Ich wusste erst nicht was los war, denn alle waren so still. „Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte ich.
zu meinem Entsetzen erzählten sie dann, dass eine Rakete das Dorf getroffen hatte, vom dem Chaos, und den Toten. „Wir haben nach ihnen gesucht, Jones, glaub mir, uns trifft es genauso.“
Ich sah sie mit entsetzten Augen an. „Was erzählt ihr mir da!?!“
Erst als einer von ihnen Nyas Kette in meine Hand legte, machte sich der grauenhafte Gedanke in meinem Kopf breit. „Nein! Nein! Nein!!! Sagt, dass das nicht wahr ist!!!“
Keiner antwortete mir. Ruckartig packte ich einen am Kragen. „Nein! Das ist nicht wahr! Das kann nicht sein!!!“
Ich stieß meinen Kameraden von mir, wollte aufstehen und schrie vor Trauer und Zorn. Dann verließen mich meine Kräfte. Die Krankenschwester rief meinen Namen, meine Kameraden standen um mich herum und versuchten verzweifelt, mir zu helfen. Aber als es wieder dunkel wurde, spürte ich, wie die Finsternis mein Herz umschloss. Ich hatte ihnen versprochen, sie zu beschützen, und ich hatte versagt.
Und nun… In der Gegenwart flossen wieder die Tränen. Das salzige Wasser trug den Schmerz meines Herzens auf meine Haut, als wäre es aus Salzsäure. Ich hatte so sehr versucht, die Erinnerungen zu verdrängen, aber jetzt schien es unmöglicher als je zuvor.
Umso erleichterter war ich, als Alyrun ins Krankenzimmer trat und nach mir fragte. Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett und sah mich verständnisvoll an. „Jones, wenn du willst, kannst du mir erzählen, was dich plagt.“
Sein Gesichtsausdruck war ganz anders als sonst, so besorgt und einfühlsam. Ich wollte einfach alles rauslassen, was sich in mir angestaut hatte. Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Assur, wie ich ihn und seine Familie hatte kennenlernen dürfen. Und auch von der Schuld, die auf mir lastete.
Alyrun hörte sich das alles geduldig an und war aufmerksam. Wie ein weiser Mann saß er da, ließ mich spüren, dass er da war. Man sah es ihm nicht durch seine Regungen im Gesicht an und auch nicht durch irgendeine Bewegung. Ich merkte es durch seine Ausstrahlung.
Ich ließ alles aus mir heraus, meine Trauer, meinen Frust und auch meine Wut. Aber die Worte konnten nicht annähernd beschreiben, was in mir vorging. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Alyrun mich verstand und mit mir fühlen konnte. Eine Gabe, die nur wenige Menschen so umfassend beherrschten.
Schließlich sah er mir tief in die Augen und meinte: „Jones, die Bestimmung gibt uns manche Rätsel auf, die wir nie werden begreifen können. Wir können nur das Ergebnis sehen und selbst bestimmen, wie wir damit umgehen. Ich weiß nicht, warum gerade dir so etwas widerfahren ist, aber dich trifft keine Schuld.“
„Ich hätte aber für sie da sein müssen, vielleicht hätte ich für sie mein Leben geben sollen.“
„Und dann hätte ich dich vermutlich nie kennenlernen dürfen. Glaub mir, du kannst nicht die ganze Schuld der Welt auf deinen Schultern tragen. Vor allem nicht seit eine Kugel diese durchlöchert hat.“ Bei dem letzten Satz musste ich leise lachen, obwohl dieses mit Bitterkeit gefüllt war. Dann fuhr er fort. „Ich glaube außerdem, dass dein Freund nicht dich, sondern sich selbst hasst.“
Ich schaute ihn fragend an. „Wieso?“
„Viele Menschen versuchen, ihre eigene Schuld zu überdecken, indem sie andere für ihr Leid verantwortlich machen. Ich habe das schon oft erlebt.“
Wir unterhielten uns noch eine Weile weiter, bevor er schließlich gehen musste. Ich war gezwungen worden, noch eine weitere Nacht im Krankenhaus zu bleiben, hauptsächlich, weil die Ärzte noch beobachten wollten, wie sich meine Wunden entwickeln würden.