Raoul antwortete nicht, sondern starrte Damian nur verwirrt an. Eine Schwäche? Alle Kriegsfürsten? Und sein Gegenüber redete offen darüber?
Dieser hatte seine emotionslose Maske teilweise wieder aufgesetzt. Freundlich, aber ansonsten ohne sichtbare Gefühle, erklärte Damian: „Man hat mich mit der Magie vereinigt – ich lebe nun in einer Symbiose mit ihr. Dies hat zur Folge, dass sich mein Körper und mein Geist von Zeit zu Zeit davon durch Schlaf erholen müssen.“
Der Soldat schwieg. Er verstand nicht, auf was der Kriegsfürst hinauswollte. Sie alle mussten schließlich ruhen, oder etwa nicht?
„Dieser Schlaf ist sehr viel tiefer als der von gewöhnlichen Menschen. Es ist daher ein Leichtes, mich in dem Zustand umzubringen.“
„Was sagst du da, Damian?!“, rief Raoul erschrocken, ohne zu bemerken, dass ihm ungewollt das „Du“ entschlüpft war.
Für einen Bruchteil einer Sekunde erschien ein Lächeln auf Damians Lippen, ehe er mit seinen Erklärungen fortfuhr: „Nicht jede Nacht, keine Sorge. Ein bis zwei Mal die Woche ist ausreichend. Aber dann brauche ich jemanden, dem ich vertrauen kann, und der über mich wacht, während ich so außer Gefecht bin.“
Raoul schluckte. „Aber warum jetzt? Ich verstehe nicht ...“
„Schon länger gibt es Hinweise auf einen oder mehrere Verräter in meinem Umfeld. Ich hatte zwei vertrauensvolle junge Männer auf die Sache angesetzt, da ich ihn für klug genug hielt, unauffällig Nachforschungen anzustellen. Leider habe ich mich geirrt.“ Die Stimme des Kriegsfürsten war nach wie vor auffällig teilnahmslos, allerdings konnte man ein seltsames Flackern in seinen Augen wahrnehmen.
„Was ist passiert?“
„Einen hat man ermordet, der andere ist verschwunden.“
Der Soldat starrte ungläubig auf sein Gegenüber. „Wie kann das sein?“, krächzte er verwirrt.
„Das muss ich noch herausfinden. Beide Männer waren mir von der Magiergilde zugeteilt worden und wussten auch von meiner Achillesferse. Offiziell nur persönlichen Diener, de facto dienten sie aber in Wirklichkeit dazu, mich zu beschützen. Du bist mein erster Leibwächter, der als solcher benannt wurde. Es gibt meines Wissens auch sonst keinen Kriegsfürsten, der sich einen zu eigen nennt.“
„Das macht die Sache nicht gerade einfacher“, stöhnte Raoul. „Wie soll ich das hinbekommen?“
„Das wirst du!“ Da sein einstiger Freund nicht sofort reagierte, fuhr der Anführer fort: „Hör zu! Ich werde ehrlich zu dir sein. Auch wenn ich nicht der Eisklotz bin, für den mich die Leute halten, so bin ich trotzdem nicht mehr der Damian, den du einst kanntest. Der wurde durch die Magie für immer vernichtet. Ich bitte dich jedoch, mich zu begleiten. Am Ziel unserer Reise gibt es einen Ersatz – der Fürst dort hat drei Diener und wird mir einen zur Verfügung stellen. Deine Aufgabe wird sein, mich auf dem Hin- und Rückweg zu begleiten. Das Weitere sieht man dann.“
„Ich habe keine Wahl, oder?“, schlussfolgerte der Soldat. Man konnte ihm anhören, dass er sich bereits halb damit abgefunden hatte.
„Nein!“, kam die prompte Antwort. „Ich bin gefährdet, und wenn es um das Wohl unseres Landes geht, kann ich keine Kompromisse eingehen. Auch dir gegenüber nicht.“
„Das verstehe ich.“
„Natürlich tust du das.“ Ein leicht amüsiertes Schmunzeln war nun auf dem Gesicht des Mannes zu erkennen, ehe er fortfuhr: „Iss und trink in Ruhe. Wenn du damit fertig ist, zeige ich dir unsere Kammer, in der wir uns nachts zur Ruhe betten.“
Raoul hätte sich fast verschluckt. „Wir?!“
„Ich habe dir doch gerade erklärt, warum ich in Gefahr bin. Da musst du natürlich bei mir sein, wenn ich schlafe. Aber keine Sorge, es ist Platz. Mein Bett ist groß genug.“