebracht und eher als lächerlich zu bezeichnen – schließlich hatte er kein Anrecht auf Damian. Ein Kriegsfürst, der in mehrfacher Hinsicht über ihn stand, konnte nie das für Raoul sein, was sich der Soldat insgeheim wünschte.
„Ich brauche nicht viel Luxus, mein Freund, aber ja, dieses große Bett gönne ich mir, wenn ich hier bin“, antwortete Damian mit ruhiger Stimme. „Ich habe aber kein Problem mit einfachen Unterkünften, die mir oft begegnen, wenn ich unterwegs bin.“
„Geht das denn?“, staunte Raoul „Ich hätte eher gedacht, alle rollen den roten Teppich aus, wenn du ein Gasthaus betrittst!“
„Wenn ich als Kriegsfürst unterwegs bin, hast du recht. Bisweilen reise ich jedoch auch inkognito“, erklärte der Andere mit emotionsloser Stimme. Er wirkte nun wieder etwas unnahbarer. „Mein Leben ist nicht ganz so simpel, wie du es dir möglicherweise vorstellst. Du wirst überrascht sein.“
Raoul seufzte. „Das glaube ich sofort. Ich bin es jetzt schon.“
„Keine Sorge, ich habe nichts vergessen und weiß, was ich dir zumuten kann. Vieles hängt natürlich auch davon ab, ob du bereit bist, länger bei mir zu bleiben, als du unbedingt musst.“
Der Soldat hätte ihm gerne darauf eine Antwort gegeben. Doch wie sollte er reagieren, wenn er sie selbst nicht kannte? Schließlich hatte er genug widersprüchliche Gefühle, was die ganze Situation anging.
Offensichtlich erriet Damian seine Gedanken. „Grüble bitte nicht zu sehr über deine Lage. Wir reden später weiter – ich muss dringend schlafen. Du kannst machen, was du willst, solange du hier in meiner Nähe bleibst.“
Sein ehemaliger Freund räusperte sich unbehaglich. „Wie lange wird das sein?“
„Wecke mich, wenn nachher Friedrich an die Türe klopft. Er hat den Auftrag, sich heute Abend gegen sieben Uhr zu melden.“
Der Soldat kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Was soll ich zu ihm sagen? Weiß er, dass du schläfst?“
Damian schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Er hinterfragt aber meine Anweisungen nicht. Schließlich bin ich der Kriegsfürst. Er wird nur klopfen, deine Antwort abwarten und sich dann wieder entfernen.“
„Verrückt!“ Raoul wunderte sich. Sicher, Damian war erfolgreich – aber dachten die Leute gar nicht über den Sinn und Zweck von Befehlen nach? Waren sie so sehr von ihm eingenommen?
Er schob seine Verwirrung beiseite und wollte wissen: „Kann ich dich denn aufwecken? Du erwähntest ja, dass du sehr tief schlafen wirst!“
„Natürlich kannst du das. Es wird nur etwas schwerer sein.“ Der Fürst schwieg für einen Augenblick, dann fuhr er fort: „Sorge dich bitte nicht. Ich sehe in diesem Zustand merkwürdig aus – zumindest hat man mir das erzählt.“
Raouls schaute auf eines der kleinen Schränkchen, die links und rechts neben dem Bett standen. Säuberlich zusammengefaltet lagen dort Hemd und Hose, die offensichtlich für die Nachtruhe gedacht waren. Zumindest sahen sie bequem aus.
„Du kannst gerne ins Nebenzimmer gehen, oder bleiben, wie du möchtest“, bot der Anführer an, der offensichtlich Raouls Blick bemerkt hatte. „Ich selbst habe damit keine Probleme – schließlich sind wir befreundet und haben uns früher oft genug nackt gesehen.“
Der Soldat schluckte. Die Versuchung war groß – aber es war besser, vernünftig zu sein.
Die Aussicht, Damians schönen muskulösen Körper unbedeckt zu sehen, den möglicherweise viele Narben und auch einige Tätowierungen zierten, war verführerisch, aber machten für ihn alles nur noch schwerer. Der Krieger war für ihn nun mal unerreichbar.
„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich im Nebenraum warten“, erwiderte er deshalb.
Der Krieger nickte. „Wie du möchtest.“
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Etwa eine Stunde später entschloss sich Raoul, einen Blick auf den Kriegsfürsten zu werfen. Die Neugierde war mittlerweile doch zu groß. Auch hatte er alle Kaisertaschen aufgegessen, und er konnte sich auf das Buch, welches er in einem Regal gefunden hatte, nicht konzentrieren.
Für einen gemeinen Soldaten war diese Fähigkeit ungewöhnlich – Analphabetismus war weit verbreitet. Dass für ihn Buchstaben keine unbekannten Hieroglyphen waren, hatte er Damian zu verdanken, der ihm damals Lesen und Schreiben beigebracht hatte.
Vorsichtig stellte er das Buch zurück ins Regal und machte sich auf den Weg zu Damians Schlafzimmer. Dieser hatte die Tür nur angelegt und daher war es auch ein Leichtes, sie geräuschlos zu öffnen. Trotz der Versicherung des Fürsten, ihn nicht so einfach wecken zu können, erschien es ihm wichtig, rücksichtsvoll zu sein und keinen unnötigen Lärm zu veranstalten. Und wer konnte ausschließen, dass Damian nicht doch zwischendurch aufwachte oder womöglich noch gar nicht eingeschlafen war?
Langsam näherte er sich dem großen Bett. Was würde ihn erwarten?
Sein ehemaliger Freund lag zugedeckt auf der linken Seite. Da er auf dem Rücken lag, war sein Gesicht gut zu erkennen. Dieses war genauso bewegungslos wie der Rest des Körpers – lediglich das Heben und Senken des Brustkorbes verriet, dass der Mann sehr wohl am Leben war.
Neugierig beugte er sich vor, um mehr erkennen zu können. Ob man von der Magie, die in Damian wirkte, etwas bemerken würde, wenn man nur genau genug hinsah?
Unwillkürlich kniff er leicht seine Augen zusammen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Konzentriert beobachtete er den Krieger, der so unnatürlich regungslos auf der Matratze lag.
Außer dieser Bewegungslosigkeit war jedoch nichts Ungewöhnliches zu erkennen.
Aus einem Impuls heraus strich der Soldat vorsichtig mit seiner rechten Hand über die linke Wange des Kriegers.
„Ich werde dich beschützen, Damian“, versprach er leise mit feierlicher Stimme. „Mein Leben gehört dir.“
Bemerkung:
Ich möchte diese kleine Geschichte fortsetzen, ich pausiere aber erst einmal und schreibe zwei andere Werke weiter.