Als ich meine Augen öffne, liege ich immer noch vor dem Kamin in die Decke eingemummelt. Connor liegt nicht neben mir, aber ich rieche Kaffee. Mit der Decke im Arm stehe ich auf und jetzt merke ich erst einmal meine Beine. Sie sind wackelig, ich bin erschöpft und immer noch müde.
Ich muss schmunzeln. Kein Wunder bei so einem attraktiven Androiden, dass man da ständig schwach wird. Ich sehe, dass Connor draußen ist und Schnee schippt.
Anscheinend hat es aufgehört zu schneien und er ist sogar innerhalb von Stunden etwas geschmolzen.
Ich setze mich an den Küchentisch und genieße das leckere Frühstück mit Kaffee, Brot, Marmelade und Obst. Sicher ist Connor weder für Kaffee noch für Marmelade, aber er weiß von Hank wie sehr wir Menschen solch ein Frühstück lieben.
Ich kann den Blick von meinem Liebsten kaum abwenden, aber dann gehe ich doch einmal ins Bad. Ich entdecke jetzt all meine Knutschflecken am Dekolleté und Busen. Das ist ein echter Liebesbeweis von Connor und er weiß was sie bedeuten. Ich ziehe mich an und trete vor die Tür. Connor lächelt als er mich sieht.
"Die Sonne scheint und lässt den Schnee schmilzen. Ich konnte Hank wieder erreichen. Wenn du willst, kann ich dich zur Bahn bringen, vielleicht arbeiten Markus, Josh und Simon nun doch ein paar Stunden."
"Warum nicht. Du bist heute Abend doch wieder hier?"
"Natürlich, aber nur wenn du es willst."
"Blödmann. Natürlich will ich es."
Wir gehen zu Fuß bis wir ein freies Taxi finden und Connor bringt mich bis zur Straßenbahn. Den restlichen Weg finde ich selbst. Zur Verabschiedung küssen wir uns intensiv, danach steige ich aus dem Taxi. Ich grüße Nines, der zum ersten Mal richtig lächelt.
Er scheint anscheinend zu verstehen, was die vergangenen Nächte mit mir und Connor geschehen ist, aber warum soll er mir gegenüber nun böse sein? Er kennt mich jetzt erst und er war bisher immer freundlich. Warum soll das anders sein? Er ist schließlich auch ein Abweichler, nur eben ein bisschen anders.
Ich öffne die Tür zum Territorium und Josh kommt mir entgegen. Er grüßt zwar, will mir aber sofort aus dem Weg gehen, aber ich halte ihn fest:
"Josh, es tut mir leid. Aber wie lange willst du mir noch aus dem Weg gehen? Ich arbeite hier nun einmal und bin mit Connor zusammen. Können wir nicht wenigstens Freunde sein?"
"Ich muss mir das noch überlegen. Wünsche dir einen schönen Arbeitstag. Markus ist in seinem Büro."
"Danke."
Mir kommen einige fremde Androiden entgegen, aber auch sie grüßen mich freundlich mit Kopfnicken. Wahrscheinlich wissen sie mittlerweile wer ich bin und welche Rolle ich zu erfüllen habe.
Ich klopfe an Markus Tür und denke, ich habe ein JA gehört, aber als ich die Tür öffne, sitzt Simon auf Markus Schoß. Diese Stellung erinnert mich an jenen Tag zurück als ich auf Connors Schoß saß. Markus sitzt splitternackt auf seinem Stuhl und will gerade Simon das Shirt über den Kopf ziehen.
Ich habe die beiden noch nie küssen gesehen geschweige noch gerade bei ihrem Liebesspiel, das ist eine Nummer zu groß für mich. Mir scheint, dass sie es noch nicht einmal mitbekommen haben, dass sie von mir beobachtet wurden, dabei denke ich, dass Androiden alles, was um sie herum geschieht mitbekommen, aber anscheinend, wenn man so in Trance ist, dann nicht.
Ich stürme sofort aus dem Gebäude, an Josh vorbei, heraus und komme vor Nines zum Stehen. Ich komme damit überhaupt nicht klar, ein schwules Androidenpärchen beim Sex erwischt zu haben. Zudem sind es auch noch meine Freunde.
Ich setze mich auf eine kalte Bank und Nines möchte wissen, was denn passiert ist, was mich so aus der Fassung gebracht hat.
"Sorry, ich kann nicht. Ich kann darüber nicht reden und ich kann hier nicht arbeiten. Es geht nicht. Ich komme damit nicht klar. Es geht nicht."
"Madeleine, warte!", höre ich Nines hinter mir rufen.
Ich stürme regelrecht durch den Wald und sehe die ganze Zeit die beiden vor meinem geistigen Auge. Ich kann nicht. Es geht nicht, ich komme nicht damit klar, dass zwei männliche Androiden sich lieben. Eine Androidin würde viel besser zu den beiden passen.
Ich bin aus dem Wald endlich angekommen, bin jedoch immer noch dermaßen in Trance, so dass augenblicklich alles schwarz um mich wird und ich nur noch ganz kurz Connors Namen rufe.
"Miss Holmes, hören Sie mich? Madeleine, bleiben Sie wach und bei mir. Ich bin es Nines. Nicht einschlafen!"
"Connor, Connor, warum bist du nicht da!"
"Madeleine, bleiben Sie wach! Hören Sie, der Krankenwagen ist unterwegs und das DPD habe ich informiert. Gute Besserung!"
"Connor!"
"Ihr Freund?"
"Connor, Connor." Ich sehe alles verschwommen, bekomme aber keine Antwort von ihm.
"Wir geben Ihnen jetzt ein Schmerzmittel und dann schlafen Sie erstmal. Ihr Freund wurde benachrichtigt."
"Con..."
Kälte umfasst mich, ein unangenehmer Duft von Desinfektionsmittel und mein Kopf dröhnt. Ich öffne langsam meine Augen und neben mir sitzt Connor. Er hält meine Hand, aber sie ist nicht warm, wahrscheinlich, weil er wieder unter Hypnose ist und seine Augen geschlossen sind. Ich höre Stimmen, auch die von einer Krankenschwester. Ich möchte antworten, aber es funktioniert nicht.
Connor
Liebling, du stehst unter Schock, deshalb kannst du nicht reden, versucht Connor mir zu sagen.
Was ist passiert? Willst du es uns aufschreiben?
Zitternd nehme ich den Block und Stift entgegen und bitte Connor, dass er alle weiteren Anwesenden, Markus, Simon, Josh nach draußen schicken soll, selbst Hank. Obwohl es nun nur Connor ist, der auf dem Bett sitzt, fällt es mir schwer, darüber zu zu schreiben.
Madeleine
Ich, ich habe Markus und Simon bei ihrem Liebesspiel im Büro erwischt. Markus war nackt. Ich komme damit nicht klar, dass zwei Androiden sich lieben statt eine Androidin. Und warum so öffentlich? Nachdem, was ich gesehen habe, kann ich nie mehr mit dir Sex haben können.
Connor
Das ist heftig, aber Liebling, du wirst es vergessen. Natürlich werden wir wieder intim zueinander sein. Ich liebe dich, sagte er liebevoll, dann verließ er kurz das Krankenzimmer.
Was Connor jetzt wohl macht?, frage ich mich während eine Krankenschwester um mich herumwirbelt und mich stets bittet, dass ich mich schonen soll, dann werde ich auch wieder meine Sprache wiederfinden. Kurz darauf fallen mir wieder die Augen zu.
Mittlerweile sind drei Wochen vergangen und ich habe immer noch nicht meine Sprache wieder erlangt. Immer muss ich Connor aufschreiben, dass ich ihm dankbar bin, dass er für mich da ist, mit meinem Hund Gassi geht, spielt. Ich gehe ihm immer noch nicht auf den Senkel, auch wenn ich natürlich jetzt keine Lust auf Kuscheln habe, aber seine Nähe natürlich suche.
Wenn Connor arbeitet passt eine Androidin namens Kara und ihre kleine Tochter Alice auf mich auf. Ich weiß, dass Connor die Sorge hat, dass ich mich umbringen will. Diese Gedanken hatte ich vielleicht zu Anfang, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt nicht reden zu können und müssen. Die Briefe von Markus und Simon habe ich noch nicht geöffnet. Was heißt 'Öffnen', ich habe sie weggeworfen.
Gegen Mittag höre ich draußen ein Wimmern. Ich öffne die Tür und ein kleiner Welpe liegt vor der Tür. Vorsichtig gehe ich auf ihn zu und in die Hocke. Er lässt sich streicheln und ich hebe ihn auf den Arm.
"Na', du kleiner Kerl, wo ist denn dein Herrchen oder Frauchen? Wo bist du hergekommen? Du hast ja gar kein Halsband?"
"Ich glaube, es ist ein Weibchen," kommt Alice an meine Seite. "Sie hat Hunger. Du solltest ihr etwas geben."
"Aber ich habe keine Hundemilch hier."
"Das machen wir. Komm Alice," bittet Kara Alice.
Ich setze mich mit dem kleinen Welpen auf die Couch. Dabei muss ich augenblicklich an meinen Hund denken, denn er darf nicht auf die Couch. Eigentlich darf diese kleine Welpendame auch dann nicht hierauf, aber sie ist ganz allein und braucht Nähe.
Connor öffnet die Haustür und ich hebe eine Hand und möchte mich entschuldigen, weil ein fremder Hund auf meinem Schoß sitzt. Ich erkläre ihm, dass Kara und Alice Hundemilch besorgen wollten, aber sicher keine gefunden haben.
Connor setzt sich zu mir, setzt den Welpen auf den Boden und umarmt mich.
"Liebling, diese kleine Hundedame gehört uns. Ich habe sie gekauft. Dann ist Connor im großen Garten nicht so allein. Was hältst du von dem Namen Madeleine?"
"Oh wie süß! Eine braune Malteserdame namens Madeleine und ein weißer Rüde namens Connor. Ich liebe dich!"
"Ich weiß und Welpen sind Medizin für die Seele."
"Wie meinst du das?"
Connor legt den Kopf schief und dann bemerke ich es selbst. Ich habe meine Stimme wieder gefunden. Gleich bei der Stunde als ich den Welpen vor meiner Haustür gesehen habe und ich dachte, er habe sich verlaufen und sei krank.
"Hast du das alles eingefädelt oder meinst du es wirklich ernst mit der Hündin?"
"Diese Idee hatte ich bereits als ich mit dir hier im Haus war. Dass es dir dann nicht gut ging, war Zufall, denn ansonsten hätte ich dich auch ohne deine Zustimmung zum Psychologen geschleppt. Aber so ist es doch besser, oder?"
"Durchaus."
Ich falle Connor um den Hals und küsse ihn, was ich schon seit Wochen nicht mehr getan habe. Vielleicht bin ich in nächster Zeit sogar in der Lage wieder mit Markus und Simon zu reden, aber nur in Anwesenheit von Connor.