Wieder eine Aussage von Damian, die mehr verwirrte als beruhigte.
„Was wünscht Ihr von mir?!“ Es war besser, direkt zu fragen, statt sich ständig um das Thema zu drücken. Und ja, er wollte endlich wissen, was sein Gegenüber mit all dem bezweckte.
„Nenne mich wieder Damian“, kam die prompte Antwort. „Zunächst nur, wenn wir alleine sind – ich werde dir diese Erlaubnis bald offiziell erteilen. Unsere gemeinsame Vergangenheit ist allgemein bekannt, daher dürfte das keine große Überraschung auslösen.“
Unwillkürlich schüttelte Raoul den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Wir stehen zu weit auseinander, Ihr seid ein Kriegsfürst und ich ein einfacher Soldat.“ Er mied es, den anderen anzusehen. „Ihr überschätzt mich, fürchte ich!“
„Ich denke nicht.“ Damian blieb ruhig. „Warte ab, bis ich dir alles erklärt habe. Ich bitte dich nur, mir zuzuhören, bis ich dir die Zusammenhänge erläutert habe. Dann kannst du gerne deine Einwände vorbringen. Wäre das für dich soweit in Ordnung?“
Das konnte doch nur eine rhetorische Frage sein, oder?
Vielleicht diente sie auch dazu, ein gutes Klima zwischen ihnen zu schaffen.
Beide wussten, dass Raoul sich nicht weigern würde – dazu war das Ranggefälle einfach zu groß. Die Aussicht jedoch, anschließend auch widersprechen zu können, war immerhin etwas, was Hoffnung schöpfen ließ. Er würde sich Damians Geschichte in Ruhe anhören und währenddessen überlegen, was man als Gegenargumente einbringen konnte.
„Natürlich, Herr!“ Weiterhin mied er, den anderen anzusehen und betrachtete nun intensiv die orangene Farbe seines Getränks.
Der Fürst reagierte nicht sofort, sondern wartete einige Minuten, ehe er wieder das Wort ergriff:
„Ich hoffe sehr, du kannst dich nach meiner Ansprache zu einem weniger förmlichen Umgang durchringen, auch wenn ich dir natürlich nichts vormachen werde. Dass ich nicht mehr das bin, was ich einst war, das wissen wir beide und es wäre müßig, es zu leugnen.“
Erneute pausierte Damian für einige Minuten. Der Soldat bekam plötzlich die verrückte Eingebung, dass es dem ehemaligen Freund nicht leichtfiel, dieses Gespräch zu führen, und er deshalb seine Worte mit Bedacht auswählte: „Details werde ich dir zu einem späteren Zeitpunkt erläutern – es genügt, wenn du zunächst erfährst, um was es mir geht und warum ich dich zwinge, mich zu begleiten. Ich ziehe in der Regel Freiwilligkeit vor, doch in dieser Angelegenheit habe auch ich keine Wahl.“
Plötzlich schien ein Ruck durch Damian zu gehen und seine Stimme war nicht mehr ganz so ruhig, während er Raoul geradezu mit dem Blick festnagelte. „Ich weiß, wie ich auf dich wirke, und unser erstes Zusammentreffen musste genauso ablaufen, wie es geschehen ist. Du erinnerst dich an das Kredo? Dass direktes Handeln manchmal unangebracht ist und es besser ist, subtil vorzugehen?“
Raoul räusperte sich, um etwas Zeit zu gewinnen. Noch immer war unklar, wohin dieses Gespräch gehen würde. Natürlich kannte er den Leitspruch noch, schließlich war es vor allem sein Lebensmotto gewesen, von welchem er seinen damaligen Freund überzeugt hatte.
„Ich erinnere mich, ja.“ Leugnen hatte deshalb keinen Sinn, aber er war unsicher genug, um ausführlicher zu antworten. So langsam gewöhnte er sich an Damians ruhige Art, die nun, da dessen Stimme nicht mehr ganz so monoton klang, ihn auch weniger verletzte.
Verdammt, er begann Hoffnung zu schöpfen! Verräterisches Herz! Das war nicht gut.
„Es erschien mir auch in diesem Falle wichtig, dass keiner meiner Offiziere den Eindruck hat, wir würden uns besonders nahe stehen oder dass du dich deinen Posten gerne antrittst. Wie ich bereits erwähnte, traue ich nur sehr wenigen, und nicht einmal bei ihnen bin ich sicher, inwieweit sie loyal sind. Wie wir unser Verhältnis für die Öffentlichkeit entwickeln, werden wir den Geschehnissen anpassen. Daher musste ich dich prüfen.“
„Prüfen?“ Der Soldat runzelte verständnislos die Stirn.
„Sagen wir es so – ich musste wissen, inwieweit du dich zusammennehmen und die Gefühle verbergen kannst. Ich wollte deine Reaktion auf mich und mein Verhalten testen.“
„Aber wieso?“ Raoul schüttelte hilflos den Kopf. „Auf was läuft das alles hinaus?“
„Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich einen Leibwächter brauche“, antwortete Damian mit einem lauten Seufzen. „Es gibt Verräter unter uns – schwer zu sagen, wie viele – die mir nach dem Leben trachten. Ich brauche Schutz.“
Raoul lief ein seltsames Kribbeln über den Rücken. Einerseits verwirrte und erfreute ihn das Seufzen des Fürsten zugleich, da diese völlig unerwartet kam. Der Gedanke, dass Damian in Gefahr war, ließ ihn innerlich frösteln – denn sein ehemaliger Freund war keiner, der ohne wirkliche Bedrohung von solchen Dingen sprachen.
Trotzdem fühlte er sich ungeeignet, ihm helfen zu können.
„Ich bin ein einfacher Mann aus dem Volk, der ein wenig kämpfen kann. Gegen Euch bin ich ein Dilettant.“
„Stell dich nicht schlechter oder als weniger wert dar, als du bist“, kam die etwas verärgerte Reaktion des Fürsten. „Du bist schon ein hervorragender Krieger gewesen, als sich unsere Wege trennten. Vier Augen sehen mehr als zwei, und vier Arme können besser kämpfen als zwei.“ Erneut stockte der Mann einen Moment, ehe er fortfuhr: „Wir Kriegsfürsten habe alle eine Schwäche – und es ist zu befürchten, dass unsere Feinde meine herausgefunden haben.“