Meine Füße schmerzen. Auch Connors Beine tragen ihn nicht mehr. Ich irre wahllos durch Detroit und finde dieses bescheuerte 'Androiden Territorium' nicht. Warum hat man aber auch nicht auf die Visitenkarte eine Adresse geschrieben. Wenn ich Passanten nach der Adresse frage, schauen sie nur weg, gehen mir aus dem Weg oder schütteln den Kopf.
Sind denn alle Menschen Gegner von Androiden? Die Androiden sind doch so nett und warmherzig, zumindest die ich bisher kennengelernt habe. Connor hat es sicher auch nur gut gemeint, aber ich komme nie so gut mit Kritik und Ratschlägen klar. Jetzt frage ich ein letztes Mal einen Passanten nach der Adresse, wenn der auch so reagiert, gehe ich nach Hause.
Ich klopfe auf dessen Schulter und er dreht sich zu mir um. Zuerst denke ich es sei Connor und frage ihn deshalb auch. Aber er antwortet ohne jegliche Miene und hart wie Marmor: "Ich bin der RK900 oder für Sie Nines. Sie möchten ins Territorium?"
"Ja, woher weißt du das?"
"Das macht hier schon die Runde, dass eine junge Frau mit einem Malteser nach der Adresse fragt. Aber es ist so gedacht, dass es keine Adresse gibt."
"Kein Mensch weiß die Adresse?"
"Es soll nicht an die Öffentlichkeit gegeben werden. Merken Sie sich den Weg gut und hören Sie mir gut zu. Hier ist die Straßenbahn und jetzt geht es durch den Park. Nach zwei Metern nach links, an dem Amberbaum nach rechts und nach diesem Graffiti, welches aussieht wie ein ein blauer Kreis wieder nach links und nun sind wir da."
"Moment, das war mir etwas zu schnell. Kannst du mir davon eine Skizze machen?"
Er antwortet mir nicht, stattdessen kommt Josh auf mich zu und legt seine Hände auf meine Schultern. Er will wahrscheinlich nur nett sein, aber hätte mich trotzdem fragen können, ob er mich umarmen darf, denn er ist nicht gerade mein Lieblingsandroid. Irgendwie macht er mir Angst.
Weil er Schwarz ist? Nein. Ich weiß es einfach nicht. Er bringt mich ins Gebäude herein, gerade so, als darf ich nicht wissen, wie es von außen aussieht, denn ich will mich eigentlich noch umsehen.
"Tut mir leid für die Geheimhaltung, aber wir waren uns nicht sicher, ob wir Ihnen trauen können." Ich starre den Androiden an.
"Ihr wart euch nicht sicher? Und wieso jetzt?"
"Weil Sie für Lt. Hank Anderson arbeiten und sicher auch seinen Freund, Connor kennengelernt haben. Alles andere erzählt Ihnen Markus. Kommen Sie."
Wir gehen einen langen Gang zu den Büroräumen der Androiden. Unterwegs begegnen wir anderen Androiden die Josh grüßen, die Josh mit Handschlag grüßen. Mir nicken sie nur zu, lächeln jedoch freundlich.
Simon ist auch da, aber beide scheinen ihr Liebesleben privat zu halten. Denn jetzt sehen sie sich nicht so verliebt an wie in meiner Wohnung, sondern eher wie nur Freunde. Bis auf mich scheint es niemand zu wissen.
"Haben Sie den Weg gefunden Miss Holmes?", fragt Markus.
"Bitte nennt mich doch Madeleine. Aber ohne Nines wäre ich auf der Strecke geblieben. Warum habt ihr keine Adresse für Außenstehende."
"Nimm doch Platz."
Josh und Simon bleiben stehen und beobachten mich. Ich komme mir vor wie in einem Verhörraum und allmählich komme ich mir unwohl vor.
"Früher war unser Zuhause JERICHO. Ein altes marodes Schiff, welches wir jedoch sprengen mussten, um unser Volk zu retten. Ich musste mein Volk retten. Nun haben wir dieses Gebäude Territorium genannt, da es nicht auf Wasser liegt und marode ist, sondern gebaut ist auf festem Gestein. Wir haben alles übernommen, was einst CyberLife für sich beansprucht hat und sie uns vorgeschrieben haben, was wir tun und lassen sollen. Jetzt geben wir den Ton an, da wir frei sind," erklärt mir Markus.
"Niemand darf uns mehr die Freiheit nehmen und uns vorschreiben wie wir zu leben haben, deshalb wissen nur sehr wenige von der Existenz dieses Territoriums. Nur Hank und Connor wissen von der Existenz dieses Gebäudes und nun Sie."
"Und ihr habt Vertrauen in mich gesetzt, weil ich für Hank als Putzhilfe tätig bin?"
"Genau."
"Kann es sein, dass ihr mich als Haushalthilfe einstellen wollt, damit Connor wieder Hank bekochen kann?"
"Nein, wir brauchen Ihre Hilfe. Da wir Androiden sind und die meisten Menschen noch skeptisch gegenüber uns eingestellt sind, hätten wir gerne Sie an unserer Seite."
"Aber ich habe von diesem Geschäft gar keine Ahnung."
"Das müssen Sie auch nicht. Sie brauchen uns nur begleiten und wenn die Leute dann sehen, dass eine Frau bei uns ist, vertrauen sie uns vielleicht eher als wenn wir alleine unterwegs sind."
"Und von was wollt ihr mich bezahlen?"
"Lt. Anderson. Genau wie vorher, nur dass Connor wieder Andersons Haushalt macht und Sie uns begleiten. Es kann doch nichts Schöneres geben als mit Androiden zusammen zu sein," sagen alle drei aus einem Munde und grinsen mich breit an.
"Ich kann mit fremden Menschen nicht gut reden, also eigentlich bin ich..."
"Madeleine, nur die Ruhe. Es reicht, wenn Sie sagen, man kann uns vertrauen oder etwa nicht?" Ich sehe alle drei an und nicke dann.
"Sie müssen auch nicht sofort eine Entscheidung treffen. Schlafen Sie einige Nächte darüber und dann sehen wir uns wieder," versucht mich Markus zu beruhigen.
"Danke erstmal für das Vertrauen und ich glaube, ich muss darüber echt erst nachdenken und vor allem mir auch erst einmal den Weg einprägen."
"Keine Sorge, wir und Nines helfen Ihnen." Ich starre die Androiden an.
"Nines? Echt? Er hat so schnell gesprochen."
Die Androiden grinsen wieder breit, kommen auf mich zu und sagen in einem Zuge: "Hier ist die Skizze für den Weg, aber nicht verlieren und niemanden zeigen!"
"Außer Connor und Hank."
"Sie sind immer bei uns willkommen. Connor kann Sie auch bringen. Aber gehen Sie erstmal nach Hause und überlegen Sie es sich. Kann ja sein, dass Sie doch lieber draußen zwischen dem Geschirr als zwischen Androiden arbeiten wollen."
"Danke."
Mein Hund ist doch tatsächlich eingeschlafen. Wie süß. Ich nehme ihn auf den Arm und Josh fragt mich, ob er mich nach Hause begleiten kann, denn Connor ist schon recht schwer, obwohl er noch ein Welpe ist. Er weiß genau, dass ich nur fünfzig Kilo wiege. Ich sehe von Josh zu Simon und Markus, dann wieder zu Josh.
Er ist doch nur ein Android. Werde ich ihn verletzen, wenn ich Simon bevorzuge. Aber bevor ich länger darüber nachdenke, mischt sich Simon ein und sagt, dass er mich begleiten wird. Ich bin ihm dankbar.
"Warum nicht. Aber ganz vorsichtig."
"Natürlich."
"Alles in Ordnung. Hast du Angst?"
"In dunklen Wäldern immer."
"Aber ich bin doch bei Ihnen!"
"Ich weiß, aber trotzdem."
"Noch paar Minuten, dann sind wir draußen."
Ich nicke. Als wir endlich wieder freies Land betreten haben, frage ich Simon, ob es nur diesen einen Weg gibt. Er nickt bedauernd. Ich versuche, das Gespräch kurzweilig auf ein anderes Thema zu lenken.
"Wissen die anderen Androiden, dass ihr ein Paar seid? Ist ja nicht gewöhnlich, dass sich überhaupt Androiden lieben können."
"Nein, sie wissen es noch nicht, da wir uns erst sicher sein wollen, ob es wirklich eine Zukunft mit uns geben kann. Unsere Meinungen trifften oft in verschiedenen Dingen auseinander. Deshalb halten wir es noch geheim und so soll es auch vorerst bleiben!"
"Von mir wird es niemand erfahren."
Er versucht ein bisschen zu lächeln, was ihm jedoch nicht wirklich gelingt. Es kommt mir gerade so vor als griselt es bei ihnen schon gewaltig und für die Zukunft sieht es für sie beide nicht so gut aus.
Simon bringt mich zu den Taxis, aber bevor ich einsteige, muss ich noch eine Frage loswerden: "Was ist, wenn ich NEIN sage? Hasst ihr mich?"
"Nein. Sie haben eine eigene Meinung und wenn Sie das nicht wollen müssen Sie das nicht machen, aber es wäre schön."
Danach steige ich ein, danke Simon noch und er soll die anderen von mir grüßen, dann muss mich der Android nicht noch bis zur Wohnung begleiten.
Ich traue diesen allem noch nicht so recht über den Weg und versuche erstmal abzuschalten. Eigentlich will ich nach Hause, aber mir lässt dieses Thema keine Ruhe, deshalb mache ich noch einen Abbieger Richtung Anderson.