„Mein Herr, seid ihr sicher?!“, rief einer der Offiziere ungläubig.
Raoul konnte es ihm nicht verdenken.
Dieser Mann war genauso verwirrt und ratlos wie er selbst.
Er als Damians Leibwächter …
Das war mehr als verrückt! Von dem ganzen persönlichen Dilemma abgesehen, hatte er doch gar nicht die Ausbildung dazu – er kannte sich viel zu wenig in den höfischen Gebräuchen aus, um sich dauerhaft sicher in jenen Kreisen bewegen zu können.
Er zögerte, wagte es dann aber doch, den Fürsten anzublicken. Dieser hatte sein Gesicht den Offizieren zugewandt und so konnte Raoul ihn von Seite, also ohne direkten Augenkontakt, betrachten. Warum er dies tat, wusste er selbst nicht genau – möglicherweise hoffte er trotz allem immer noch, irgendeine Regung in dessen Mimik zu entdecken, die ihm einen Aufschluss über Damians Beweggründe geben konnte.
Ein kleines Zeichen, warum sein ehemaliger Freund so entschieden hatte, vielleicht auch den Hauch eines Bedauerns oder einer Entschuldigung? Schließlich hatte er alle Anwesenden in diesem Raum mit seiner Eröffnung vor den Kopf gestoßen!
Damian war nicht dumm und Raoul war sich sicher, dass der Fürst diese Reaktion erwartet hatte. So war es auch nicht wirklich verwunderlich, dass der Anführer ruhig blieb, und mit einer energischen Handbewegung mögliche weitere Einwände zum Verstummen brachte.
„Ich habe mir die Sache wohl überlegt. Ein Anzweifeln meiner Entscheidung ist nicht angebracht. Oder haltet Ihr sie etwa für falsch?“
Der Soldat hielt den Atem an. Eine Fangfrage, zweifellos, auch wenn Damian nach wie vor nicht zornig wirkte, sondern etwas in seiner Art signalisierte, dass der Entschluss zwar feststand, er aber durchaus bereit war, darüber zu reden.
Der Älteste der Offiziere – Raoul schätzte ihn auf Mitte fünfzig, runzelte kurz die Stirn, ehe er mutig entgegnete:
„Verzeiht Herr, aber ich weiß, Ihr legt Wert auf ein offenes Wort. Ihr seid ein kluger Stratege und ohne Zweifel hat dieser … Soldat … gelernt, zu kämpfen oder jemanden zu verteidigen. Aber ein Leibwächter sollte auch etwas darstellen, einen gewissen Rang innehaben. Von diplomatischem Geschick und Erfahrung ganz zu schweigen. Mögliche Verbündete könnten sich brüskiert fühlen.“
Raoul nickte leicht, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Der gute Mann sprach ihm aus der Seele. Dieser ganze Plan war einfach unmöglich.
Der Fürst hingegen schmunzelte nur leicht – fast schien es so, als habe er den Einwand erwartet.
„Mein lieber Dominik, das ist mir durchaus bewusst. Wie ihr aber alle wisst, kenne ich Raoul schon lange. Er ist klug und wird alles schnell begreifen und lernen. Man wird ihn akzeptieren müssen. Ich treffe keine vorschnellen Entscheidungen aus einer Laune heraus. Ihr solltet mir, als Euren Anführer mehr Klugheit zutrauen!“
Der Offizier senkte bestätigend den Kopf als Zeichen, das er die versteckte Rüge sehr wohl verstanden hatte und sie auch akzeptierte.
Raoul währenddessen beobachtete diese Szenerie ein wenig hilflos. Er fühlte sich nicht wohl – wer mochte es schon, wenn über ihn gesprochen wurde, als sei er gar nicht da?
Davon abgesehen – wenn nicht einmal diese hohen Herren es wagten, Damians Plan weiter zu kritisieren, was konnte er dann vorbringen?
Seine einzige Hoffnung war, dass der Fürst eine „gute Zusammenarbeit“ als Bedingung genannt hatte – wenn der Soldat auch noch nicht wusste wie, so war das möglicherweise ein Ansatzpunkt, um die Ernennung als Leibwächter zu verhindern.
Ein Gedankenspiel, welches die Offiziere vermutlich teilten. Vielleicht konnte man mit ihnen zusammenarbeiten? Schließlich hatte man ein gemeinsames Ziel.
Raoul lief ein Schaudern über den Rücken, als Damians kalter Blick erneut auf ihn traf: „Ich weiß, dass du viele Fragen und ebenso Zweifel hast. Wir werden später unter vier Augen darüber sprechen. Solange wir aber in diesem Raum hier sitzen, ist das Thema erst einmal erledigt!“
Der Sohn einer Köchin konnte nicht anders, als ein Seufzen zu unterdrücken und ergeben zu nicken.