Als du dich der Tür näherst, kannst du dahinter eine Stadt erahnen. Nichts ist von der Dunkelheit geblieben, durch die du hergereist bist.
Kalter Wind weht über Straßen, die einem Hollywood-Set Konkurrenz machen könnten. In den Straßenschluchten zwischen den Hochhäusern parken rostende Autos. Die Straßen sind stellenweise verstopft von ihnen, als hätten die Menschen panisch versucht, die Stadt zu verlassen. Ein letzter, nun ewig andauernder Stau.
An manchen Kreuzungen siehst du verkohlte Wracks, die Überreste von Unfällen. Inzwischen haben jedoch Pflanzen die Herrschaft übernommen. Gräser und Blumen haben den Asphalt durchbrochen. Efeu bedeckt die Wände der Häuser. Grüne Inseln entlang der Straßen, wo früher wohl einzelne Bäume standen, haben sich nun richtige, kleine Wälder oder Strauchdickichte gebildet.
Du findest ein paar interessante Sträucher. Erdbeeren, Äpfel und Orangen, und sogar exotischere Pflanzen, die sich im eher kühlen Klima jedoch nicht gut halten können. Vermutlich stammen sie von weggeworfenem Obst. Viele dieser Pflanzen wachsen rings um Mülldeponien. Die großen Container haben sich als besonders fruchtbarer Boden erwiesen. In verlassenen Supermärkten ist auch viel gewachsen, obwohl es dort nicht einmal Erde oder auch nur besonders viel Sonnenlicht gab. Doch bei der Vielzahl an Samen, die hier gelagert haben müssen, hatte wohl irgendwas überleben müssen. Andere Pflanzen wachsen entlang der Wege, als hätte jemand einen Apfelkern hier fallen gelassen, der gedeihen konnte, als niemand mehr kam, um diese grünen Inseln zu mähen.
Du pflückst genug, um deinen Hunger zu stillen, aber so viel, wie hier wächst, könntest du niemals tragen. Also wanderst du weiter durch die geisterhafte Stadt. Du siehst keine Menschen, nicht einmal Leichen. Letzteres erleichtert dich ungemein, aber du fragst dich trotzdem, was passiert ist.
Du siehst keine Spuren irgendeiner Naturkatastrophe. Offenbar haben die Menschen versucht, aus der Stadt zu kommen. Du siehst auch weitere Anzeichen für Plünderungen: Eingeschlagene Scheiben von Geschäften, sogar Karren und Fahrräder mit Kisten voller Zeug. Du bist vorsichtig, wenn du solche beladenen Kisten bemerkst. Allerdings hörst und siehst du niemanden und oft sind die Lebensmittel in den Paketen bereits verschimmelt.
Was die Sache noch unheimlicher macht. Was hat die Plünderer aufgehalten? Wieso haben sie ihre Beute niemals mitgenommen?
In der gesamten Stadt siehst du kein Zeichen für Leben. Sogar größere Tiere sind selten. Du siehst eine Menge Insekten und richtige Rattenkolonien, einmal ein Eichhörnchen, und viele verschiedene Vögel. So verwildert, wie die Stadt ist, müssen sich hier eigentlich auch größere Tiere herumtreiben. Du siehst keine, und bist eigentlich auch ganz froh darum.
Was kann nur passiert sein? Nachdem du eine Weile herumgelaufen bist, ohne irgendetwas herauszufinden, musst du wohl eine Entscheidung treffen. Du trittst an eine Straße und lässt den Blick über die rostenden Autos gleiten.
Die meisten waren in der gleichen Richtung unterwegs. Du erkennst es daran, wohin sie weisen, und auch, wie verstopft die Straßen auf der Seite sind. Von den vier Spuren haben sich die drängelnden Autos dreieinhalb erobert, nur vereinzelte Fahrzeuge fuhren in die Gegenrichtung. Sie kamen sicherlich nicht weit in diesem Chaos.
Du kannst entweder herausfinden, wohin sie unterwegs waren, oder wovor sie geflohen sind. Letzteres ist sicherlich ein Risiko, aber was immer passiert ist, ist lange her. Wenn du vorsichtig bist – und du hast genug Abenteuer in verschiedenen Welten hinter dir, um auf dein Können zu vertrauen – kannst du sicher unbemerkt zum Ursprung der Gefahr durchkommen.
Aber vielleicht sind die Menschen damals nicht geflohen, sondern wollten schnell irgendwo hin. Vielleicht sind sie sogar noch dort – was und wo immer es ist. Es fühlt sich zwar an, als hätten sie sich einfach in Luft aufgelöst, aber das muss nicht unbedingt stimmen. Solange du nichts weißt, kannst du von nichts ausgehen.
Du überlegst und gehst dann …
- … dorthin, wohin die Autos fuhren. Kapitel 895:
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- … dorthin, woher die Autos kamen. Kapitel 906: