Nach dem Prompt "Quarantäne" vom 04.09.2019
Geschrieben am 06.07.2020 von 12:30 bis 13:30 Uhr
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Triggerwarnung
Dieses Kapitel beschäftigt sich aus aktuell persönlichem Anlass zum Frustrationsabbau über staatlich auferlegten Hausarrest (zudem vermutlich nicht hinreichend korrekt informiert und somit womöglich in allen Zusammenhängen sehr unangebracht) mit der aktuellen Corona-Situation. Da dieser Text jedoch keinerlei Einfluss auf weitere Kapitel im Buch nehmen wird, kann diese Episode gern ohne Nachteile auf der Informationsebene übersprungen werden.
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BARBARA
"Vierzehn Tage Homeoffice", Adrian zuckt resigniert mit den Schultern, seufzt schwer und schneidet mir das Wort ab, ehe ich überhaupt den Mund zu einer neugierigen Frage oder zumindest einer schockierten Aussage öffnen kann, "Wie auch immer meine Isolationshaft in diesem Haushalt umgesetzt werden soll, frag mich nicht. Am Besten ich schließe mich mit einem Jahresvorrat Instantkaffee und Tütensuppen in meinem Büro ein, stelle mir einen Wasserkocher ins obere Badezimmer und ihr nehmt solange Roman bei euch auf, damit ich ihn nicht mit einem Virus anstecke, mit dem ich mich vermutlich sowieso nicht einmal infiziert habe, weil ich sowieso keinen persönlichen Kontakt zu anderen Leuten als euch hatte!"
Er versucht ruhig zu bleiben und sich betont gleichgültig zu geben, aber ich merke trotzdem, dass er sich tierisch aufregt und schenke ihm mit einem sanften Lächeln einen mitleidsvollen Blick. Den nimmt er wohl trotz meiner netten Intentionen sehr persönlich, denn er seufzt nochmal energischer und seine nächste Reaktion ist schon um einiges zickiger, "Sicher ist sicher, rein prophylaktische Vorsichtsmaßnahmen, und so weiter und so fort, bla bla. Jetzt schau mich nicht so an, ich kann auch nichts dran ändern. Besser ich langweile mich zwei Wochen zu Tode, als dass andere Leute meinetwegen zu Schaden kommen. Immerhin kann man andere gefährden, ohne selbst überhaupt Symptome zu bemerken. Also: Ich geh dann mal in meine Zelle.!Wenn du wirklich helfen willst und mir nicht nur noch mehr auf den Geist gehen, kannst du dir Beschäftigung für Roman ausdenken."
Damit wendet er sich ab, flucht beim Treppensteigen sich die Haare raufend missmutig vor sich hin und knallt oben angekommen uncharmant die Tür zu. Ich stehe immer noch im Hausflur und bin sprachlos. Erst nach einigen Minuten kann ich mich aufraffen, den Wasserkocher auszustecken, das Kabel aufzurollen und ihn zusammen mit den gewünschten Lebensmitteln sowie noch allen möglichen anderen Dingen, die ich noch so finde, in einen Korb zu packen. Eine Weile sinniere ich noch vor mich hin, dass die ganze Sache nur Sinn machen würde, wenn ich mich nun auch isolieren würde, nachdem ich Kontakt zu ihm hatte. Ich beschließe, dass es so schlimm schon nicht sein wird, immerhin muss ja jemand den Haushalt schmeißen und die Einkäufe erledigen. Den Korb stelle ich oben vor die Tür, klopfe leise an und setze mich unten auf mein Sofa, um erst einmal durchzuatmen.
Es ist früh am Nachmittag, eigentlich hätte ich heute sturmfrei gehabt, wäre Adrian nicht früher von der Arbeit mit dieser Hiobsbotschaft gekommen. Ich schreibe kurz eine Textnachricht an Edward, dass er auf dem Heimweg noch Instantkaffee und Tütensuppen besorgen soll. Dann wähle ich Romans Nummer, verdrehe die Augen über seinen uralten dummen Spruch auf der Mailbox und hinterlasse meine Nachricht nach dem Signalton. Als er nach Hause kommt, trägt er Gummihandschuhe und Mundschutz. Ich will ihn am liebsten ohrfeigen. "Was willst du damit?", frage ich knapp. Roman hebt die Hand, zieht am Gummi und lässt den Armausschnitt am Handschuh laut schnalzen. Ich sehe schon an seinen funkelnden Augen, dass er unter der Gesichtsmaske richtig dämlich grinst. "Rate mal", meint er kichernd. Meine Augen verengen sich unwillkürlich. "Du hast zwei Möglichkeiten", zische ich. "Entweder du bleibst hier unten, benimmst dich wie ein normaler Mensch und respektierst die Regeln einer Quarantäne, oder-" Er schaut mich herausfordernd an. "Oder du verschwindest nach oben und trittst mir die nächsten vierzehn Tage auch nicht mehr unter die Augen!"
Roman verzieht das Gesicht, "Als ob das irgendjemand auf dieser Welt so streng nehmen würde. Sieht doch kein Mensch, ob Adrian allein, mit mir oder im ganzen Haus unter Quarantäne steht!" Ich verschränke unbeeindruckt meine Arme vor der Brust, "Falls du es noch nicht mitbekommen hast, wir befinden uns in einer Krisensituation durch diese Pandemie und vielleicht solltest du das ein bisschen ernster nehmen, als du für gewöhnlich Dinge zu betrachten pflegst." Roman stöhnt genervt und winkt ab. "Ich hoffe sehr, dass du hier unten alles abschottest und keinen einzigen Schritt auf der Treppe nach oben gehst. Ansonsten würdest du nämlich an einem tödlichen Virus sterben, ich verbringe nämlich keine zwei Wochen ohne meinen Mann!" Und damit stapft er die Treppen nach oben, hält kurz inne um nicht über den Korb zu stolpern, greift danach und knallt mitsamt von Adrians Notrationen die Tür hinter sich zu. Eine Sekunde später öffnet sie sich nochmal schüchtern einen Spalt, "Da fehlt der Zucker für den Kaffee", mosert Roman, "Außerdem hast du gar keine Süßigkeiten eingepackt!"
Am nächsten Morgen sitze ich gerade mit Edward bei einem erstaunlich ruhigen, ungewohnt entspannten und sehr angenehmen Frühstück, da öffnet sich die Tür zur Küche und herein tritt, als wäre es die normalste Sache der Welt, Roman. "Morgen", grüßt er uns knapp, schenkt sich einen Kaffee ein und will schon wieder verschwinden, aber ich bin schneller. Ehe er sich aus dem Staub machen kann, packe ich ihn am Arm und funkle ihn wütend an. "Dir ist schon bewusst, dass du uns im Falle einer Infektion gerade mutwillig und aus purer Dummheit mit einem Virus infiziert hast, nur weil du dich nicht einmal an die einfachsten Abmachungen halten kannst?" Roman sieht aus, als wolle er mich erwürgen. "Es gibt keinen Virus hier drin", stöhnt er. "Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, eine rein bürokratische Entscheidung FALLS irgendetwas wäre, was nicht ist, weil niemand hier Kontakt zu einem bestätigten Fall hatte. Was zur Hölle ist also der Unterschied, ob du dich bei mir ansteckst oder später trotz medizinisch sowieso komplett nutzloser Mund-Nasen-Bedeckung bei einem Fremden im Supermarkt, der-" "Roman!", ich unterbreche ihn wütend, "Es geht hier nicht um Bequemlichkeit und persönliche Luxus-Ansprüche, sondern darum, dass jeder für sich einen Beitrag leisten muss, um diese Pandemie eindämmen zu können!" Roman zuckt mit den Schultern und rollt mit den Augen. "Tja, so schnell kann's gehen", meint er trocken, "Dann musst du jetzt auch deinen Beitrag leisten, immerhin bist du jetzt auch verseucht!"
Am Abend sitzen wir zu viert am Esstisch und spielen Karten. Roman verliert gerade zum fünften Mal in Folge und meiner Meinung nach hat er es auch nicht anders verdient. Wir haben mehr genug Lebensmittel für zwei Wochen in den Schränken und in der Vorratskammer, sämtliche Arbeitsstellen sind informiert und davon abgesehen, dass Cindy zum ersten Mal vernünftig reagiert hat, seitdem ich sie kenne, ist die Situation überraschend entspannt. Wir sind nun alle Isolationshäftlinge, das ganze Haus steht unter Quarantäne. Somit haben wir nun alle zwei Wochen spontanen Urlaub, sehr viel Zeit füreinander und keinen Stress, außer eben den üblichen mit- und untereinander. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Adrian kann es immer noch nicht fassen und reibt sich energisch die Schläfen. "Ich bin selbst schuld, wenn ich so naiv bin, dass ich denke, dass hier in diesem Haus ein einziges Mal etwas so ablaufen könnte wie geplant!", jammert er. Roman schmeißt seine restlichen Karten frustriert auf den Tisch, wirft Adrian aber einen grinsenden Seitenblick zu.
"Beschwer dich nicht", meint er nur, "Du wärst ohne meine selbstlose Aktion doch ansonsten zwei Wochen einsam und allein im Homeoffice gewesen!" Adrian wirft ihm einen fast schon tödlichen Blick zu. "Ja", sagt er tonlos. Roman grinst. Adrian verdreht die Augen. "Und genau das war der Plan!", stöhnt er leise und hofft wohl, dass ich nichts höre. Aber ich verstehe jedes Wort, das mein Bruder in seinen nicht vorhandenen Bart nuschelt und weiß nicht, ob ich empört oder erleichtert sein soll: "Endlich mal in Ruhe arbeiten, ohne von irgendjemandem gestört zu werden und jetzt... Danke Roman. Danke für nichts!"
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Nachtrag in eigener Sache: Mein Test war glücklicherweise negativ, daher bin ich nun wieder auf freiem Fuß. Das Kapitel zu schreiben hat dennoch gut getan ^^