Su ließ sich auf das Bett sinken und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Am ganzen Körper zitternd sank sie langsam nach hinten und kugelte sich zusammen. Schluchzend versuchte sie sich zu beruhigen. Warum musste ausgerechnet der Mann das Projekt leiten, wegen dem ihre Schwester tot war? Warum machte er sie so nervös? Weil sie wusste, dass er der Liebhaber ihrer Schwester gewesen war? Warum hatte er nicht reagiert, als er ihren Namen gehört hatte oder hatte er schon bei ihrem ersten Telefonat gewusst, wer sie war und sich deshalb so gut unter Kontrolle? Ihr Leben hatte doch gerade angefangen wieder in einigermaßen normalen und entspannten Bahnen zu laufen, warum musste jetzt alles wieder aufgewühlt werden und ausgerechnet dieser Mann vor ihr stehen?
Mit einem Satz sprang Pie auf das Bett und legte sich neben sie. Normalerweise würde sie ihn sofort wieder runterjagen, er sollte nicht auf das Bett, doch jetzt beruhigte sie der warme Tigerkörper neben sich. Selbst das abschlecken ihrer Haare ließ sie diesmal unkommentiert und ohne ihn beiseitezuschieben. Su kugelte sich noch enger zusammen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Mit einem leisen „chrmmmm“ legte Pie seinen Kopf auf ihren und trotz Tränen musste Su kurz lächeln, es war fast so, als wollte er sie trösten.
„Ach Pie.“ Kurz griff sie nach oben und strich ihm über den Nasenrücken, bevor sie wieder die Arme um sich schlang und zitternd die Augen schloss.
…„Biene? Huhu Biiiiiiiiiiiiiiene?“ Su betrat die gemeinsame Wohnung und rief ungeduldig nach ihrer Schwester. Es war Abend, Biene wusste doch, dass sie heute von dem Lehrgang zurückkam. Eine ganze Woche war sie weg gewesen. Sie hatten nicht einmal miteinander telefoniert, weil Su einfach nicht dazu gekommen war.
Aufseufzend ließ sie ihren Rucksack fallen und ging in die Küche um Kaffee aufzusetzen. Stirnrunzelnd sah sie sich um, jetzt erst fiel ihr die unnatürliche Ruhe hier auf. Als wäre alles weit, weit weg. Sonst war doch immer ein Radio an oder der Fernseher oder das dämliche Ticken der Uhr das sie immer so nervte. Langsam ging sie durch die Wohnung und stand dann vor der Schlafzimmertüre ihrer Schwester. Vielleicht schlief Biene? Su sah erneut auf ihre Armbanduhr, es war kurz vor zehn abends und Biene hatte einen stressigen Job in dem Büro als Schreibkraft. Langsam und vorsichtig legte sie eine Hand auf den Türgriff und drückte langsam die Klinke hinunter, um sie nicht zu wecken, wenn sie schlafen sollte.
Vorsichtig schob sie die Türe ein Stückchen auf und schob ihren Kopf durch den Spalt, um gleich darauf zurückzuzucken. Der ganze Raum roch seltsam und ihre Schwester lag auf dem Bett mit einer seltsamen Farbe im Gesicht.
„Biene?“ Su's erster Impuls war das Fenster aufzureißen, aber dann ging sie zum Bett, um ihre Schwester anzutippen. Kurz bevor sie sie berühren konnte, blieb sie mit ausgestrecktem Arm wie erstarrt stehen. „Biene? … BIENE?“ Im ersten Moment sah sie aus, als würde sie schlafen, doch das tat sie nicht, ihr Gesicht war fleckig und ihre Lippen hatten eine seltsame Farbe.
Die Minuten, Stunden, Tage danach waren ein einziger Nebel, alles raste an ihr vorbei, sie fühlte sich wie betäubt. Der Anruf bei der Polizei, weil sie nicht wusste, wen sie sonst anrufen sollte. Die Polizei, die Ärzte, wie ihre Schwester weggebracht worden war. Die unzähligen Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Gott, sie war gerade mal knapp zwanzig. Die Tage im Hotel, weil sie einfach nicht in der Wohnung bleiben wollte, nicht konnte. Ihre verzweifelte Suche nach einer anderen Wohnung. Die Polizisten, die dann nach Tagen verlegen vor ihr standen, ihr einen kleinen Karton mit den Sachen ihrer Schwester reichten und ihr sagten, dass es Selbstmord mit Alkohol und Tabletten war und dann der Schock als sie sagten, dass sie schwanger gewesen sei. Das Bild, das oben im Karton lag, dass ihre Schwester in der Hand gehalten hatte. Auf dessen Rückseite sie etwas in ihrer kleinen Schnörkelschrift geschrieben hatte.
Verzeih mir Liebes. Ich weiß, dass du es nicht verstehen wirst, dass du nun ganz allein bist. Doch du bist stark, warst du schon immer. Aber ich … ich liebe ihn und er hat mich verlassen. Ich dachte, er würde mich auch lieben. Ich kann nicht mehr ohne ihn sein. Ich will nicht mehr ohne ihn sein. Sei nicht böse oder traurig. Vielleicht wirst du es eines Tages verstehen und jemanden lieben so wie ich ihn geliebt habe. Ich liebe dich Susanne, du bist meine Schwester. Ich bin jetzt bei Mom und Dad, wir passen auf dich auf, bis wir uns wiedersehen.
Das Bild, das sie in den folgenden Wochen und Monaten tausendmal in der Hand gehabt hatte. Biene, mit ihren hüftlangen, honigblonden Haaren, hatte die Arme um einen Mann geschlungen, der sie festhielt und in die Kamera grinste. Er war vielleicht einen Kopf größer als Biene, kurze hellbraune Haare, braungebrannt und so wie er aussah ein ziemlich sportlicher Typ. Das Bild, das sie wieder und wieder in der Hand gehabt, angestarrt und sich gefragt hatte … warum? Warum war sie schwanger gewesen? Gott es gab doch Verhütung. Warum hatte sie sich das Leben genommen, konnte man so sehr lieben? Blödsinn, oder? … Wie verzweifelt, war ihre Schwester wegen diesem Mann gewesen? Warum hatte sie nicht mit ihr, Su, darüber gesprochen?...
Su schluchzte im Schlaf auf und drehte sich unruhig hin und her, als alles wieder auf sie einstürmte. Sie wieder zu Boden warf und dafür sorgte, dass sie sich so unendlich verloren und einsam vorkam.
…Lange Zeit hatte sie gedacht, es würde niemals wieder gut werden. Alles war über ihr zusammengestürzt und sie hatte das Gefühl gehabt niemals wieder da herauszukommen. Doch dann hatte sie den Job im Zoo bekommen, endlich eine Aufgabe, die sie liebte und für die sie die letzten Jahre gelernt hatte. Ihr Traumberuf. Matt der ein Jahr später in Frisco angefangen hatte und vom ersten Tag an, hartnäckig mit ihr Essen gehen wollte. Die stolz erwartete erste Geburt der Amur Tigerin Selena. Und wie sie ihre Babys direkt nach der Geburt totgebissen hatte, alle bis auf Pie. Gott, keiner hatte damit gerechnet das Selena so etwas tun würde, die ersten beiden Babys hatte sie gesäubert und sich rührend darum gekümmert, keiner wusste, warum sie urplötzlich so anders reagierte. Selena wollte sich gerade den kleinen Nachzügler schnappen, als Su und der Tierarzt endlich eingreifen konnten und ihn mit einem Stab von ihr wegzogen. Ihr entsetzen als sie die winzige fast leblose Gestalt von Pie in der Hand hielt und der Tierarzt nur mit dem Kopf geschüttelt hatte und gemeint hatte, dass er das nicht schaffen würde. Zu klein, zu schwach und ohne Mutter...
Wieder schluchzte sie im Schlaf auf und kugelte sich noch mehr zusammen. Pie leckte ihr wie zur Beruhigung erneut über die Haare, bevor er die Augen wieder schloss und nur seine Schwanzspitze hin und wieder zuckte.
…Sie hatte das nicht akzeptieren wollen und gebettelt das sie versuchen durfte ihn zu retten. Die Argumente von Dixon und dem Tierarzt, dass sie das Leiden des Kleinen nur unnötig verlängern würde. Ihr weinen und betteln und das Wissen um ihre Vergangenheit hatten Dixon dann nachgeben lassen und er hatte eingewilligt. Er hatte wohl befürchtet, dass sie den Schlag nicht verkraften würde. Sie hatte Selena durch die ganze Trächtigkeit hindurch gepflegt. Und das alle Babys nun tot waren, hatte sie an den Verlust ihrer Familie erinnert. Als fünfjährige die Eltern verloren und mit knapp zwanzig die Schwester und nun alle Tigerbabys. Su's absolutes Steckenpferd, ihre große Liebe zu den Raubkatzen und besonders zu den Amur-Tigern. Sie war kurz davor gewesen erneut zusammenzubrechen. Doch sie hatte es geschafft. Tag und Nacht war sie nur für den kleinen Tiger da. Ihr ganzer Stolz und endlich schien das Leben es doch wieder gut mit ihr zu meinen…
Doch das war nicht wahr, sie hatte nur kurz Atem holen dürfen, um dann erneut alles zu erleben und durchzumachen.
Und jetzt lag sie in einem Bett, in einem Haus, das dem Mann gehörte, den ihre Schwester so geliebt hatte, dass sie sich seinetwegen umgebracht hatte.
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Rick wollte gerade an der Türe vorbei und nach unten gehen, als er das leise Schluchzen hörte. Augenblicklich krampfte sich sein Magen zusammen und er trat an die verschlossene Türe heran. Stirnrunzelnd horchte er an der Türe und hörte erneut das leise, unterdrückte Schluchzen. Himmel, warum weinte sie? Gut, sie war verdammt jung und hatte vielleicht Heimweh, aber verdammt, sie könnte doch nach Hause fliegen.
...das wird sie niemals tun, vergiss das ganz schnell. Du brauchst einen anderen Plan, um sie loszuwerden...
Oder war es jemand anderes den sie vermisste? Vielleicht einen Mann? Rick merkte wie ihm der Gedanke irgendwie ganz und gar nicht gefiel. Kopfschüttelnd schob er ihn beiseite. Sie war zu jung und außerdem viel zu aggressiv und bissig. Das Einzige was er von ihr wollte war ihr verdammter Tiger. Wieder hörte er das leise Schluchzen und dann ein leises Brummen. Himmel, hatte die Katze sie vielleicht verletzt? Er spürte, wie sich ihm alle Nackenhaare sträubten. Langsam und leise legte er eine Hand auf die Türklinke…
Einen Moment zögerte er, während ihm verschiedene Gedanken durch den Kopf flogen und er gleichzeitig überlegte, ob es besser wäre, erst eine Waffe zu holen, oder so in das Zimmer zu gehen. Was war, wenn das Tier ausflippte und ihn ebenfalls angriff?
...vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und schob leise und langsam die Türe auf. Jederzeit bereit die Türe im Notfall wieder zuzuknallen oder dem Tier vor den Kopf zu schlagen. Doch es tat sich nichts, bis auf das leise Schluchzen vom Bett und ein scheinbar ungeduldiges Klopfen war es ruhig im Zimmer. Langsam schob er die Türe noch weiter auf, sodass er das Bett sah und schnappte nach Luft. O'Brien, Su, lag zusammengekringelt auf dem Bett, schluchzte leise und der Tiger lag neben ihr und hatte seinen Kopf auf ihren zu liegen. Sein Schwanz klopfte ungeduldig auf das Bett, das war es, was er gehört hatte. Zum Teufel, hatte er sie etwa gebissen? Langsam ging er näher, um sich Su anzusehen, als ihn der Blick des Tigers traf und er ihm stumm die Zähne zeigte. Sein ganzes Gesicht war eine einzige Warnung nicht näherzukommen. Die Augen zusammengekniffen, die Zähne gebleckt, die Barthaare gesträubt und doch keinen Mucks von sich gebend, sah der Tiger ihn an, scheinbar bereit, jede Sekunde, wenn nötig, aufzuspringen und ihn anzugreifen.
Rick spürte, wie er ruhiger wurde. Er hatte keine Angst vor dem Tier, aber durchaus Respekt. Aber er musste an Su heran, wollte wissen, was mit ihr war. Seine Stimme wurde leise und ruhig und langsam, vorsichtig trat er einen Schritt näher, als er ein leises, warnendes Brummen hörte. Abrupt blieb er wieder stehen und sah Pie an.
„Ich will ihr nichts tun, alles gut, ok? … Ganz ruhig Pie.“ Rick kamen die Sekunden wie Minuten vor, während der Tiger ihn fixierte, musterte und Rick hatte fast den Eindruck, als wollte er abschätzen, ob er ihm trauen konnte oder nicht. Wieder schluchzte Su leise auf und augenblicklich veränderte sich der Tiger, fast liebevoll fuhr er ihr mit der Zunge über die Haare, bevor er wieder auf Rick sah, der das ganze fassungslos beobachtete. Tiger waren nicht unbedingt für ein liebevolles und beschützendes Verhalten bekannt und doch benahm sich Pie gerade genauso. Er wollte sie beruhigen, weil sie weinte. Rick schüttelte den Kopf, so etwas war unmöglich. Langsam trat er wieder etwas näher, doch sofort fixierte ihn Pie erneut und zeigte ihm die Zähne.
„Ist gut Pie. Ich tu ihr nichts, alles ist gut, ok?“
...Gott wie bescheuert bin ich eigentlich? Als ob er versteht was ich sage...
Plötzlich drehte Pie den Kopf weg und legte ihn auf das Bett. Rick blieb einen Moment stehen und war sich nicht sicher was das bedeuten sollte, doch dann trat er langsam an das Bett heran und sah auf Su hinunter. Vorsichtig streckte er die Hand nach Su aus und warf einen schnellen Blick auf Pie, doch er sah ihn nur kurz an und schloss seine Augen halb, während er ein leises „chrmmmm“ von sich gab und sich nicht rührte.
Vorsichtig strich Rick Su eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Wie weicher, warmer Honig glitt die Haarsträhne zart durch seine Finger und Rick sah verwirrt auf das Gesicht von Su. Im Schlaf wirkte sie weitaus jünger, als sie scheinbar war und selbst mit dem verweinten Gesicht strahlte sie eine ungeheure, auf ihn mehr als anziehende, Wärme aus.
Hätte er vorher schon einmal über sie recherchiert und nicht erst vorhin, wäre er vorbereitet gewesen und hätte gewusst, dass sie gerade mal fünfundzwanzig war und keine alte Matrone von irgendetwas jenseits der sechzig oder so.
Innerlich seufzend sah er auf sie hinunter, er hatte die alten Zeitungsberichte im Internet gefunden, wo sie und der Tiger abgebildet waren und die Geschichte von Pie erzählt wurde. Er glaubte zwar nur die Hälfte von dem was da stand, aber immerhin verstand er nun die enge Verbindung der beiden. Aber das hieß auch, dass er nun mit absoluter Sicherheit wusste, dass Su niemals ohne den Tiger Alaska verlassen würde.
Langsam richtete er sich wieder auf und trat einen Schritt zurück. Kurz überlegte er, ob er sie zudecken sollte, doch dann ließ er es sein. Er wollte nicht das sie wusste, dass er ihr weinen mitbekommen hatte und in ihrem Zimmer gewesen war. Langsam ging er zur Türe, während Pie wieder den Kopf hob und ihn ansah.
Leise und vorsichtig verließ er den Raum und schloss die Türe wieder. Er würde einmal nachsehen, ob schon alles entladen war und dann ihr Gepäck heraufbringen. Stirnrunzelnd blieb er auf der oberen Stufe stehen, während er die Türe leise zuzog. Warum zum Teufel machte er das? Sie konnte später ihr Zeug doch selber heraufbringen.
...weil sie geweint hat, deshalb … scheiße...
Gegenüber Frauentränen war er sowas von machtlos und sie wusste nicht einmal das er es mitbekommen hatte, die Tränen waren echt gewesen, nicht um jemanden zu beeindrucken oder zu beeinflussen, sie hatte geweint, wirklich geweint...
...Verfluchter Mist...
Rick schüttelte den Kopf um die Gedanken zu vertreiben und lief schnell die Stufen hinunter und nach draußen.
...sie musste weg, ganz schnell weg...
Mit langen Schritten überquerte er den Platz vor dem Haus und drehte sich Richtung Landebahn, tief vergrub er die Hände in den Taschen seiner Jeans als ihn Tina's Stimme aufhielt.
„Rick? … warte, bitte.“ Tina trat von der Veranda und knöpfte ihre Jacke zu, während sie auf ihn zuging.
Fragend sah er ihr entgegen und hob fragend eine Augenbraue. „Was ist los Tina?“
Nervös biss sie sich auf die Lippen und sah ihn dann direkt an. „Diese … Pflegerin...“
„Ja?“ Ungeduldig sah er sie an und drehte sich wieder Richtung Landebahn, wo die Arbeiter scheinbar die letzten Kisten und Kartons aus dem Flugzeug luden.
„Sie bleibt doch nicht hier, oder? Ich meine, wir brauchen Sie nicht. Du solltest sie so schnell wie möglich wieder loswerden, damit der Tiger in sein Gehege kann. Wenn Sie hierbleibt, wird sie alles durcheinanderbringen. Herrgott … ein Tiger, der frei herumläuft bringt nur Probleme.“
Rick sah sie einen Moment schweigend an und ihm fielen die Worte in der Küche von Su ein. Gott, war er wirklich so blind, was Tina anging? Und Doreen? Zum Teufel … er hatte bei beiden nichts gemerkt oder beobachtet. Da musste erst ein junges Mädel auftauchen und knallhart in den Raum werfen, dass Tina mit ihm ins Bett wollte und Doreen scheinbar in ihn verliebt war.
...ach Scheiße verdammt...
Jetzt erst vielen ihm die heimlichen, begehrlichen Blicke von Tina auf und ihre Wut und Eifersucht auf diese Pflegerin, aber warum, verdammt? Gott, Tina war verheiratet, Doreen nicht sein Typ und die Pflegerin war erstens zu jung und zweitens kannte er sie doch gar nicht. Und warum zum Teufel wollte Tina...? Scheiße, hatte sie was mit Ryan? Gott, er kannte sie so viele Jahre und er hatte nicht gemerkt … war sie eine dieser Frauen, denen es scheißegal war, welcher Zwilling mit ihr im Bett war, Hauptsache es war einer von ihnen beiden? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Sie, ihr Mann Stan, Ryan und er waren doch seit Jahren befreundet. Rick atmete tief durch und schloss kurz die Augen.
Er sah mehr als Probleme und Stress auf sich zukommen.
Zum Teufel, er hatte genau darauf geachtet, wen er mitnahm und wen er einstellte. Frauen, wo er sicher war, dass er niemals Interesse an ihnen haben könnte, oder er wieder in sein altes ich zurückfallen würde. Verächtlich verzog er den Mund, billige Affären und schnellen Sex, nein es war nicht mehr seines. Er hatte keine Lust mehr auf die ganzen scheiß Spielchen und das rumgeplänkel mit den falschen Frauen. Doch scheinbar hatte er nicht sorgfältig genug aufgepasst oder er war einfach nur blind. Innerlich fluchend ballte er seine Hände zu Fäusten und vergrub sie tiefer in den Taschen seiner Jeans.
„Tina...“ Rick bemühte sich seine Stimme wie immer klingen zu lassen, drehte sich wieder zu Tina und sah etwas an ihr vorbei, um nicht ihren Blick sehen zu müssen, der ihm jetzt erst richtig auffiel. Der Blick einer Frau die partout mit ihm ins Bett wollte, oder mit beiden gleichzeitig. Selbst das hatten er und Ryan schon mehr als einmal erlebt. Zum Teufel, aber er hätte niemals gedacht, dass ausgerechnet Tina...
...verdammte verfluchte scheiße...
„Pie ist ihr Kater und wenn er bleibt, wird sie auch bleiben. Finde dich besser damit ab. Verursacht sie Stress? Mit Sicherheit! Die Männer haben sie vorhin schon mehr als neugierig gemustert.“
„...verdammt du hast doch in der Küche erlebt, dass sie nur Streit verursacht. Sie ist eine Provokation und sprüht mit ihrem Gift nur so um sich.“
„Warum? Weil sie kein Blatt vor den Mund nimmt und scheinbar ausspricht, was sie sieht oder denkt? Sie bleibt und der Kater rennt frei rum. Es werden sich schon alle an ihr Hauskätzchen gewöhnen. Thema beendet.“
...wieso zum Teufel verteidigst du sie? Du willst sie doch genauso loswerden...
Rick drehte sich erneut um und wollte gerade Richtung Landebahn gehen, als ihre Stimme ihn aufhielt.
„Verflucht Rick. Seit die Kleine am Flugplatz auf uns zukam, verschlingst du sie mit Blicken und bist hin und weg. Du kannst doch nicht ernsthaft Interesse an ihr haben und dafür übersehen, dass ein ausgewachsener fast dreihundert Kilogramm schwerer Tiger hier frei herumläuft. Und du lässt sie und das Tier sogar oben bei dir wohnen … Himmel, sie hat dir in einem Augenblick den Kopf verdreht und du kapierst einfach nicht, dass sie alles durcheinanderbringt.“
Abrupt drehte er sich erneut um und sah sie mit blitzenden Augen an, langsam kam er zurück und blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste.
„Pass gut auf was du sagst Tina. Erstens ist sie nur eine Pflegerin und ich habe absolut kein Interesse an ihr und zweitens, selbst wenn ich sie interessant finden würde … würde es dich absolut nichts angehen. Ist das klar? Du arbeitest für mich, nicht andersherum. Du bist verheiratet und ich habe null Interesse an dir. Hatte ich noch nie, werde ich nie haben. Wenn ich irgendwelche sexuelle Gedanken an dich oder an einer Affäre mit dir haben würde, oder jemals gehabt hätte, hätte ich dir das schon vor Jahren klargemacht. Wenn du also irgendwelche Gedanken in diese Richtung haben solltest … und deshalb dauerhaft hier bist, obwohl dein Mann pendelt und mehr in der Stadt lebt, die du übrigens normalerweise auch bevorzugst, … schlag dir das ganz schnell aus dem Kopf. Das wird niemals, niemals passieren.“ Er trat wieder einen Schritt zurück und sah in ihr schlagartig blass gewordenes Gesicht. Verdammt O'Brien hatte wirklich recht gehabt. Er hatte gerade nur einen Schuss ins Blaue abgegeben, doch der Gesichtsausdruck von Tina verriet ihm nun alles.
Tina sah ihn an und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, bevor sie nervös seinem Blick auswich. „Stan und ich sind getrennt, seit einigen Wochen.“
„Das tut mir leid, warum hast du vorher nichts gesagt? Egal … das ändert trotzdem absolut nichts an meinem Interesse oder besser gesagt, sexuelles Nicht-Interesse für dich. Vergiss es Tina. Vergiss das ganz, ganz schnell.“ Rick drehte sich nun endgültig um und ließ Tina stehen die ihm hinterher sah und sich dann durch die Haare strich, bevor sie ihre Hände in den Jackentaschen vergrub. Wütend blitzen ihre Augen kurz auf. Sie hasste dieses Frauenzimmer, das heute angekommen war, hasste sie abgrundtief.