Joan sah stirnrunzelnd auf die drei leeren Plätze am Tisch. Rick, Alan und Su fehlten. Seufzend räumte sie mit Doreen den Tisch ab, als Lisa aufstand und Joan fragend ansah. Auch die anderen erhoben sich und gingen alle gemeinsam in den Salon rüber, keiner wollte in sein Haus, jeder wollte wissen, was vorgefallen war und das ging nur wenn sie hier im Haupthaus waren.
„Soll ich Su vielleicht etwas hochbringen? Ich meine … sie hat doch seit gestern Mittag nur ein Sandwich gehabt, oder? Wenn ich das richtig mitbekommen habe?“
Joan sah Lisa kurz an und lächelte, „Kannst du gerne machen, aber Rick hat oben eine eigene Küche. Er muss nicht unbedingt hier unten essen, obwohl er das natürlich immer macht.“
„Rick? Ist Su nicht da oben? Wohnen Rick und Su zusammen?“ Fragend sah sie Joan erneut an und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Doreen nicht gerade glücklich aussah.
Amüsiert sah Joan zu Lisa und ging in die Küche „Sozusagen. Pie … der Tiger geht in kein Gehege und Rick wollte niemanden zwingen mit einem Tiger zusammen zu wohnen, also hat er Su und Pie nach oben geholt.“
Lisa wurde etwas blasser „Der Tiger ist … da oben?“
„Ja … willst du immer noch etwas nach oben bringen?“
„Ich … ehm … ja. Ich glaube schon.“ Nervös fuhr sich Lisa mit der Zungenspitze über die Lippen als Doreen und Tina gleichzeitig sprachen.
„Ich kann das auch machen.“ Tina sah sie zuvorkommend an und lächelte leicht.
„Ich kann auch gehen Lisa. Du brauchst das nicht zu machen. Pie kennt mich ja schon, ich habe ihn schon gekrault.“ Doreen warf Tina einen kleinen triumphierenden Blick zu und sah dann wieder auf Lisa, die innerlich seufzend von einem zum anderen sah.
„Danke, sehr nett, aber ich kann das.“ Lisa ging zu Joan in die Küche, die gerade einiges auf ein Tablett stellte und es dann auf den Tisch stellte.
„Du musst oben klopfen Lisa. Rick hat seine Türe oben per Zahlencode verschlossen, er wusste wohl unbewusst warum...“ Sie warf einen kurzen spöttischen Blick in das Esszimmer und beide Frauen hatten zumindest den Anstand, etwas verlegen zu werden.
„Mom … das war unfair.“ Doreen sah ihre Mutter erbost an und Tina verzog spöttisch den Mund.
„Nein, war es nicht, liebes. Ihr benehmt euch unmöglich, alle beide. Ich erkenne euch nicht wieder.“
„Ich schaffe das.“ Lisa schnappte sich das Tablett und ging einfach aus der Küche.
Langsam und vorsichtig das Tablett balancierend, stieg sie die breite Treppe hoch und klopfte oben an. Es dauerte einen Moment, bevor die Türe langsam aufgezogen wurde und Lisa Su's überraschtes Gesicht sah.
„Essen, von Joan. Darf ich hereinkommen?“ Fragend sah Lisa sie an und wartete geduldig das Su die Türe weiter aufmachte oder den Kopf schüttelte.
Su sah sich die Frau an, die vor der Türe stand und die Rick gestern abgeholt hatte. War das seine Freundin? Hatte er sie deshalb abgewiesen, wegen der Frau hier? Hübsch war sie ja und Su schätzte sie auf irgendwo auf Mitte dreißig. Lange rotbraune Locken, große grüne Augen und eine mehr als üppige, weibliche Figur mit unglaublichen Kurven. Das war also Rick's Freundin? Klar, dass er sie, Su, abgewiesen hatte, sie hatte zwar Rundungen an den richtigen Stellen war aber sonst schlank und konnte mit diesen Kurven nicht mithalten.
„Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Lisa. Rick hat mich gestern vom Flughafen abgeholt und ich bleibe eine Zeitlang hier.“
„Ich weiß. Sie sind seine … Freundin, nicht wahr?“ Su seufzte und trat einen Schritt zurück, um Lisa hereinzulassen. „Ich hoffe Sie haben keine Angst vor einem Tiger. Stört es Sie nicht, das ich bei Ihrem Freund wohne?“ Sie musste enormes Vertrauen zu Rick haben, dass sie kein Theater machte, weil hier oben eine Frau war.
Lisa sah sie prüfend an und lächelte dann leicht, als sie den resignierten Gesichtsausdruck bei Su sah. Sie hatte also richtig vermutet, die kleine war bis über beide Ohren, in Rick verschossen.
...genauso wie scheinbar alle anderen Frauen hier auch...
„Su, … nicht wahr?“ Sie wartete gar nicht erst das Nicken ab und redete einfach weiter, um sich von dem Tiger abzulenken, der lang ausgestreckt im Flur lag und scheinbar döste. „Su, ich bin nicht Rick's Freundin … also nicht so wie Sie vielleicht denken. Ich habe einen Mann.“
„Oh?“ Su sah sie verwirrt an und runzelte die Stirn.
„Wir können uns gerne unterhalten und ich beantworte gerne Fragen ... aber bitte … das Tablett wird etwas schwer...“
„Oh Entschuldigung. Wenn Sie keine Angst haben, können Sie gerne hereinkommen.“ Su nahm ihr das Tablett ab und trat einen Schritt zurück. Dann sah sie Lisa's zögern. „Gehen Sie einfach an ihm vorbei, er ist nur ein etwas zu groß geratenes Kätzchen.“
Lisa zuckte zusammen, als sie das Wort Kätzchen hörte und augenblicklich drehten sich ihre Gedanken wieder um Bryan und sie spürte wieder diese Leere in sich.
„Danke“ Langsam und vorsichtig betrat sie den Flur und ging hinter Su her. „Joan hat sich Sorgen gemacht, weil Sie nicht zum Essen gekommen sind. Und nun ja … es fragen sich alle was passiert ist. Scheinbar ist einer der Pfleger … Alan? Gefeuert worden und Rick ist unterwegs, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten und Befehlen wohl allein. Tina und Doreen sind ziemlich wortkarg und wenn, dann giften sie sich nur an. Und die Männer … nun ja … es ist seltsam hier.“
Su warf ihr einen spöttischen Blick zu und stellte das Tablett vorsichtig auf die Anrichte. „Willkommen im Irrenhaus. Tina und Doreen sind in Rick verschossen oder was auch immer und meinen es ist meine Schuld, dass es herausgekommen ist, dabei war das irgendwie offensichtlich. Alan ist gefeuert, weil...“ Sie zuckte die Schultern und untersuchte die Schränke nach Kaffee, zufrieden fand sie ihn schließlich und setzte die Maschine in Gang.
Lisa wollte erst ablehnen, als Su einen Becher vor sie stellte, doch dann zuckte sie leicht mit den Schultern. Einen Tag sündigen wäre wohl in Ordnung. Nachdenklich sah sie auf Su die, die Kaffeemaschine nicht aus den Augen ließ.
„Wollen Sie vielleicht darüber reden?“
„Über was?“ Su warf ihr einen schnellen Blick zu und sah dann wieder auf die Maschine.
„Naja … irgendwie scheinen sich alle hier zu kennen, nur Sie … du und ich sind neu hier. Manchmal braucht man jemand zum Reden.“ Lisa sah Su an die nun langsam den Kaffee in die Becher goss und sich schulterzuckend Lisa gegenüber an den Küchentisch setzte.
„Danke … da gibt es nichts zu reden. Tina und Doreen sind Zicken. Joan scheint sehr nett. Die Männer … keine Ahnung … James scheint in Ordnung zu sein. Alan war ein Arsch, obwohl er nett wirkte, er hat mich gestern gefunden, als ich mich verlaufen habe und ...“ Sie schloss kurz die Augen und sah dann an Lisa vorbei aus dem Fenster.
„Er meinte wohl seine Belohnung dafür sei, dass er mich anfassen dürfte und als ich nicht wollte, hat er mich geschlagen. Rick kam Gott sei Dank rechtzeitig dazwischen und hat ihn verprügelt und rausgeworfen. Ende der Geschichte.“ Gespielt gleichgültig sah sie nun in ihren Becher und trank einen Schluck Kaffee.
Lisa lächelte leicht und rührte mit dem Löffel in ihrem Kaffee herum. „Aber da ist mehr, oder?“
„Ich weiß nicht was Sie … du … meinst.“
Lisa grinste und stützte den Kopf in die Hand. „Du bist, genauso wie die anderen Frauen, in Rick verliebt.“
Su sah sie geschockt an und schüttelte energisch den Kopf „NEIN! Um Gotteswillen, nein. Ich habe kein Interesse daran, seinem Harem beizutreten. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass ich in ihn ... also ... ne.“
Lisa lachte leise und steckte sich den Löffel in den Mund, schleckte ihn ab, bevor sie ihn neben den Becher legte. Nachdenklich sah sie Su an und trank einen Schluck Kaffee. Genießerisch schloss sie die Augen und seufzte leise auf. „Gott ist das gut.“
„Das ist nur Kaffee, aber danke.“ Su verzog amüsiert den Mund und trank ebenfalls einen Schluck.
„Nein, ich trinke sonst keinen Kaffee mehr.“ Sie zeigte auf ihren Bauch „Ende dritten Monat und ich versuche mir Kaffee abzugewöhnen zumindest bis der Kleine da ist.“
„Schwanger?“ Su sah sie blass an und Lisa hob stirnrunzelnd eine Augenbraue.
„Ja?!“
Su setzte ihren Becker auf den Tisch und Lisa sah das ihre Hand leicht zitterte. „Und wo ist der Vater des Kindes, wenn du hier bist? Hat er dich … ich meine, hat er dich verlassen, weil du schwanger … Entschuldigung, geht mich nichts an...“
Ein zärtliches Lächeln huschte über Lisa's Gesicht, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nicht schlimm. Bryan, der Vater des Babys, ist in L.A. und nein, er hat mich nicht verlassen, weil ich schwanger bin, … ich … ich bin gegangen.“
„Warum? Warum verlässt man jemand, wenn man schwanger ist? Egal ob er sie oder sie ihn?“ Su sah sie fassungslos an und Lisa merkte das Zittern in ihrer Stimme.
„Naja, ich kann nicht für andere reden, aber ich bin gegangen, weil ich meinen Verlobten nicht zwingen wollte Vater zu sein. Ich hatte das Gefühl, das er kein Kind wollte. Ich bin schwanger trotz Verhütung...“ fügte sie auf Su's verstörten und fragenden Blick hinzu.
„Er hat gesagt, er will das Kind nicht? … Das tut mir leid...“ Betroffen sah Su Lisa an und nagte an ihrer Unterlippe herum.
„Nein, ich habe ihm gar nicht gesagt das ich schwanger bin. Als ich es erfahren habe, wollte ich es ihm sagen, aber auf meine Frage hin, was wäre, wenn ich schwanger werden würde ... sah er mich so entsetzt an das ich nichts weiter gesagt habe und einen Tag später bin ich gegangen.“
„Du hast ihm nicht gesagt, … oh … verstehe ich nicht.“ Su sah stirnrunzelnd in ihre Tasse.
„Naja ich liebe ihn Su. Bryan ist mein Leben und ich wollte ihn nicht zu etwas zwingen, was er vielleicht nicht will.“
„Ja aber, du weißt doch gar nicht, ob er will oder nicht. Ich meine … Gut, er ist dein Mann, du kennst ihn … aber irgendwie, klingt das unfair ihm gegenüber...“
„Das ist Liebe. Man tut manchmal etwas dummes. Man will das der andere glücklich ist, selbst wenn es bedeutet...“ Sie machte eine kurze Pause und sah gedankenverloren in ihre Tasse, bevor sie weitersprach. „...selbst wenn es bedeutet das man nicht Teil des Lebens dieses Menschen ist, den man liebt.“
„Das ist doch bescheuert … Entschuldigung.“
„Nein, ist ok.“ Lisa lächelte leicht und deutete mit dem Löffel, mit dem sie angefangen hatte herumzuspielen auf Su. „Du wirst es verstehen. Wenn du dir eingestehst, dass du jemand liebst, … wobei ich glaube … hmmm … weißt du … mir hat einmal eine Freundin gesagt, dass ich nicht immer nur mit dem Kopf alles durchgehen soll und andauernd alles verhindern, was mir vielleicht gutes passiert und ich doch einfach mal mit beiden Händen zugreifen solle. Das war der beste Ratschlag meines Lebens.“
...liebe liebe Mona, danke...
Sie stand langsam auf und lächelte auf Su runter. „Das möchte ich einfach mal weitergeben. Ich weiß, das wir keine Freundinnen sind, wir kennen uns ja gar nicht. Aber Su … Da ich jemanden Liebe, sehe ich es dir an der Nasenspitze an, dass du Rick liebst oder dich verliebt hast und ich glaube, er mag dich auch. Zumindest sah es ganz danach aus, als er dir gestern hinterherschaute. Egal was da ist oder nicht ist … mach dir nicht etwas Schönes kaputt was du haben könntest. Und jetzt geh ich wieder runter, damit du essen und schlafen kannst. Ich glaube, den brauchst du dringend, so wie du aussiehst.“
Langsam schlenderte sie Richtung Türe und stieg vorsichtig über den riesigen Tiger. Kopfschüttelnd sah sie auf ihn hinunter, er lag da als wäre er ein großes, … übergroßes, Stofftier. Kurz warf sie einen Blick zurück auf Su die ihr blass hinterher sah und in deren Gesicht tausend Fragezeichen standen.
„Wenn du einmal reden möchtest. Ich habe mehr Zeit als alles andere hier, Su.“ Leise verließ sie die Etage und zog endgültig die Türe hinter sich zu.
Nachdenklich saß Su in der Küche und sah in ihren Becher. Das war gerade mehr als seltsam gewesen mit dieser Frau.
...aber sie hat recht. Sie hat dich durchschaut, nur willst du es nicht zugeben...
„Blödsinn. Es gibt da nix zu durchschauen.“
...sicher. Und wie wäre es mit … du liebst Rick?...
Su fauchte auf und schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Ich lasse mich nicht in sein Harem einfügen und werde einer der Frauen hier, die ihn anhimmeln. Verdammt.“
...Atemnot und Herzrasen, wenn du an ihn denkst oder er in deiner Nähe ist. Du willst mit ihm schlafen, denkst dauernd an ihn, … du Dummkopf hast dich verliebt. Gib es doch endlich zu, verdammt...
„Ach halte doch einfach die Klappe.“
...pffff … dumme Kuh...
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Lisa ging langsam die Treppen runter und zurück in die Küche. Seufzend setzte sie sich an den Tisch und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Joan warf ihr einen kurzen Blick zu und setzte dann Teewasser auf.
Hatte Su recht gehabt? Hätte sie vielleicht etwas sagen sollen, anstatt einfach zu verschwinden? Hatte sie ihm wirklich die Chance genommen, Vater zu sein? Nein, nicht so entsetzt wie er sie angesehen hatte. Sie hätte es nicht ertragen, wenn er sie nicht mehr lieben würde oder sogar hassen, weil sie schwanger war. Dann lieber so.
...Ist dir mal in den Sinn gekommen, dass du ihn unheimlich verletzen könntest? Dass er absolut nicht versteht, was los ist?...
Nein, ich habe ihm doch einen Brief dagelassen, dass ich Zeit zum Nachdenken brauche und sogar Skuya ist bei ihm geblieben.
...weil die Kleine auch weiß was los ist und es ihm sagen kann. Sie hast du ja auch einfach allein gelassen...
Ich weiß, ich bin einfach nur bescheuert. Aber es wirkte so richtig.
...Richtig, ja sicher ...für dich oder für Bryan?...