Varunna, bzw. Dabog, wurden von aufgeregten Rufen geweckt. «Linus ist weg!» rief Balduraya und stürzte ins Zimmer, dicht gefolgt von Gwydyon. In den Augen der beiden Blutelfen, lag tiefe Besorgnis. «Er ist weg! Was soll das heissen?» rief der Tauren erschrocken, sprang auf und zog sich schnell seine Robe über. «Meint ihr nicht, er ist draussen irgendwo am Spielen?» «Nein! Wir haben überall gesucht. Auch die Elfenwächter haben nichts gesehen.» «Vielleicht haben sie ihm sogar selbst etwas angetan,» sprach Gwydyon finster. «Wie konnte ich auch glauben, dass Nachtelfen nett sein könnten.» «Sie waren es bestimmt nicht,» sprach Varunna beschwichtigend «das ist nicht ihre Art.» «Woher willst du das wissen?» rief der Blutelfen Hexenmeister zornig. «Kaum kommen wir hierher, verschwindet der Junge. Ausserdem hatte er keinerlei Papiere, vielleicht haben sie ihn doch gefangen genommen, weil sie vielleicht herausgefunden haben, dass er ein Halb- Dämon ist.» «Das glaube ich nicht!» «Was auch immer du glaubst, wir müssen meinen Sohn um jeden Preis wiederfinden und wenn ich jeden hier, persönlich in die Mangel nehmen muss!»
Sie hatten nun das Gasthaus verlassen und auch Ismala und Cerunnos stiessen zu ihnen. «Was ist denn los?» fragten sie. «Linus ist verschwunden!» sprach Gwydyon mit feindseliger Stimme. Irgendjemand hier, muss wissen wo er ist!» «Könnte er nicht am Spielen sein,» fragte nun auch die junge Nachtelfenfrau. «Nein! Verflucht noch eins! Er ist nicht am Spielen, sonst hätten wir ihn doch gefunden!» Ismala zuckte erschrocken zusammen, sie schien verletzt, über die heftige Reaktion des Blutelfen, den sie doch eigentlich schon sehr ins Herz geschlossen hatte.
«Das Ganze ist schon sehr eigenartig,» sprach Dabog im Geiste zu Varunna. «Könnte das was Gwydyon vermutet, nicht doch möglich sein?» «Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Nachtelfen sind sehr ehrenwert und führen nur Krieg, wenn man sie ihrer Lebensgrundlage berauben will.» «Aber wenn sie tatsächlich herausgefunden haben, dass Linus nicht wirklich ein Elfenkind ist, würden sie nicht alles tun, um die Abkömmlinge der Legion zu bekämpfen?» «Er ist kein Abkömmling der Legion. Er ist ein guter Junge, der auf dem besten Weg ist, seine dämonische Seite zu kontrollieren.» «Daran zweifle ist selbst ja nicht, aber wie es die Nachtelfen sehen, wer weiss…» «Ach was! Das Ganze wird sich bestimmt schon bald aufklären!»
«Wir werden uns nochmals aufteilen!» rief der Tauren nun. «Gwydyon und Tyrande, Cerunnos und Ismala, ihr macht euch nochmals auf die Suche nach Linus! Konzentriert euch auf die nähere Umgebung des Postens. Raya und ich, werden nochmals die Bewohner und Wächter hier befragen und die Untoten, suchen alle Gebäude und Keller ab. Weit kann Linus doch nicht sein.»
«Er ist bestimmt wieder daran, die Gegend zu erkunden und seine neuen Zaubertricks auszuprobieren,» meinte Aeternias, der sich mit Dabogs Untoten- Ich, ebenfalls zu den anderen gesellt hatte. Keinerlei Regung war in seinem eingefallenen Gesicht zu erkennen und niemand schien ihn zu verdächtigen, Linus etwas angetan zu haben. Er lächelte erneut finster in sich hinein. Er hatte den Kleinen gut genug versteckt und bis dieser wieder zu sich kam, würden sich andere Mächte um ihn gekümmert haben…
Nur Dabogs Seelen- Ich, entging der seltsame Blick des Untoten nicht. «Er scheint irgendetwas zu verbergen,» sprach er zu Varunna. «Meinst du? Er schaut doch immer so ähnlich drein.» «Nein… da ist noch etwas anderes. Ich weiss auch nicht, doch nenne es einfach Instinkt. Ich war ja auch schon mal im Körper eines Verlassenen und da fallen mir solche Dinge auf. Wir sollten ihn wirklich im Auge behalten!» «Wenn du meinst, schaden kann es auf jeden Fall nicht.»
Die kommenden Stunden, verbrachte die Reisegruppe damit, die Suche nach Linus fortzusetzen. Doch nirgends fanden sie eine Spur. Die Nachtelfen des Postens waren sehr hilfsbereit, als wollten sie zeigen, dass sie mit dem Verschwinden des Kindes, nichts zu tun hatten. Nachdem sie im Inneren des Forts alles durchsucht hatten, begannen die Freunde, alle vereint, auch noch die weitere Umgebung zu Fuss und mit den Nachtsäblern abzusuchen, ohne Erfolg.
Gwydyon war mit seinen Nerven am Ende. Gerade erst hatte er seinen Sohn den Dämonen entrissen und sie waren sich durch ein schönes Gespräch, unten am Fluss, etwas näher gekommen. (lies dazu auch: https://belletristica.com/de/books/9917-juwelen-von-azeroth-epos/chapter/28461-warten-auf-die-eskorte-gwydyon-s-erkenntnisse)
Und jetzt war Linus auch schon wieder verschwunden. Was nur, war mit ihm geschehen? Auf einmal legte sich eine kühle Hand auf seine Schulter. Es war jene von Dabos Untoten- Ich.
«Willst du nicht mal deinen Leerwandler beschwören? Vielleicht kann er Linus ja aufspüren, wie damals Vilevere. Der Kleine ist ja auch ein Halb- Dämon.» Der Blutelf schaute den Untoten an. Ja er hatte recht! Warum nur, war er selbst nicht darauf gekommen? «Danke Dabog! Das könnte wirklich funktionieren!» Er klopfte dem Verlassenen auf die Schulter, doch dann wurde ihm wieder bewusst, dass dieser Dabog hier, eigentlich nicht jener war, den er einst so ins Herz geschlossen hatte. Trotzdem glaubte er Mitgefühl in den Augen dieses Verlassenen zu erblicken. Nein! Bestimmt irrte er sich.
So beschwor er also seinen blauschimmernden Leerwandler.
«Banar!» sprach er «du musst versuchen herauszufinden, wo sich Linus aufhält! Kannst du das?» Der Leerwandler drehte sich einmal in alle Windrichtungen, wie ein Hund, der die Fährte eines Tieres aufzunehmen versuchte. «Ja. Ich erkenne eine ganz schwache Spur.» sprach er dann mit seiner dumpfen Stimme. «Zeig mir, wo sie hinführt!» «Wie ihr wünscht!» sprach der Leerwandler und wandte sich nach Norden. Ein Stück ging es noch dem Weg entlang, doch dann zweigte die Spur, Richtung Westen, ins Unterholz ab.
Dabogs Untoten- Ich, begleitete Gwydyon und den Leerwandler, es machte beinahe den Anschein, als mache er sich auch Sorgen um den Jungen. Tatsächlich war dies auch so, auch wenn Dabog- der Verlassene, selbst nicht wirklich verstand, was für Gefühle ihn da bewegten. Erst seit kurzem war das wieder so, seit… Varunna wieder zu ihnen gestossen war. Irgendetwas war, ab jenem Zeitpunkt, anders gewesen. Doch warum, das ahnte er noch nicht.
Die Spur führte immer weiter in die Tiefen des Waldes hinein und die beiden Männer mussten auf der Hut sein, dass sie nicht auf einmal von irgendwelchen wilden Tieren, angegriffen wurden. Es gab hier viele gefährliche Riesenspinnen, wilde Nachtsäbler, verschiedene Bären und auch Wölfe.
Schliesslich erreichten sie eine hohe Felswand. «Hier… endet die Spur,» sprach Banar. «Wie bitte?!» rief Gwydyon. «Das kann doch nicht sein!» Er schlug verzweifelt mit der Faust gegen die Wand, die unüberwindbar schien. Den Schmerz, der seine Hand dabei durchfuhr, spürte er kaum. Er war zutiefst verzweifelt und liess sich zu Boden sinken. Tränen stiegen in seine Augen. «Das ist einfach nicht möglich! Er kann… doch nicht einfach so verschwunden sein! Wenn er jetzt von einem wilden Tier verschleppt wurde und… Oh Gott Dabog! Was sollen wir bloss tun? Ich darf meinen Sohn nicht verlieren, jetzt da wir uns endlich etwas nähergekommen sind. Wir wollten ihn doch… dem Licht weihen. Er war auf so einem guten Weg!» Dabog schaute prüfend an der Mauer empor. «Vielleicht, liegt dahinter eine Höhle,» mutmasste er und ging um die Felswand herum. Doch nichts war zu sehen, nur weitere Felswände.
«Das ist wirklich seltsam…» murmelte er «es gibt nirgendwo Blut oder irgendeine andere Spur, von einem tierischen oder menschlichen Angriff.» Suchend ging Dabog umher, bis er auf einmal etwas entdeckte! Er bückte sich und schaute prüfend auf den Boden. Dort befand sich ein ziemlich tiefer, menschenähnlicher Fussabdruck. Eine steinige Böschung befand sich hier. Dabog erklomm sie. «Es sieht ganz so aus, als ob sie hinauf auf die Felsen führen würde, an denen die Spur von Linus geendet hat. Banar! Komm her und schau, ob du irgendwo an der Böschung hier, eine Spur von Linus findest!» Banar zögerte. «Tu was er sagt!» befahl der Blutelf und neue Hoffnung, glomm in seinem Inneren auf. Banar nickte und tat wie ihm geheissen. Dabog erklomm währenddessen weiterhin behände die steile Böschung und Gwydyon folgte ihm nahe auf den Fuss. «Da ist wieder eine fast unsichtbare Spur!» sprach Banar plötzlich. «Doch sie führt sich nicht fort.» «Vielleicht hat derjenige, welcher hier hinaufgeklettert ist, Linus grösstenteils auf den Schultern getragen und in zwischendurch wieder abgesetzt,» überlegte Dabog. «Da Linus dämonische Spur sowieso schon schwach ist, verschwindet sie vielleicht, wenn er nicht den Boden berührt. Der Entführer muss ihn eine Weile hinter sich hergezogen haben, bis er hier rauf musste, dann trug er ihn und setzte in dazwischen wieder ab…» «Oder… Linus lief eine Zeit lang noch selbst und wurde dann… von seinem Entführer niedergeschlagen und schliesslich getragen.» sprach Gwydyon tief erschüttert. «Beides ist möglich. Doch warum ist der Entführer dann hier heraufgeklettert? Da oben ist sonst nichts es sei denn…» Sie erreichten nun den Gipfel der Felsen und auf einmal tat sich vor ihnen ein tiefes Loch auf. «Also doch eine Höhle!» rief Gwydyon, «wenn auch eine überaus gut Versteckte!»